Rocker & Medien: Was steckt hinter der Lügenpresse?

Ein Seitenblick aus anderer Perspektive!

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in irgendwelchen Gazetten oder Online-Diensten das Thema Rocker & Kriminalität in einem nahezu unerschöpflichen verbalen Einklang durch den Blätterwald gejagt wird. Und was die Anlässe zu einer Berichterstattung anbelangt, kann man es der Presse keinesfalls vorwerfen, dass sie nur allzu gerne den Ball aufnimmt und über derlei Vorkommnisse berichtet. Das ist ihr Job und die Anlässe finden nun einmal statt.

Ob es sich bei den beteiligten Protagonisten tatsächlich um Rocker oder um Mitglieder der sogenannten rocker-ähnlichen Gruppierungen handelt, fällt am Ende des Tages auch gar nicht mehr so arg ins Gewicht, wenn es sich nicht um eine stets negative Berichterstattung handeln würde und die Journalisten m. E. regelmäßig ihre Sorgfaltspflichten hinsichtlich einer professionellen Berichterstattung verletzen würden. Ich brösel daher die Nummer heute mal aus einer etwas anderen Sicht auf.

Was sagt das Niedersächsiche Presserecht?

Das Pressewesen wird durch die Länder geregelt. Ich lebe in Niedersachsen, somit gilt das Presserecht in Niedersachsen.

§ 3 Öffentliche Aufgabe der Presse. Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.

Und weiter?

§ 6 Sorgfaltspflicht der Presse. Die Presse hat alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen. Sie ist verpflichtet, Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten.

Und mit § 6 des Pressegesetzes Niedersachsen sind wir beim Punkt. Zunächst einmal muss man sich darüber im klaren sein, dass Journalisten eine persönliche Meinung haben und ihre Berichterstattung sehr stark von dieser sowie ihrer persönlichen Interessenlage abhängt. Diese ist an sich schnell geklärt, denn Bad News are Good News, das nach wie vor gültige Leitmotiv der Mainstream-Medien. Negative Schlagzeilen animieren den Leser zum Kauf. Je fetter die Headline, desto mehr Emotionen zum Kauf werden geweckt. Ändert sich der Leser, ändern die Verlage ihre Ausrichtung. Das wird nicht passieren. Die Menschen sind halt so gestrickt.

Nun ist es jedoch keinesfalls so, dass Journalisten nach den Umständen ( siehe §6 ) nicht genauer hinschauen könnten, sie tun es nur nicht. Das hat in der Regel zwei potentielle Gründe. 1. Der Chefredakteur und / oder Verleger beharrt auf einer aggressiven Form der Darstellung, in der Gewissheit, dass er mit dieser Praxis mehr Umsatz generiert, oder, und das ist oftmals der Fall, der Journalist vermeidet eine genaue Verifizierung der bekannten Inhalte, weil das vielen Berichten die Brisanz nehmen würde, ergo den gewählten Headlines widerspricht. Hinzu gesellt sich ein enormer Produktionsdruck durch den Verlag.

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Der Vorwurf!

Die eigentliche Aufgabe des Berichtenden besteht darin, den Leser in die Lage zu versetzen sich selber ein eigenes Bild über die Vorkommnisse zu machen. Genauso wie der Polizist oder der Staatsanwalt hat er daher die Pflicht, alle Aspekte zu hinterfragen, also nicht nur die vermeintlich negativen, sondern auch die entlastenden Umstände zu prüfen. Auf letzteres wird aber bei allen drei Berufsgruppen in schöner Regelmäßigkeit verzichtet. Stattdessen werden die Berichte so formuliert, dass in ihnen bereits eindeutig die Richtung vorgegeben wird, in die der Leser gelenkt werden soll. Das aber ist mit Pressefreiheit nicht gemeint!

Was in vielen anderen Bereichen ob der persönlichen Interessen der Leser nicht möglich ist, klappt hinsichtlich der Berichterstattung über Rocker ganz hervorragend. Der Grund ist simpel. Der Leser hat keinen Bezug zu unserer Szene, er hat keine Veranlassung die vermeitlichen Fakten zu hinterfragen. Über das Unterbewusstsein kommt die Message an und je häufiger in dieser Form berichtet wird, desto stärker verdichtet sich der Eindruck, dass Rocker tatsächlich notorisch kriminell sind und der Staat in seinem Agieren gegen die Rocker richtig handelt. Ohne sie geht es der Gesellschaft besser. So entsteht die notwendige Akzeptanz des Bürgers für ein politisches Handeln. Die Presse fungiert dabei als Steigbügelhalter.

Die Wirkung!

Würde der Leser persönlich tangiert werden oder sich tangiert fühlen, die aktuelle Flüchtlingsthematik ist das beste Beispiel, so würde er auch weitaus tiefer in die Materie einsteigen, sich selber auf verschiedenen Ebenen Informationen einholen, mehr verifizieren, basierend auf eigenen Ängsten und Sorgen. Das zwingt den Berichtenden dazu, mit weitaus mehr Sorgfalt zu arbeiten. Da dauern die Texte halt auch schon einmal etwas länger, weil die Umstände zum Beispiel eine Nachrecherche erfordern. Schließlich will er sich kein Eigentor schießen.

Bei den Berichten über die Rocker-Szene scheint es jedoch generell so zu laufen, dass sämtliche Redaktionen nach einem Baukastenprinzip arbeiten. Die Formulieren sind bereits im Kopf, Datum und Ort fehlen noch. So müssen sie nur auf die Anlässe warten, innerhalb von 2 Stunden ist der Leitartikel fertig und prangt in großen Lettern auf der Tielseite. Über Fotomaterial verfügt die hauseigene Datenbank, und ob das Material ggf. schon 5 Jahre alt ist oder nicht, spielt für den Autor keine Rolle, solange es als Belegfoto irgendwie nützen kann und der eigenen Interpretation entspricht. Was interessiert es den Leser, ob es sich um einen Supporter, Prospect oder Vollmember handelt, der gerade als Quotenbringer herhalten muss.

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Ergeben sich dann im weiteren Verlauf berechtigte Zweifel an der eigenen Darstellung oder führen eindeutige Beweise gar zu einer umfänglichen Entlastung der Rocker, findet man, wenn überhaupt, irgendwo einen kleinern Artikel auf Seite 7, der dieses frei von aggressiven Parolen und jeglicher Einsicht der vorherigen Fehleinschätzung kurz und knapp darstellt. Kritik an den Aussagen der Polizei, gar an der eigenen Vorverurteilung findet nicht statt. Würde das passieren, müsste man sich ja selber an  den Pranger stellen. Und genau an diesem Punkt stellt sich in der Tat die Frage, ob wir bei dieser Form der Berichterstattung von einer Lügenpresse sprechen können oder nicht.

Schwierige Frage, denn wenn ich meinen Job nicht gewissenhaft ausübe, bin ich kein Lügner. Doch wenn ich um die Tatsache weiß, dass meine eigene Berichterstattung den Leser manipuliert und ich mir der Wechselwirkung sehr wohl bewusst bin, diese sogar beabsichtige, so kann ich es niemanden übel nehmen, wenn er die Presse als Lügenpresse bezeichnet. Gib einem kleinen Mann Macht und er wird sie missbrauchen!

Anlässe!

Das es in der Rocker-Szene zu absolut unwürdigen und nicht zu verharmlosenden Straftaten kommt, kann niemand von der Hand weisen. Jedoch sind selbst normale Partys oder Fahrten von 1%ern mit dem Bike bereits medial so negativ angelegt, dass sie dauerhaft in ihrer Wirkung auf den Leser als repräsentativer Status für die gesamte Szene wirken. Doch wie wir alle wissen, ist es tatsächlich eine Minderheit, die kriminell ist. Doch egal, ob der Betroffene mit BTM dealt oder Frauen zur Prostitution zwingt, der Autor muss stets dem Ansruch einer fairen und belegbaren Berichterstattung gerecht werden, selbst wenn der Rocker es subjektiv gesehen nicht verdient hat. Und hier ist halt der Wurm drin. Die Unschuldsvermutung aus dem Strafrecht, muss auch für eine professionelle und objektive Berichterstattung gelten, egal, ob es sich um Rocker oder andere Inhalte handelt.

Eines aber ist Fakt; kommt es zu weniger Anlässen, so gibt es keinen Ansatz für die Presse in dieser Form zu berichten. Dieser Umstand spielt natürlich jetzt den Leuten in die Hände, die den betroffenen Clubs vorhalten, sie wären selber schuld an der Misere und hätten sich zum Beispiel die Verschärfung des Vereinsgesetzes selber eingebrockt. Und tatsächlich sind alle Betroffenen sehr gut beraten, im internen Kreis die Zügel anzuzuziehen, mehr Diziplin einzufordern.

Doch so sehr eine Kritik an den Clubs von Szenegängern auch berechtigt sein mag, es gibt der Presse noch lange keine Legimitation die Stigmatisierung von Rockern massiv voran zu treiben. Würden sie fair und reinweg sachlich, frei von Manipulationsabsichten, nur die die Umstände darstellen, die tatsächlich zum Zeitpunkt der Berichterstatung unzweifelhaft sind, dann würde man sich ja ggf. auch mit den Kollegen unterhalten. So aber wird das nichts.

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.