Vereinsgesetz: Offener Brief an Bundespräsident Gauck!

Chefredakteur Tilmann Ziegenhain von der Bikers News hat am 23. Januar mit seinem Schreiben an Bundespräsident Joachim Gauck vorgelegt und ich habe mich nun hinten rangehängt. Der Gedanke war von Anfang an präsent, nur habe ich hier kein großes Team am Start, welches mir die übrige Arbeit abnimmt. Und wenn man den Bundespräsidenten anschreibt, darf man ruhig etwas länger darüber nachdenken, was man auf das Papier bringt. Auch wenn es vermutlich nichts bewirken wird, der Mann wird kaum vor dem Ende seiner Amtszeit ein Gesetz blockieren, es muss alles versucht werden.

Hier der vollständige Brief an Joachim Gauck!

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

die Mehrheit des Bundestages hat die Verschärfung des Vereinsgesetzes beschlossen. Das Votum der Mandatsträger kann allerdings nicht akzeptiert werden, da die in dieser Form vorgelegte Neufassung des § 9(3) VereinsG in hohem Maße gegen unsere Verfassung verstößt.

Zur Begründung:

Im § 9(2) Grundgesetz heißt es:

Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten. (Ende Auszug)

Die Mandatsträger machen mehrheitlich ihre gesamte Diskussion an Vorkommnissen in der Rocker-Szene fest. Und tatsächlich müssen wir feststellen, dass wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch, in und aus der Rocker-Szene heraus Straftaten verübt werden. Das ist bedauerlich.
Jedoch ist es den Strafverfolgungsbehörden in welcher Form auch immer zu keiner Zeit gelungen den Beweis dafür anzutreten, dass bestimmte Motorradvereine als kriminelle Vereinigung zu bewerten sind. Liegt es nun daran, dass diese Rocker schlauer als die Behörden sind? Wohl kaum.!

Stattdessen müssen wir feststellen, dass es trotz intensiver, professioneller und akribischer Arbeit der Behörden auf allen Ebenen de facto keine Belege dafür gibt. Unser Strafrecht basiert auf der Unschuldsvermutung. Eine Errungenschaft, die historisch gesehen nicht hoch genug bewertet werden kann. Menschen dürfen aufgrund von Rasse, Herkunft, Religion oder auch Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe nicht pauschal diskriminiert oder verurteilt werden.

Der Staat hat die Aufgabe die Schuld des Einzelnen zu beweisen. Wenn dieser Beweis nicht angetreten werden kann müssen wir von der Unschuld ausgehen, unabhängig von jedweden moralischen Gesichtspunkten. Die vorgelegte Novelle verstößt jedoch brachial gegen diesen elementaren Grundsatz. Zudem widersprechen sogar die behördlichen Statistiken der mehrheitlichen Annahme im Bundestag, dass man in bestimmten Motorradclubs nur Mitglied werden kann, wenn die erhöhte Bereitschaft zur Begehung von Straftaten besteht.

Das mag ein Grund dafür sein, warum sowohl in der ersten, zweiten und dritten Lesung die Befürworter dieser Verschärfung keine substantiellen Zahlen vorgelegt haben. Sie können es nicht. Im Gegenteil, es ist Fakt, dass die Mehrheit der Mitglieder von Motorradclubs in keinster Weise eine erhöhte Affinität zu strafbaren Handlungen besitzen. Doch genau diese Mitglieder trifft die neue Gesetzgebung und steht damit in völligem Widerspruch zu unseren verfassungsmäßigen Grundsätzen, worauf die Verfassungsrechtler in der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages explizit hinwiesen.

Anstatt nun die Gesetzesnovelle aufgrund der erheblichen Bedenken hochrangiger Verfassungsrechtler einer intensiven Beurteilung zukommen zu lassen, drückt man diese durch. Etliche Rechtsexperten gehen davon aus, dass diese Neufassung vor dem Verfassungsgericht scheitern wird.

Ich komme nicht umhin darauf hinzuweisen, dass die Frau Bundeskanzlerin völlig zu recht im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte darauf hinwies, das es zwar Gruppen mit Migrationshintergrund gibt, die verstärkt straffällig seinen, deshalb aber die Gesamtzahl der Flüchtlinge nicht pauschal verurteilt werden dürfe. Absolut korrekt!

Diese fundamentale Aussage muss selbstverständlich 1 zu 1 auf die Motorradclubs übertragen werden. Sie sind sicherlich ruppig, zeigen ihre emotionale Verbindung nach Außen durch ein gemeinsames Abzeichen, jedoch dürfen die strafbaren Handlungen Einzelner keinesfalls zu einer pauschalen Verurteilung der gesamten Gruppe führen. Doch genau das passiert hier.

Insofern konstatiere ich, dass der neue §9(3) alle Mitglieder unter einen Generalverdacht stellt, der inhaltlich nicht zu begründen ist und auch historisch gesehen massiv kritisiert werden muss. Überlassen wir es den Strafverfolgungsbehörden Straftaten zu verfolgen.

Als Bundespräsident ist es Ihre Pflicht, bei offensichtlicher Verfassungswidrigkeit eines neuen Gesetzes, dieses abzulehnen. Und da wo hochrangige Verfassungsgelehrten ein Gesetz in Frage stellen, sollte die Politik derartige Bedenken nicht übergehen. Das wäre in der Tat Symbolpolitik in Reinkultur!

Ich bitte sie daher eindringlich, von der Unterzeichnung abzusehen!

Hochachtungsvoll

Lars Petersen

Hinweis: Der Postversand erfolgte am 01. Februar 2017!

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.