Ansichten: Die Linke zum Gruß!

Jeder Motorradfahrer kennt den Biker-Gruß. Wenn man sich begegent, hält man kurz die linke Hand raus und dokumentiert damit ein Zeichen der Solidarität unter den Bikern. Ich habe das früher auch getan. Früher! Denn heute klemme ich mir das, bzw. grüße nur noch mir bekannte Biker. Freunde macht man sich dadurch nicht, im Gegenteil, man wird als arrogant und überheblich eingestuft. Und ich sehe schon jetzt den Sturm der Entrüstung, weil ich dieses auch noch als Herausgeber eines Biker-Magazins so eindeutig zugebe.

Was hat sich geändert?

Ganz einfach, meine Einstellung. Als Club-Biker habe ich die Entscheidung getroffen, mich einem organisierten Haufen von Gleichgesinnten anzuschließen. Dieser hat Regeln und eine eigene Ideologie. Er nimmt nicht jeden in seine Gemeinschaft auf. Um zu sehen, ob der neue Mann zu den Regeln und der Ideologie passt, durchläuft er i.d.R zwei Stufen; den des Anwärters ( Hangeround ) und den der Probe ( Prospekt ).

Auf diese Art und Weise prüfen die Member, ob der Mann passt. Wenn ja, wird er Member, wenn nein, muss er gehen. Diese Phase dauert zum Teil mehrere Jahre. Du wirst auf alle deinen Schwächen und Stärken hin geprüft, musst ohne Ende Clubhaus-Dienste verrichten, unzählige Partys anfahren und immer für den Club und seine Member da sein. Und wenn du denkst, es passt, passiert irgendein Mist und der Prospekt kann nach 2 Jahren gehen. Shit Happens!

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Einige bezeichnen dieses Vorgehen als moderne Sklaverei. Das nehme ich ihnen nicht einmal übel, sie wissen es halt nicht besser. Faktisch natürlich falsch, denn Sklaven wurden nicht um ihre Meinung gefragt, sondern unter Zwang rekrutiert. Eines aber ist doch wohl allen klar; wer freiwillig so etwas auf sich nimmt, den interessiert nicht nur das gemeinsame Motorrad-Fahren, nein, er hat auch ein extrem hohes menschliches Interesse genau an diesem Haufen. Seine Erwartungen, auch die des Clubs, gehen weit über das Mopedfahren hinaus. Wir nennen das Bruderschaft!

Ich kann mich noch gut daran erinnnern, als ich erstmalig mit dem Ofen in Bremen als Prospekt unterwegs war. In diesem Status trägst du auf dem Rücken den Buttom-Rocker des Clubs ( unterer Teil ) und das MC-Patch. Ich hatte keine Ahnung, ein absolutes Greenhorn. Am Bahnhof hielt ich an der Ampel und ein ganzer Tross von Sportlern kam von hinten angerauscht. Anstatt sich auf gleicher Höhe breit zu machen, stellten sie sich alle schön devot hinter mir auf. Ich habe das seinerzeit nicht verstanden, heute bin ich mir der Vorurteile gegenübern Club-Bikern absolut im Klaren. Da war nix mit Solidarität!
Gerade erst mußte ich auf meinem eigenen Event feststellen, dass alleine die Anwesenheit von Kutten an der Kasse, manche Freizeitfahrer abgeschreckt hat. Tja, so weit ist es bereits gekommen.

An dieser Stelle gebe ich mal wieder meinen Senf dazu!

An dieser Stelle gebe ich mal wieder meinen Senf dazu!

Nun könnte man denken, wenn du uns nicht on the Road grüßt, dann willst du uns ja auch nicht. Blödsinn, denn ein Biker-Treffen findet für Alle statt, dort spielen die Rules des Clubs keine Rolle. Das macht man u.a., um dem Nicht-Club-Biker die Möglichkeit zu geben, seine eigenen persönlichen Live-Erfahrungen mit unterschiedlichen Mitgliedern der gesamten Motorrad-Szene zu machen. Etliche, die sich darauf eingelassen haben, stellen so fest, dass die Kutten oftmals diesselben Interesen haben. Nur was die persönliche Ebene anbelangt, stellen sie weitaus höhere Anforderungen an den Mann. Ein Suff am Tresen reicht da beileibe nicht aus, um sich menschlich wirklich näher zu kommen. Aber es kann ein Anfang sein und in jedem Fall einen geilen Abend bedeuten.

Auch etliche Freebiker sind so gestrickt. Sie grüßen auch nicht jeden. Im Grunde ticken sie genauso wie Club-Biker, nur mit dem Unterschied, dass sie nicht organisiert fahren wollen. Doch ihre Ansprüche an den Wegbegleiter sind nahezu identisch. Sie machen nicht mit jedem eine Tour, sie wollen nicht mit jedem Gut-Freund sein.

Wer sich für diese Szene entscheidet, der kann schon aus seinem Selbstverständnis heraus keine fremden Biker grüßen. Daher sind es oftmals die Club-Biker, die sich dem Biker-Gruß veweigern. Auf dem Treffen oder der Party sind sie aber fast immer für einen lockeren Talk zu haben, egal, ob man im Club ist oder nicht. Das Motto: “ Verhälst du dich wie ein Mann, begegne ich dir wie ein Mann. Bist du ein Arschloch, behandel ich dich auch so!“

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Ich habe mal vor 9 Jahren auf der A 27 eine Panne gehabt. Etliche Biker sind an mir vorbei gerauscht, manche haben noch hämisch gehupt oder gewunken. Was für Arschlöcher! Einer hielt an. Das war ein Club-Biker, der mich fragte, ob er mir helfen könne. Seitdem ist mir das häufiger passiert. Die Club-Biker halten an, die Freizis fahren weiter. Nur in einem einzigen Fall am Buchholzer Dreieck trat ein Streetfighter in Bremse. Das Dilemma; ich hatte keinen Sprit mehr, peinlich, aber er fuhr mit mir zur nächsten Tankstelle und zurück. Klar konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen, aber wir haben eine zusammen geraucht und wenn ich ihn irgendwo treffe, schnacke ich noch heute mit ihm. Das war gelebte Solidarität!

Das ich also nicht grüße, hat nichts mit Ablehnung oder Ignoaranz zu tun, es ist nichts weiter als das Resultat einer langen persönlichen Entwicklung und der Erkenntnis, dass die immer wieder beschworene Solidarität unter allen Bikern tatsächlich nicht existiert. Da können manche in den Foren oder auf ihren Facebook-Seiten „Brohers United“ skandieren bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Wenn sie das zudem noch als Club-Biker tun, haben sie null Ahnung von dem Wesen einer Bruderschaft und der Club-Szene als solches. Bei denen läuft Brotherhood theoretisch im Kopf ab. Gefügelte Worte eben!

Ich bin für jeden offen, der mir korrekt gegenüber tritt. Ich denke, dass hat sich mittlerweile herumgesprochen. Ich lasse aber nicht jeden in mein Leben, nicht in mein Heim und schon gar nicht in mein Herz. Trotzdem stehe ich der gesamten Motorrad-Szene tollerant und offen gegenüber. Der Beleg dafür ist das Magazin und meine Bemühungen innerhalb der Szene. Wenn wir uns on the Road begegnen, werde ich dich vermutlich nicht erkennen und die Linke bleibt am Lenker. Wenn wir uns aber fünf Minuten später auf der Tanke treffen, sage ich sogar Hallo, denn dann kann ich dir auch in die Augen schauen!

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.