….und eine kleiner Jahresrückblick von Bodensatz!
Durchaus möglich, dass ich mit dieser Nummer den Zorn vieler Leute auf mich ziehe.
Es geht um die gute Tat vor dem Fest. Woran liegt es eigentlich, dass insbesondere in der Vorweihnachtszeit alle noch mal eben ganz schnell ein Benefiz aus dem Boden stampfen möchten. Damit wir uns nicht gleich missverstehen, eine saisonale Hilfe ist besser, als gar keine Hilfe. Doch in dieser Phase finden allerorten Xmas-Events für Obdachlose und andere Bedürftige statt. Auch das TV rührt kräftig mit.
Alleine Caritas, Innere Mission, DRK und wie sie alle heißen, machen Angebote wie zum Beispiel ein Martinsessen. Hier bestehen auch Vertrauensverhältnisse, die über Jahre gewachsen sind. Die Obdachlosen kennen die Lokation und deren Mitarbeiter. Man erreicht somit viele.
Also könnte man doch die eigene Hilfe auch später an den Start bringen, mit einem längeren Vorlauf mehr Potential generieren, um der permanenten Bedürftigkeit der Zielgruppe gerecht zu werden. Aber weit gefehlt, dass muss alles jetzt sein, am liebsten kurzfristig, damit man rechtzeitig zu Heiligabend mit der persönlichen guten Tat sich selber noch mal eben auf die Schulter klopfen kann.
Ich weiß sehr wohl, wovon ich rede. Denn das Projekt Der Bodensatz hatte seinerzeit genau diesen Ansatz; eine Weihnachtsfeier für Obdachlose nach dem Vorbild von Frank Zander in Delmenhorst oder Bremen. Die Gruppe wurde im Fratzenbuch gegründet, zig Leute waren sofort am Start. Alles lief rund, selbst die Stadt Delmenhorst kam uns mit der Miete für die Markthalle entgegen. Dann war ich in Oldenburg, um die Mitarbeiter der Innenen Mission für unser Anliegen zu gewinnen.
In dem Tagesaufenthalt traf ich zur Prime Time auf die Obdachlosen. Viele waren von der Idee begeistert. Nur in der Ecke saß ein älterer Herr, der mich argwöhnisch beäugte. Ich fragte ihn nach dem Grund dafür. Er antwortete: „Und danach?“. Wie danach? „Ja, was passiert nach dem Fest. Dann, wenn die harte Zeit kommt, wenn wir wieder ruckzuck vergessen sind, weil die Atmo von Weihnachten verflogen ist und alle wieder ihren Blues machen!“. Dieser Mann beschämte mich.
In dem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. An sich organisierte ich die Nummer nicht für die Obdachlosen, sondern für mein persönliches Seelenheil. Die Obdachlosen waren eigentlich nur das Instrument zur Erlangung der persönlichen Glückseligkeit. Ich hatte null Struktur, keinerlei mittelfristige Ausrichtung, inhaltliche Gespräche mit Obdachlosen selber schon gar nicht.
Sofort beendete ich das Vorhaben Xmas-Feier, um die Gruppe auf eine verlässliche und permanente Ausrichtung vorzubereiten. Diese Botschaft führte erst einmal dazu, dass von gefühlten 20 Leuten, die vorher noch ach so heroisch „Teilnahme“ gerufen haben, heute noch ganze vier dabei sind.
Anstatt unser eigenes Ding zu machen, dockten wir uns an bestehende Strukturen an, erkundigten uns erst einmal nach dem Bedarf der Obdachlosen. Jonas, Streetworker aus Bremen, erwies sich als Glücksfall. Er machte uns auf viele Aspekte aufemerksam, auf die wir selber vermutlich nie gekommen wären. Bereits die Tour mit ihm zu den Platten änderte meine Perspektive. Wir sind immer der Meinung, dass wir schon recht gut einschätzen können, was die Kollegen brauchen und was nicht. Gefragt werden sie in aller Regel aber nicht.
Natürlich braucht man im Winter feste Kleidung, Isomatte oder Schlafsack. Aber da gibt es noch weitaus mehr. Ein normales Gespräch, nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe, das Gefühl, dass die Hilfe nicht dem Selbstzweck dient, sondern verlässlich ist. Das die Obdachlosen sich einbringen können. Einer von Ihnen fragte mich während der mittlerweile vierten Aktion in Bremen, ob ich mit ihm zusammen die Obdachlosenzeitung verkaufen würde. Wow, das fand ich geil, zeigte es doch, dass er Vertrauen gefasst hatte. So entsteht ein Wir. Und logen mache ich das mit ihm zusammen, wenn die Zeitung es gestattet.
Nun sollte keiner denken, ich habe hinsichtlich der Obdachlosen die Weisheit mit Löffeln gefressen. Keineswegs, mir passieren immer noch etliche Gedankenfehler, nur folge ich nicht mehr dem ersten Impuls, sondern checke mich selber ab, frage Jonas oder meine Mitstreiter. Und von denen gibt es mittlerweile mehr als vier, die sich der Sache so annahmen, dass sie soweit möglich permanent am Start sind. Der Rest sind stille Beobachter oder reine Konsumenten. So ist es halt, aber die Gruppe funktioniert und hat gerade in den letzten Monaten enorm an Substanz zugelegt.
Und das ist ein Gemeinschaftserfolg, der ohne diese Leute nicht möglich wäre. Am 15. Januar starten wir in Oldenburg, für Bremen-Nord gibt es Gespräche. Ihr seht also, das angestrebte Ziel, Leute in ihrem Kiez zu motivieren, funktioniert. Lasst uns einfach weiter mit unseren vorhandenen Möglichkeiten an einem Strang ziehen. Nicht zu viel Gas, sonst brennen wir aus, aber immer so viel, das wir nie glauben alles erreicht zu haben.
Meinen Mitstreitern in der Gruppe „Der Bodensatz – Biker & Friends helfen Obdachlosen“ möchte ich neben den besten Wünschen für eine geschmeidige Xmas und einen endgeilern Rutsch abschließend noch etwas mit auf den Weg geben:
Der Dicke ist verdammt stolz auf euch. Und ihr solltet es auf euch auch sein!
So, Schluss mit dem Geschleime. Wir sehen uns am 15. Januar in Oldenburg oder am 19. Februar in Bremen zu dem jeweiligen Neujahrsgrillen für Obdachlose plus umfangreicher Sachspendenausgabe.
Kontakt: www.facebook.com/groups/Bodensatz/