HAMC: Back to the Roots?

Das Meeting aller Charter des HAMC Germany in Boppard könnte zu einem Wendepunkt für die Zukunft der deutschen Höllenengel werden. Diese Vermutung liegt jedenfalls nahe, wenn man sich das Stern-Interview von Lutz Schelhorn, Präsident des HAMC Stuttgart, aufmerksam durchliest.

In diesem räumt er Fehler in der Auswahl neuer Member ein und erklärt offen, dass die alten Recken keinen Bock mehr darauf haben, für den Mist anderer Member gerade zu stehen, insofern diese den Club ausschließlich für ihre eigenen Zwecke missbrauchen. In dieser Deutlichkeit ungewöhnlich klare Worte eines Mannes, der durchaus dafür bekannt ist, sein Charter konsequent und dizipliniert zu führen. Und das nicht seit gestern. Lutz Schelhorn ist alles andere als ein Newcomer in der Szene. Und das altgediente Stuttgarter Charter gilt als stabil und deren Member als eng verwoben.

Doch ist dieses nun Taktik und damit der neuen Verbots-Strategie der Behörden geschuldet oder kommt es in der Tat zu einem internen Umdenken? Den Spekulationen jedenfalls ist Tür und Tor geöffnet. Wir erinnern uns. Schon einmal kam es direkt vor einer IM-Konferenz zu einem medienwirksamen Auftreten, als der HAMC Germany und die deutschen Bandidos einen offiziellen Frieden in der Kanzlei von Star-Anwalt von Fromberg verkündeteten. Der Auftritt wurde als reine PR-Nummer bewertet und tatsächlich hielt der Vertrag keine 12 Monate. Dieser Umstand hat zur Glaubwürdigkeit in der Szene keinesfalls beigetragen.

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Was könnte die aktuelle Situation nun von dem damaligen Geschehen unterscheiden?

Die aktuellen Verbote von HAMC-Insignien in etlichen Bundesländern bewegen sich auf rechtlich extrem dünnen Eis. Die damalige Verbots-Entscheidung in der Elbe-Stadt bezieht sich ausschließlich auf das Tragen der Insignien in Hamburg. Seit 1983 lag dieses Urteil nun in den Archiven und verstaubte. Erst die Aktion eines Hells Angels vor der Michaelis-Kirche in Hamburg, er ließ sich dort im letzten Jahr mit seinem Patch fotografieren, führte zu einer erneuten gerichtlichen Entscheidung, in der dieses Urteil nicht nur bestätigt, sondern kurzerhand ausgeweitet wurde. So gesehen hatte der Member quasi mit Zitronen gehandelt. Diesen Umstand nutzten nun etliche Staatsanwälte als rechtliche Basis für ihre Verbots-Verfügungen.

Persönlich gehe ich davon aus, dass diese Entscheidungen vor höchsten Gerichten keinen Bestand haben werden. Die Hells Angels werden jedenfalls mit allen rechtlichen Mitteln dagegen vorgehen, ihre Chancen stehen meines Erachtens so schlecht nicht. Grundlage für das Hamburger Urteil aus 1983 sind nämlich konkrete Vorfälle in der Hansestadt selber, die ausschließlich das damalige Hamburger Charter betrafen. Da die Charter eigenständig agieren, kann ein Fehlverhalten nach meinem Rechtsverständnis keinesfalls auf andere Bundesländer übertragen werden, da damit alle Member unter Generalverdacht gestellt werden und dieses dem Individual-Grundsatz widerspricht.  Unser Rechtssystem sieht eindeutig vor, dass der Bürger nur dann belangt werden kann, wenn er einen Rechtsverstoß begeht.

Wenn ihr diese Grafik seht, geht es um staatliche Maßnahmen und deren Auswirkungen!

Wenn ihr diese Grafik seht, geht es um staatliche Maßnahmen und deren Auswirkungen!

Ein Vergleich!

Stellen wir uns doch einmal vor, ein Hamburger Staatsanwalt wird 1983 wegen Diebstahls überführt, abgeurteilt und entlassen und in der Folge dürfen alle deutschen Staatsanwälte in Hamburg die Kaufhäuser nicht mehr betreten. Ein Bremer Staatsanwalt teilt dieses Rechtsverständis nicht, betritt demonstrativ 2013 ein Hamburger Kaufhaus, worauf hin es zu einem erneuten Urteil kommt, die Entscheidung aus 1983 wird bestätigt, jetzt jedoch dürfen alle deutschen Staatsanwälte in der gesamten Republik nicht mehr einkaufen. Zugegeben, dieser Vergleich ist etwas profan, er spiegelt jedoch mein Verständnis von Recht & Gesetz wieder.

In den letzten Jahrzehnten ist es dem Staat nicht gelungen, eine generelles bundesweites Verbotsverfahren anzustrengen. Die hohen Hürden des Vereinsrechtes fordern eine Vielzahl von beweisbaren Fakten und setzen eindeutig voraus, dass die Gründung des Vereins ausschließlich der Durchführung von Straftaten zur Kapitalbeschaffung diente. Etliche Rechts-Experten auf höchster Ebene verneinen dieses eindeutig.

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Was nun?

Die Tatsache, dass einige Bundesländer den aktuellen Verbots-Entscheidungen nicht folgen werden, ist ein klares Indiz dafür, dass die rechtliche Basis der Verbote alles andere als klar ist und diese Länder anscheinend davon ausgehen, dass die Verfügungen dauerhaft keinen Bestand haben werden. Dieser Einschätzung schließe ich mich an. Das Hamburger Urteil kann lediglich die Belange in der Hansestadt regeln, jedoch keinesfalls als Ersatz-Fallschirm für die gesamte Republik dienen, nur weil man nach dem Vereinsrecht nicht zum Zuge kommt.

Was die Aussagen von Lutz Schelhorn anbelangt, so stellt sich zunächst die Frage, ob die Comments seine eigene persönliche Meinung darstellen oder ob er mit dem Interview den MC-Gedanken präsentiert. Letzteres darf durchaus angenommen werden. Ohne Absprache mit dem Club würde kein Präsident so agieren.
Gehen wir einmal davon aus, dass es in der Tat zu internen Maßnahmen kommt, die das unbedachte Rekrutieren von Männern ohne Ideologie und Stallgeruch in der Zukunft verhindern, so wird es sicherlich etliche Leute geben, die davon ausgehen, dass dieses Umdenken den anderen führenden MC’s einen regen Zulauf bescherrt und damit neue Potentiale generiert. Ja, dass ist denkbar, nur wäre es mehr als naiv zu glauben, dass man sich selber vor derartigen Fehl-Entwicklungen schützen kann. Die Problematik würde sich lediglich verlagern, des Wurzels Übel bliebe erhalten. Ich denke, dessen ist man sich aber bewusst.

Schwierig wird es sicherlich, dieses Bewußtsein auf ganzer Ebene durch zu setzen. Wie bereits erwähnt handeln die Charter autonom. Wenn also bestimmte Führungs-Personen mit einer Neu-Entwicklung nicht konform gehen, so bleibt dem Club nichts anders übrig, als in diese Autonomie einzugreifen, um alle Charter darauf einzuschwören. Das könnte zu Abgängen führen. Wenn dies jedoch genau die Leute trifft, die maßgeblich für den Status Quo verantwortlich sind, dürfen wir das als reinigendes Gewitter bezeichnen. Schwächen wird es den MC in keinem Fall. Im Gegenteil, er wird in der Zukunft genau die Leute für sich gewinnen, die nur aus einem einzigen Grund dem MC beitreten wollen. Brotherhood!

Das Vertrauen in die eigenen Werte und Mythen wird wieder steigen und mittelfristig wird sich dieses auch in der gesamten Szene positiv auswirken. Mag sein, dass ich an dieser Stelle naiv bin oder gar einer Finte aufsitze, doch meine innere Stimme sagt mir, die Zeichen der Zeit wurden erkannt. Schauen wir gespannt in die Zukunft!

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.