Szene-Talks: Der verbale Bullshit nach Herne!

Meine persönliche Meinung!

Ist es nachvollziehbar, dass nach einem so grausamen Verbrechen wie in Herne, etliche Rocker und Biker im Fratzenbuch durchdrehen und eine massive und unmittelbare Strafe für den vermeintlichen Mörder Marcel H. fordern? Natürlich! Habe ich Verständnis dafür, dass sich darunter etliche Kommentare befinden, in denen öffentlich durch die Blume, teilweise direkt. zu einer Straftat aufgefordert wird, bzw. in denen man es favorisiert, die Angelegenheit doch besser den Bandidos zu überlassen? Keinesfalls!

Warum nicht!?

Nun, der Bandidos MC Herne East hat ein Statement abgegeben, in dem er sich klar von einer möglichen Selbstjustiz distanziert hat. Statt dieses zu respektieren und einfach mal die Bälle flach zu halten, bedauern es viele anscheinend noch, dass der Täter sich der Polizei stellte und nicht in die Hände der Bandidos geriet. Na toll. Rocker sind nicht so wie in der Presse dargestellt, aber nun sollen sie sich an Marcel H. abarbeiten. Welch ein Widerspruch. Zudem entstehen durch derlei Kommentare Meinungsbilder, die von der anderen Seite dazu genutzt werden, um Lagebilder zu erzeugen.

Top-Anzeige

Die digitale und mediale Streife!

Nun, derartige Postings werden auch von der Presse gelesen. Diese erzeugen ein Meinungsbild und jenes führt zu einer konsequenten Berichterstattung, welche sich u.a. an den Stimmungen im Netz orientiert. Beispiel: Kaum vernehmen wir die ersten Vermutungen hinsichtlich einer zu milden Strafe für den Täter, erscheinen im Mainstream sofort die ersten Berichte über das zu erwartende Strafmaß. Durch diese fühlen sich wiederum etliche User bestätigt und legen nach. Der Ball wird damit konsequent am laufen gehalten, die Presse schlachtet das Ereignis wie gewohnt aus.

Das wiederum liest auch die Polizei und fühlt sich herausgefordert aktiv zu werden. Rocker sind gefährlich, setzen sich über bestehende Gesetze hinweg, so deren Überzeugung, und nun wünscht sich sogar ein Großteil der Szene öffentlich, dass Marcel H. von den Bandidos selber zur Strecke gebracht wird. Ergo muss das Bedrohungspotential ja sehr hoch sein. Na, da müssen wir doch mal massiv Präsenz zeigen. Das Ergebnis ist die völlig überzogene Aktion vom letzten Mittwoch in Herne. Punktsieg für die Presse!

Da hat mal wieder ein Gericht mit unerbittlicher Härte zugeschlagen!

Immer schön mit dem Hammer druff. Man muss es ja nicht selber ausbaden.

Kritik an der völlig überzogenen Aktion der Rennleitung findet im Mainstream nicht statt. Warum sollte man dieses auch hinterfragen, man braucht die Polizei als Wegbereiter für neue Berichte und Kommentare. Was bleibt ist die Headline des Berichtes zur Aktion der Polizei in Herne und das Bild von vermummten SEK-Beamten in Verbindung mit den Bandidos. Hinzu gesellen sich die Schlagwörter Mord, Kopfgeld, Selbstjustiz. Das prägt sich beim Beobachter ein, nicht das tatsächliche Geschehen. Mit den weiteren Auswirkungen müssen die Bandidos dann leben, nicht ihr. Merkt ihr was? Wenn es etwas zu regeln gibt, tun sie es, wie sie es für richtig erachten. So zum Beispiel:

PRESSEMITTEILUNG DES BANDIDOS MC PR-TEAMS:

RIP JADEN

TRAUER UND SCHMERZ, ABER AUCH WUT UND OHNMACHT, KÖNNEN WIR NICHT LINDERN.

DAS MINDESTE, WAS WIR ALS GEMEINSCHAFT DES BANDIDOS MC´S MACHEN KÖNNEN, IST ANTEILNAHME UND UNTERSTÜTZUNG ZU GEBEN.

AUS DIESEM GRUND HABEN WIR EINEN SPENDENFONDS FÜR BEERDIGUNGS-, ANWALTS- UND WEITERE KOSTEN, DIE IM ZUSAMMENHANG MIT DEM TRAGISCHEN TÖTUNGSDELIKT DES 9 JÄHRIGEN „JADEN“ STEHEN, EINGERICHTET.

WIR BITTEN EUCH, MITGLIEDER UND FREUNDE DER BANDIDOS FAMILIE, DIESEN ZU FÜLLEN.

SPENDEN KÖNNT IHR AUF FOLGENDES SPENDENKONTO ÜBERWEISEN:

BANDIDOS MC
IBAN: DE29 4226 0001 0671 1938 03
BIC: GENODEM1GBU
VERWENDUNGSZWECK: „RIP JADEN“

Die Kommentare!

Psychologisch kann ich das alles nachvollziehen. Solidarität unter Rockern und Bikern ist wichtig und natürlich macht das sehr betroffen. Ich bin selber Vater und kann die wütenden Gefühle vieler absolut nachvollziehen. Ebenso die Forderung nach Rache. Doch was in meiner Birne diesbezüglich abgeht, werde ich nicht öffentlich schreiben. Ihr müsst euch einfach darüber im klaren sein, dass derartige Postings das polizeiliche und mediale Lagebild erheblich beeinflussen. Dieses wird aber in derartigen Situationen nicht vom Strafrecht bestimmt, sondern vom Polizeiecht, welches wesentlich liberaler gehalten ist.

Die sogenannte „Gefährderansprache“ ist so entstanden. Eine Straftat gibt es nicht, aber etliche Hinweise auf die Möglichkeit einer solchen. Dazu gehören selbstverständlich auch Kommentare in den Social Medias. Und dann rücken sie halt aus, um ihrem Präventivauftrag gerecht zu werden. Die aggressiven Postings stützen die vermeintliche Lageeinschätzung. Der Drops ist damit gelutscht. Das Futter reicht allemal, um sein Agieren zu rechtfertigen.

Top-Anzeige

Fazit!

Unter diesem Aspekt betrachtet, haben viele User der Rennleitung und Presse sogar eine Steilvorlage gegeben. Wenn dann noch, wie tatsächlich passiert, andere ( unbeteiligte ) 1%er-Clus als potentielle Rächer für den kleinen Jaden in dem Kontext erwähnt werden, verschließt sich mir der Sinn komplett. Ja, Rocker sollen und müssen ihre Meinung sagen, aber bitte ab und an das Gehirn einschalten und überlegen, was das eigene Agieren für Folgen haben kann.

Das ist natürlich nur möglich, wenn unter der Hirnschale genügend Masse vorhanden ist. Und wenn man selber nicht durch die Repressalien betroffen ist, kann man ja sagen was man will. Klar kann man das, aber dann haut deratige Texte auch in den jeweiligen Clubhäusern raus. Doch vorsichtig; ich könnte mir vorstellen, dass die Betroffenen dort anders reagieren, als ihr es vermutet. Es wird nämlich einen Grund geben, warum man derartige Postings nicht auf den Seiten der betroffenen Member liest.

Doch Obacht, selbst wenn man substantiell und faktisch ohne jede Emotion agiert, ist man vor den Wechselwirkungen keineswegs gefeit. Meinen Kommentar zum Einsatz der Polizei in Herne habe ich jedenfalls ruckzuck auf Seiten nach Rennleitung duftender Herkunft wieder entdeckt. Shit Happens, vielleicht kapieren sie es ja. Äußern werden sie sich nicht, die Pressestelle der Polizei NRW macht dicht!

So, jetzt könnt ihr über mich herziehen. Oder erst einmal nachdenken, ob da etwas dran sein könnte. Vielleicht beginnen wir ja damit, dass wir statt großer Reden die Spendenaktion der Bandidos unterstützen.

Dazu Petra Saskia Bayerl, die an der School of Management in Rotterdam zur Rolle neuer Medien für Polizeiarbeit und Krisenkommunikation sagte: „Social Media ist zum einen unverzichtbar für Ermittlungen, es birgt jede Menge Möglichkeiten, sei es zur Sammlung von Infos, zur Sendung von Infos oder für interne Ermittlungen, von der die Bürger gar nichts mitbekommen.“

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.