Vereinsgesetz: Der letzte Versuch!

Mit Eingang vom 22. Februar erhielt ich in der Tat eine Antwort des Bundespräsidialamtes zu meinem ersten Schreiben vom 01. Februar an den derzeit noch amtierenden Bundespräsidenten Joachim Gauck. OK, einerseits schreibt man ja an das Amt selber, anderseits äußert sich Herrn Penselin vom Referat Verassung und Recht in seiner Antwort dahingehend, dass dieses Schreiben Frank Walter Steinmeier dann vorgelegt wird, wenn es von Belang ist. Und wer entscheidet das? Herr Penselin?

Daher habe ich mich erneut hingesetzt und mich in einem zweiten Schreiben direkt an den neuen Bundespräsidenten gewandt, der in Kürze sein Amt antritt. Die individuellen Interessen der Hells Angels, der Bandidos sowie der Mitglieder des Gremium MC interessieren mich in dem Kontext überhaupt nicht. Ebenso ist es nicht von Belang, ob meine Ausführungen etwas bewegen. Meine Motivation ist eine reine staatsbürgerliche Sicht der Dinge und die Tatsache, dass dieses Zweite Gesetz zur Verschärfung des Vereinsgesetzes völlig am Thema vorbei geht und ich davon ausgehe, dass es langfristig weitaus mehr Clubs betreffen wird, wenn es in deren Reihen zu Verfehlungen einzelner Mitglieder kommt.

Eines kann ich euch sagen. Bock habe ich darauf bestimmt nicht. Eine coole Biker-Party mit guten Mänern in einem geilen Clubhaus ist mir allemal lieber, als mir hier bei jedem Satz zu überlegen, wie ich nun meinen Gedanken formuliere, damit sie evtl. einen Impuls auslösen. Doch ist es aus meiner Sicht sinniger, als mir permante Post im Fratzenbuch zu geben. Dann doch eher den direkten Weg an den Amtsträger. Somit habe ich alle meine Register gezogen. Der Rest liegt nun ausschließlich an Frank-Walter Steinmeier.

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Hier das Schreiben an ihn:

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

das Referat Verfassung und Recht hat mir durch Herrn Penselin mit Schreiben vom 20. Feburar 2017 mitgeteilt, dass mein Schreiben an den derzeit noch amtierenden Bundespräsidenten Herrn Joachim Gauck vom 1. Februar 2017 eingegangen ist und an Sie weiter geleitet wird, sobald das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes dem Bundespräsidialamt zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorliegt und meine Ausführungen verfassungsrechtlich von Belang sind. Das Gesetz liegt also dem Bundespräsidialamt noch nicht vor.

Ich nehme daher die Antwort des Herrn Penselin vom 20. Februar zum Anlass, um an dieser Stelle verstärkt auf die Aspekte einzugehen, die meines Erachtens substantiell die Verfassungswidrigkeit dieser Gesetzesverschärfung klar unterstreichen.

Punkt 1:

Mein Demokratieverständnis sagt mir, dass eine funktionierende und reale Demokratie von der inhaltlichen Kontroverse lebt. In diesem konkreten Fall gab es jedoch eine derartige Kontroverse nicht. Man sprach über Rocker, aber nicht mit Ihnen. Zu keinem Zeitpunkt hat man ihnen das Wort gegönnt, obwohl die derzeit akut von der Verschärfung betroffenen Motorradclubs über Mitglieder verfügen, die aufgrund ihrer Position, zum Beispiel als Pressesprecher, sehr wohl für die Clubs sprechen könnten. Man wollte es ganz einfach nicht.

Es scheint daher so zu sein, dass Mitgliedern einer Subkultur nicht einmal im Ansatz die Möglichkeit gegeben wird, an einem normalen demokratischen Prozess teilzunehmen. Das Veto der Fraktion der Linken, welches im Nachgang zur Anhörung im Innenausschuss hin führte, kann nicht als Bestandteil einer umfassenden Kontroverse angesehen werden, denn die Mitglieder der Linken sind von dem Gesetz nicht betroffen. Die Rocker wurden also zu 100% ausgegrenzt.

Die in der 2. Lesung im Bundestag genannte Zahl von 9.600 kriminellen Rockern seitens der Fraktion der CDU/CSU scheint auszureichen, dass man ein Lex Generales gegen Rocker verabschiedet, einer Zahl, die in keinster Weise durch Fakten belegt wurde. Sie wurde lediglich in den Raum geworfen. Es verwundert sehr, das kein Mitglied im Bundestag und Bundesrat wenigstens mal nach der Quelle gefragt hatte bzw. ein Beweis für diese Behauptung vorgelegt wurde. Mit welchem Recht werden diese 9.600 Rocker als Kriminelle bezeichnet. Wo sind die Belege dafür?

Da man explizit immer wieder von der Nähe zur Organisierten Kriminalität spricht, schauen wir uns das doch mal konkret an. Ich beziehe mich dabei auf das Bundeslagebild des BKA zur OK in 2015. Von den insgesamt 566 Verfahren im Bereich der OK entfielen 42 auf Mitglieder sogenannter OMCG’s. Das entspricht einem prozentualen Anteil von 7,42%. Verfahren, denn Verurteilungen gab es keine.

Natürlich gehe ich davon aus, dass die Polizei aufgrund ihrer Qualifikationen die Fälle sorgsam und nachhaltig ermittelt hat. Wenn es trotz dessen zu keiner Verurteilung kam, ist es durchaus legitim daran zu zweifeln, dass diese Nähe zur Ok tatsächlich besteht. Da man seit Jahrzehnten vergeblich versucht diesen Beweis zu führen, darf man sicherlich feststellen, dass die Clubs selber keinesfalls der Ok zugerechnet werden können. Somit reden wir über Einzeltäter, damit greift das Strafrecht. Das Vereinsrecht zu bemühen, ist ein völlig untauglicher Versuch und wird keinesfalls mehr Sicherheit erzeugen.

Daher muss man zwangsläufig zur der Erkenntnis gelangen, dass es eben nicht die Clubs als ganzes sind, die auf eine systematische Machtdemonstration zur Durchführung organisierter Kriminalitätsinteressen setzen, sondern es sich tatsächlich um Straftaten einzelner Mitglieder handelt.

Das Mitglieder der Clubs mit dem Bad Boy Image kokettieren, möchte ich gar nicht in Abrede stellen, aber ist das eine rein soziokulturelle Frage, keine Frage des Vereinsrechtes, schon gar nicht des Strafrechtes. Moralische Aspekte jedenfalls dürfen in keinster Weise die Grundlage für Eingriffe in die Grundrechte darstellen. Leider blieben sämtliche Lesungen wie auch die Anhörung im Innenausschuss des Bundestages die Antwort darauf schuldig, welches Rechtsgut überhaupt geschützt werden solle.

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Punkt 2:

Ja, diese Frage von Frau Professor Grohe in der Anhörung des Innenausschusses konnte niemand in der gesamten Runde beantworten. Logisch, denn die Teilnehmer diskutieren konsequent auf der Basis von polizeilichen oder strafrechtlichen Erkenntnissen, die, wie wir nun feststellen können, im Bereich OK bisher noch nie zu einer Verurteilung geführt haben.

Das hat aber nun reinweg gar nichts mit einem Kennzeichenverbot zu tun. Das hat die Politik in der ersten Lesung sogar selber bestätigt. Man wisse, dass auch ohne die Kutte weiterhin Straftaten begangen werden, aber dann wenigstens nicht in Kutte. Im Klartext bedeutet dies, dass die Verschärfung zwar substantiell kein mehr an Sicherheit bringt, aber wenigstens sieht es dann niemand.
Prompt kam in der zweiten Lesung die Auflösung nach der Motivation, denn es wurde eindeutig festgestellt, dass es um das Gefühl von Sicherheit gehe, dass dem Bürger vermittelt werden müsse. Von einem effektiven Mehr an Sicherheit sprach niemand mehr. Und an dieser Stelle komme ich nicht mehr mit.

Man schränkt die verfassungsmäßigen Rechte aller Rocker ein, u.a. das Versammlungsrecht, damit der Bürger ein besseres Gefühl bekommt. Das ist Symbolpolitik in Reinkultur. Und deshalb wird das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz auch mit Sicherheit kippen. Diesen Punkt schließe ich ab mit der sinngemäßen Aussage von Herrn Professor Mattes aus der Anhörung: „So geht das nicht. Das Gesetz ist untauglich. Sie können hier kein Exempel statuieren.

Punkt 3:

Mitglieder des Bundestages haben in der zweiten Lesung Aussagen getätigt, die mich wirklich an deren Qualifikation nachhaltig zweifeln lassen. So verwies Thorsten Hoffmann von der Fraktion der CDU/CSU auf ein Gespräch mit dem amerikanischen Schauspieler Ron Pearlman, Hauptdarsteller der US-TV-Serie Sons of Anarchy, dem er in die Augen schaute und dadurch wisse, wie gefährlich ein Rocker sei. Zudem sei die Serie sehr wohl realistisch und durchaus auf die Bundesrepublik zu übertragen. Die Aussage eines Schauspielers? Realistisch? In jeder einzelnen Staffel dieser Serie werden mehr Menschen umgebracht, als es jemals entsprechende Verfahren in der BRD gab, seitdem wir den Begriff Rocker überhaupt kennen.

Susanne Mittag von der Fraktion der SPD setze dem Fauxpas des Herrn Hoffmann sogar dann noch die Krone auf. Sie verwies auf Google und den Umstand, dass auf den ersten drei Seiten mit der Suchfunktion Rocker nur negative Berichte dargestellt werden würden. Keine Quellennachweise, keinerlei Verifizierungen.
Sind das wirklich die sogenannten harten Fakten, die diese Verschärfung rechtfertigen und mit denen sich das Bundesverfassungsgericht garantiert auseinander setzen muss? Ich hoffe nicht!

Sie als Bundespräsident müssen nun all diese Faktoren abwägen. Kommen sie zu der Erkenntnis, dass die von mir beschriebenen Faktoren die massive Einschränkung der Grundrechte einer gesamten Kultur, und wir Rocker sind eine über Jahrzehnte bestehende und gewachsene Kultur, rechtfertigt, dann unterschreiben sie das Gesetz.

Sollten sie aber Zweifel haben, so müssen Sie die Unterzeichnung ablehnen und das Zweite Gesetz zur Verschärfung des Vereinsgesetzes in die Gremien zurück geben. Dort muss dann die Substanz hergestellt werden, die letztlich auch die von der Politik selber geladenen Verfassungsrechtler dazu bewegt von einem tauglichen Gesetz zu sprechen.

Vor allem reden Sie mit den betroffenen Clubs selber und bieten diesen eine sachliche Kontroverse an, so, wie es an sich in unserem Land eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Das sind ganz überwiegend Väter, Arbeiter, Selbständige, vor allem aber sind es Bürger dieses Landes. Vielleicht unbequeme, aber trotzdem Bürger, die es nicht verdient haben pauschal kriminalisiert zu werden.

Laden Sie die Clubs ein, fürchten Sie nicht das drohende Presseecho. Übrigens, ich bin kein Mitglied der derzeit akut betroffenen MC’s. Warum mache ich mich dann stark für die Ablehnung des Gesetzes? Weil ich der Meinung bin, dass wir die Unschuldsvermutung im Strafrecht mit diesem Gesetz ad absurdum führen.

Hochachtungsvoll

Lars Petersen
(Herausgeber von www.bikesmusicandmore.com)

Feuer frei!

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.