Interview mit Oldschool Defence by CHS Rechtsanwälte!

Im Kontext zum Schreiben der Polizeidirektion Osnabrück!

Das Schreiben der Polizeidirektion Osnabrück vom 30.03.2022, welches an verschiedene regionale Clubs im Kontext zu dem Verbot der Bandidos Germany Federation West Central versandt wurde, hat erwartungsgemäß für einen Hallo-Wach-Effekt gesorgt, obwohl die Intention des Schreibens in der Breite die regionale Szene so noch gar nicht erreicht hat.

Fakt ist aber, dass dieses Schreiben bereits jetzt bei etlichen Szenegängern nicht nur Unverständnis, sondern vor allem auch eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich seiner rechtlichen Konsequenz hinterlassen hat. Bei mir auch. Da ich kein Jurist bin, habe ich mich mit Gunnar Cordes von Oldschool Defence, einem Projekt der Kanzlei CHS Rechtsanwälte in Dortmund, in Verbindung gesetzt. Er hat einem Mailinterview zugestimmt, welches ich unten eingebaut habe.

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Zu Gunnar hatte ich bereits unabhängig von dem Schreiben im Februar Kontakt aufgenommen und wollte Oldschool Defence an sich längst vorgestellt haben. Wer sich die Homepage von Oldschool Defence anschaut, entdeckt sofort, das Gunnar ganz sicher kein typischer Rechtsanwalt ist, sondern ein Mann mit Ecken und Kanten, der absolut szeneaffin ist und Kontakte zu großen und kleineren Clubs unterhält. Insofern passte es jetzt noch viel besser, ihn zu diesem Thema auf die Agenda zu holen. Es ist zwar seine persönliche Rechtsauffassung, aber die eines versierten Fachanwaltes für Strafrecht darf sicherlich als fundierter angesehen werden, als wenn ich hier weiter spekuliere. Steigen wir ein!

Gunnar Cordes von Oldschool Defence by CHS Rechtsanwälte interessiert sich für die Belange von Rockern, nicht nur beruflich.

Das Interview mit Oldschool Defence!

1. Gunnar, das Schreiben liegt dir vor. Wie interpretierst Du das grundsätzlich?

Ich sehe das Schreiben der PI Osnabrück als Versuch, die Welle zu reiten und mit so einem Auftreten unsichere Personen einzuschüchtern. Der Erfolg wäre ja, daß ehemalige Member verbotener Vereine immer weiter ausgegrenzt und isoliert würden.

Wenn schon in der Überschrift des Schreibens steht „zur Vermeidung von Straftaten nach dem Vereinsgesetz, die sich durch Kontakte zum verbotenen Bandidos MC Osnabrück ergeben“, dann ließe sich alleine über diese Ausführung ellenlang schreiben.

Kontakte zum Bandidos MC Osnabrück kann es nicht geben, da es dieses Chapter seit Auflösung / Verbot nicht mehr gibt. Kontakte zu Personen, die Member im Bandidos MC Osnabrück waren, können für sich genommen keine Straftat darstellen, da Menschen nicht verboten werden können. Strafbar könnte nach dem VereinsG höchstens sein, wenn man über den Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern versucht, die verbotene Organisation wiederzubeleben, aufrechtzuerhalten o.a..

Wer das sog. „Strategiepapier Rockerkriminalität“ (für mich eine rechtsstaatswidrige Handlungsanleitung) kennt, den wundert dieses Schreiben hier nicht. Es wird mit allen Mitteln und an jeder Stelle versucht, „Rocker“ handlungsunfähig zu machen, wirtschaftlich auszudünnen, zu diskreditieren, das Leben schwer zu machen und als Minderheit zu verfolgen. Mir macht Angst, daß so etwas in der heutigen Zeit wieder unverblümt zum Ausdruck gebracht werden kann.

Das Schreiben der PI Osnabrück!

2. Die Polizeidirektion spricht hier von Unterstützungshandlungen. Da setze ich mal ganz laienhaft an. Wenn ein Club explizit Member eines verbotenen Vereins einlädt, ist das gemäß Schreiben eine Straftat nach dem VereinG?

Wenn ein Club einzelne Personen einlädt und diese – zufällig – einmal Mitglied in einem verbotenen Verein waren, dann sehe ich (!) das nicht als Unterstützungshandlung an. Das gilt natürlich um so mehr, wenn diese einzelnen Personen nicht die einzigen Gäste sind, sondern sich eine Vielzahl anderer Personen ebenfalls auf Einladung dort aufhält.

Wenn natürlich „alle einzelnen Personen eines verbotenen Chapters“ eingeladen sind, dann kann das leicht als Umgehung des Verbotes und somit als Unterstützungshandlung angesehen werden. Es muß trotz Verbot für ehemalige Mitglieder möglich sein, am regulären sozialen Leben weiter teilzunehmen. Und spiegelbildlich muß es mir natürlich möglich bleiben, mit diesen Personen als Person (nicht als verbotenes Chapter) zu verkehren.

3. Wenn ich das Klubhaus eines verbotenen Vereins besuche, ist das gemäß Schreiben eine strafbare Handlung nach dem VereinG?

Auch hier ist es nicht ganz einfach, die Frage zu beantworten. Zunächst ist es ja so, daß die betroffenen Chapter schon deswegen kein Clubhaus mehr haben, weil sie ja gar nicht existieren. Denkbar ist, daß ein Member eines verbotenen Chapters das Clubhaus gemietet hat oder es im Eigentum von Membern steht. Wenn Du nun ein solches Clubhaus aufsuchst, wird es auf den Anlaß ankommen.

Ist es eine Veranstaltung oder ein Treffen des verbotenen Chapters, dann wäre ein Besuch wohl als (psychische) Unterstützung zu werten. Trifft man sich dort mit einem Kumpel, der vor Auflösung / Verbot Member des Chapters war, um Benzingespräche zu führen, Fußball zu gucken oder so, dann würde ich nicht von einer Unterstützung ausgehen.

Gunnar mit seiner Rüttelplatte on the Road.

4. Wenn ich Getränkebons mit Tagesmitgliedschaft anbiete und diese werden von Membern eines verbotenen Vereins gekauft, gelte ich dann als Untersützungsorganisation?

Wenn jemand bei Dir eine Getränkekarte kauft, dann unterstützt er Dich, nicht Du ihn.

5. Die Bandidos MC Germany Feration West Central ist verboten. Ergo gibt es den Verein nicht mehr. In dem Schreiben wird aber die Federation noch erwähnt. Diesen Kontext verstehe ich nicht. Kannst du mich da aufklären`?

Die Federation West Central des BMC hat sich bereits aufgelöst, bevor es zu dem Verbot und der Veröffentlichung im Bundesanzeiger kam.

Die Ermittlungsbehörden glauben jedoch nicht an eine Auflösung und hielten deshalb ein Verbot für nach wie vor erforderlich. Einhergeht damit die Vermutung, daß die verbotenen Vereine quasi „undercover“ weiter existieren und im Untergrund die Strukturen weiter gepflegt werden. Außerdem gibt es ja bekanntlich die Klage(n) gegen dieses Vereinsverbot, was natürlich zum Ausdruck bringt, daß man fortbestehen möchte. Dabei spielt für die Ermittlungsbehörden auch eine Rolle, daß der BMC sich im Rahmen der erwähnten Auflösung der Federation umstrukturiert hat und man jetzt diese neue Struktur wie eine Ersatzorganisation betrachtet und behandelt. Ersatzorganisationen wären vom Verbot aber mitbetroffen, so daß die Behörden hier ihre Ansatzmöglichkeiten sehen.

In rein verwaltungsjuristischer Betrachtungsweise bestehen verbotene / aufgelöste Vereine auch so lange vor, wie etwa das Vereinsvermögen noch nicht liquidiert ist. Daraus resultiert ein enorm großes Problem für ehem. Member der verbotenen Vereine, da die Behörden deren Harleys als Vereinsvermögen ansehen und gerade reihenweise beschlagnahmen. Das ist eine riesige Sauerei und ein abendfüllendes Thema.

Die Kanzlei von Oldschool Defence by CHS Rechtsanwälte befindet sich in Dortmund.

6. Wie bewertest du den Aspekte Untersützungshandlung. Ist das rechtlich so überhaupt haltbar?

Unterstützungshandlungen für verbotene Vereine sind natürlich denkbar und dann auch strafbar.

Wenn ich also dazu aufrufe, für den verbotenen Verein zu spenden, wenn ich den Membern des verbotenen Vereines meine Räumlichkeiten zur Vereinsnutzung anbiete usw., dann sind das strafbare Unterstützungshandlungen. In der Rechtsprechung (bislang nur zu politischen Vereinen) wird teilweise sogar das Hochhalten eines Plakates mit einer Bekundung der Unterstützung und einer Kritik an dem Verbot als strafbare Handlung angesehen.

7. Im letzten Absatz geht man auf das Insignienverbot ein. Wenn ich einem Member, der vom Insignienverbot betroffen ist, das Tragen seiner Kutte in meinem Klubhaus erlaube, ist das eine Straftat?

Das Zeigen verbotener Insignien in der Öffentlichkeit ist verboten. Wenn also die Kutte (für die Öffentlichkeit nicht einsehbar) bei Dir zu Hause getragen wird, ist das kein Problem. Wenn sie im Clubhaus getragen wird, ist das solange kein Problem, wie es sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung handelt. Eine Party ist aber in der Regel als öffentliche Veranstaltung zu sehen, solange nicht ausschließlich geladene Gäste vor Ort sind (Einlaßkontrolle). Vorsicht ist walten zu lassen bei Fotos für die Presse oder auch später in sozialen Medien o.ä.

8. Klubhauspartys werden in der Szene als nicht öffentlich angesehen. Ist das rechtlich betrachtet tatsächlich so?

Wie gesagt, ist bei den meisten Party jeder willkommen. Dann ist die Party natürlich öffentlich. Wenn nur geladene Gäste auf der Party sind (Achtung: Keine Einladung an ein verbotenes Chapter! Bei von Verboten betroffenen Membern muß die Einladung persönlich ausgestellt sein und sollte natürlich nicht an jedes einzelne Mitglied eines verbotenen Vereins gehen…) und die Einladungen sorgfältig kontrolliert werden (z.B. mittels Gästeliste), ist die Veranstaltung nicht öffentlich.

9. Ich behaupte, dass dieses Schreiben an sich nur zu dazu führen soll, das die Clubs sich von großen MC’s distanzieren. Siehst du das anders?

Ich sehe das so wie Du. Es wird hier ein Spalt zwischen großen 1%-er Clubs und kleineren, oft lange bestehenden Clubs getrieben. Da verhält man sich getreu dem Motto „divide et impera“ / „Teile und herrsche“.

Tatsächlich hört man aus den Reihen dieser „kleineren“ Clubs nicht selten, daß sich diese großen Clubs durch ihr Verhalten und Auftreten diese Entwicklung selbst zuzuschreiben haben. Manche erfreut sogar, was da gerade mit den großen 1%-er Clubs geschieht. Ich möchte hier aber mahnen: Wehret den Anfängen! Wer glaubt, er könne mit seinem „kleinen“ Club nicht in diese Mühlen geraten, der irrt!

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10. Wie siehtst du ganz persönlich das Insignienverbot bzw. das Verbot der Federation als Anwalt?

Ich persönliche halte sowohl das Insignienverbot als auch das Vereinsverbot für falsch und rechtswidrig.

Was man erreichen kann ist, daß die offensichtlichsten Zeichen eines Clubs aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden. Das will man ja auch. Man schürt im Volk Ängste und ergreift Maßnahmen, die es den Politikern ermöglichen, für sich in Anspruch zu nehmen, hart gegen Kriminelle durchzugreifen, so daß man den Erfolg sehen könne.

Das ist natürlich Humbug. Zeichen kann ich verbieten. Wenn es aber Personen gibt, die mit den verbotenen Insignien in Verbindung zu bringen sind und die Straftaten begehen, weshalb sollte man glauben, daß die fortan keine Straftaten mehr begehen? Aus Polizeikreisen hört man recht oft, daß mit den Insignien auch eine „ruhestiftende“ Wirkung der Anwesenheit von Kuttenträgern verschwunden ist. Außerdem könne man die sie interessierenden Leute nun nicht mehr so einfach erkennen. Es wird also auch dort nicht uneingeschränkt positiv beurteilt, daß die Insignien verschwunden sind.

Die aus meiner Sicht einzig positive Wirkung ist der damit einhergehende Reinigungseffekt. Immer mehr Leute ziehen sich aus den Clubs zurück und „legen ab“. Das trifft aber zu einem Großteil auf Leute zu, wo die Kutte den Mann und nicht der Mann die Kutte gemacht hat. Was gegen alle Widerstände bleibt ist sicher nicht von schlechter Qualität.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachen e.V. zum Thema „Rockerkriminalität – Empirische und rechtliche Einordnung“. Mit diesem Forschungsbericht hat die Uni Hannover in diesem Jahr eine Untersuchung zur sog. Rockerkriminalität veröffentlicht. Diese baut auf vorangegangenen Untersuchungen auf und liefert interessante Ergebnisse.

Der immer wieder behauptete Bezug zu „organisierter Kriminalität“ spielt von der Anzahl der geführten Verfahren her keine wirkliche Rolle. Die in Bezug genommenen Strafverfahren betreffen regelmäßig einzelne Personen, selten mal eine größere Gruppe von Mitgliedern eines Chapters usw. Auch nehmen viele Strafverfolger die „Rocker“ kaum als Bedrohung für die normalen Bürger wahr (anders natürlich bei Schußwaffeneinsatz in der Öffentlichkeit).

Vor diesem Hintergrund halte ich beide hier angesprochenen Verbote für ineffektiv, unverhältnismäßig und deshalb für rechtswidrig. Dennoch muß ich betonen, daß die Rechtsprechung bislang konsequent einen entgegenstehenden Standpunkt vertritt.

Ich halte das letztendlich eher für eine Frage der Politik, die man auf dem Rechtsweg versucht umzusetzen. Mit Recht und Gesetz hat das für mich tatsächlich wenig zu tun.

10. Im September findet erneut Freedom is our Religion in Berlin statt. Wie siehst du das Schreiben im Kontext dazu?

Die Veranstaltung „Freedom is our religion“ in Berlin richtet sich meines Wissens an alle Biker. Einzelne Chapter oder so sind da wohl nicht eingeladen. Wenn da dann ehemalige Mitglieder verbotener Chapter auftauchen, dann ist das für die Veranstalter m.E. kein Problem. Sollten verbotene Chapter geschlossen anreisen, könnte das für diese ein Problem werden. An das Insignienverbot müssen die Betroffenen sich eh halten, wenn sie keine Schwierigkeiten bekommen wollen. (Ende Mailinterview)

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Ich habe meine Fragen an Oldschool Defence aus dem Bauch heraus gestellt, so wie ich das Szeneleben kenne und die Fragen von Szenegängern an mich zu dem dem Schreiben der PI interpretiere. Mag sein, dass im Kontext von Gunnars Antworten die eine oder andere Frage im Mailinterview bereits beantwortet erscheint, aber mir ging es in dieser Ebene erst einmal darum, Licht ins Dunkel zu bringen.

Das Interview mit Oldschool Defence ist natürlich keine Anleitung und niemand kann sich darauf berufen. Ihr habt aber jetzt die Möglichkeit, weitaus fundierter mit derlei Aspekten umzugehen und euch gezielter zu informieren. Was Gunnar anbelangt, sind seine persönlichen Kontakte in die Szene hinein für mich völlig irrelevant. Ich habe ihn in seiner Eigenschaft als Fachanwalt für Strafrecht mit zusätzlichem Tätigkeitsschwerpunkt Verkehrsrecht kontaktet.

Wie man sich denken kann, stehe ich beruflich auch in Kontakt zu Membern des HAMC sowie des BMC. Die Gespräche auf dieser Ebene verlaufen bis dato sehr fundiert und orientieren sich ausschließlich an der Sache. Glaubt mir, die Männer sind gut bis bestens informiert und ein solides Wissen kann euch auch nicht schaden. Das Motto „Uns betrifft es ja nicht“ sollte gründlich überdacht werden.

Wenn ihr Fragen habt, euch etwas unklar ist, so sendet mir eure Fragen zu. Ich leite das an Gunnar weiter. Wenn seine Mandate die Zeit zulassen, so beantwortet er eure Fragen. Ich bedanke mich bei Gunnar für das Interview und bin mir sicher, dass ich mich an anderer Stelle erneut um seine Expertisé bemühen werde.

Kontakt: https://www.facebook.com/StrafverteidigerOldschoolDefenceDortmund

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.