Biker Union e.V.: Interview mit Rolf aka Hilton!

Von der Biker Union (BU) hatte ich über Jahre hinweg nichts mehr gehört. Erst durch die Forderung nach einem temporären Fahrverbot kam sie wieder auf meine Agenda. Im Wesentlichen lag dieses an Tedy, der sich in den letzten Monaten m. E. recht gut in seinen Statements und Reden auf Demos positioniert hat. Aber er alleine ist nicht die BU. Daher habe ich diese angeschrieben und dem Vorstand ein Interview angeboten. Vorstandsmitglied Rolf aka Hilton hat mir auf meine Fragen folgende Antworten zugesandt.

Die Biker Union sieht sich als Interessenvertretung der Motorradfahrer in Deutschland und veranstaltet regelmäßig Sternfahrten.

Das Interview!

Wann wurde die Biker Union gegründet und welche Intention ging der Gründung voraus?

Die BU wurde 1986 als „Dachverband der Motorradrocker Deutschlands“ als Reaktion auf die Kampagne der Innenminister „Sind Sie sicher vor Gewalt“ von den MCs gegründet, die sich gegen den damit geäußerten Generalverdacht der „kriminellen Rocker“ zur Wehr setzen wollten. Aber bereits in den ersten Jahren wurden auch allgemeine Motorradthemen (z.B. Helmpflicht, Tragezwang für Protektorenkombis, unsachgemäße Bitumenreparaturen u.ä.) aufgegriffen.

Mein Interviewpartner Rolf Frieling.

Seit Mai 1999 trägt die BU die Bezeichnung „Die Interessenvertretung der Bi­ker, Rocker und Motorradfahrer“. Heute decken wir mit unserer Arbeit alle motorradspezifischen Themen ab, von der Diskriminierung von Clubs über motorradfahrerfreundliche Straßeninfrastruktur bis hin zur umweltfreundlichen Mobilität auf zwei (motorisierten) Rädern.

Welche Erfolge konnte die BU bisher erzielen?

Wir haben vor einiger Zeit eine „Sammlung unserer Erfolge“ zusammengestellt, die sicher ein Update braucht (Kontakt siehe unten). Ergänzt werden müßten z.B. der Moppedführerschein (AM) mit 15 Jahren, der Einschluß des 125ccm-Führerscheins (A1) unter bestimmten Bedingungen in den PKW-Führerschein und das Strategiepapier der BAGMO, das im Bundesverkehrsministerium sehr geschätzt wird und das wir maßgeblich formuliert haben. Grundsätzlich haben wir aber das Problem, daß die Verhinderung von Einschränkungen oder Verboten im Regelfall nur schlecht als Erfolg „verkauft“ werden kann.

Übergabe des Strategiepapiers BAGMO am BM A.Scheuer, an dem die BU mitgewirkt hat.

Die BU ist ein Bindeglied zwischen der Politik und der Motorradszene. Dennoch hat die BU bei vielen keinerlei Gesicht. Woran liegt das?

Das liegt zum einen daran, daß die Erfolge unserer politischen Arbeit häufig „hinter geschlossenen Türen“ oder in Gremien erzielt werden, was sich nur bedingt erfolgreich „vermarkten“ läßt. Aber als ehrenamtlich tätige Interessenvertreter fehlen uns häufig auch die Zeit, das geeignete Personal und manchmal das Know-How sowie das Geld für erfolgreiche Werbekampagnen. Die Deutschen sind zwar „ein Volk von Vereinsmeiern“, aber nur eingeschränkt, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Damit kämpfen auch die Gewerkschaften seit vielen Jahren. Zudem sind nach unserer Erfahrung ein großer Teil der Motorradfahrer (m/w) reine „Fun-Fahrer“, die sich nicht für unsere politische Arbeit interessieren und die sich ein neues Hobby suchen, wenn die Einschränkungen zu gravierend werden.

In der Clubszene ist der Stand der BU besonders schwer. Warum eigentlich?

Das würde ich in dieser Allgemeinheit nicht unterschreiben. Natürlich sind heute, im Gegensatz zu den Anfangsjahren, als ernsthaft diskutiert wurde, ob „freie Biker“ überhaupt BU-Mitglieder werden dürften, nur noch wenige Clubs Mitglied in der BU. Aber es gibt eine nicht zu unterschätzende Zahl von Club-Membern, die als Einzelpersonen BU-Mitglieder sind, ohne daß wir ihre Clubzugehörigkeit kennen. Zudem bin ich immer wieder überrascht darüber, wie gut die Clubs offenbar sogar über unser „Innenleben“ informiert sind. Man beobachtet uns und unsere Arbeit offenbar sehr genau. Aber es ist natürlich richtig, daß uns viele Clubs als „Spielzeugabteilung“ in der Politik sehen, weil sie nicht verstehen können oder wollen, daß es ziemlich uncool ist, mit der Straßenbahn zu ihrem Clubhaus fahren zu müssen, wenn Motorradfahren nicht mehr erlaubt ist.

Gespräch in 2012 mit IM Geibert zum Thema Rockerkriminalität in Thüringen.

Erkennt ihr durch den aktuellen Protest gegen die Drucksache 125/20 eigentlich ein „echtes“ Zusammenrücken der Szene und was muss man tun dieses neue „Wir“ über den Aspekt Fahrverbote hinaus zu stabilisieren?

Zum ersten Teil der Frage: eher nicht. Durch die Gründung diverser Vereine und Initiativen nach den großen Motorrad-Demonstrationen vom letzten Jahr hat es eher eine Zersplitterung der Kräfte gegeben. Viele wollten offenbar selber mal „Präsi“ werden und das Rad neu erfinden, statt sich einer der etablieren Organisationen anzuschließen und aktiv zu werden.

Es gab bereits lange vor der Bunderatsinitiative die Bundesarbeitsgemeinschaft Motorrad (BAGMO), den runden Tisch der Motorrad-Community, und die MID Motorrad Initiative Deutschland e.V. (MID) als Koordinierungsgremium der Fahrerverbände, in denen die politische Arbeit der Verbände koordiniert wurde. Moto e.V. und die Initiative Schräglagenfreiheit sind zwar zwischenzeitlich BAGMO-Mitglieder geworden.

Auch die themenbezogene Zusammenarbeit in der Kampagne „Hochschalten – Dialog statt Verbot“ funktioniert nach anfänglichen Schwierigkeiten durchaus gut. Ich habe allerdings Zweifel, ob das wirklich nachhaltig sein wird. In jedem Fall machen uns die Motorrad-Demonstrationen verschiedener Organisationen in diesem Jahr das Leben ziemlich schwer, auch weil sich populistischer Aktionismus besser verkaufen läßt als unsere auf Nachhaltigkeit angelegte politische Arbeit.

Preisverleihung an die BU in 2013 für das Thema „Sicher auf Landstraßen“

Thema Freedom is our Religion. Wie bewertet ihr den Verlauf der Demo am 11.09.2021

Da ist Tedy der bessere Ansprechpartner, weil er den „Runden Tisch“ in Berlin moderiert, im „Organisationskomitee“ der Veranstaltung mitarbeitet und bereits auf den letztjährigen Veranstaltungen als Redner beteiligt war. Mein Eindruck „aus der Ferne“ ist, daß die Veranstaltung ziemlich professionell vorbereitet wird. Offenbar können die Veranstalter ihre Stärke als großer Club dabei voll ausspielen. Ich bin gespannt auf das Ergebnis, nicht nur in Bezug auf die Teilnehmerzahlen.

Für welche Themen sollte sich alle Biker zukünftig interessieren? Was kommt auf die Szene zu?

Nach mehreren internationalen Veranstaltungen in der ersten Jahreshälfte, an denen wir beteiligt waren, wird nach meiner Einschätzung das Thema „Motorradlärm“ in absehbarer Zeit eines unserer kleineren Probleme werden. Unter den Stichworten „Verkehrssicherheit“ und „Modal Shift“ wird das motorisierte Zweirad als aussterbender Dinosaurier aus grauer Vorzeit einen extrem schweren Stand haben, wenn wir es nicht schaffen, wirkungsvoll Paroli zu bieten. Das werden wir nicht mit Demonstrationen oder ähnlichen Aktionen schaffen, selbst wenn wir alle motorisierten Zweiradfahrer(innen) in Deutschland auf die Straße bringen könnten.

In den letzten ein bis zwei Jahren hat es eine politisch forcierte Verschiebung der Begriffswelt gegeben, die uns motorisierte Zweiradfahrer(innen) als ewig gestrige erscheinen lassen. Wenn wir das nicht aufhalten und in Teilen sogar zurückdrehen, werden wir Motorräder bald nur noch im Museum bewundern können. Das Strategiepapier der BAGMO bietet einen guten Ausgangspunkt für eine Korrektur dieses Framings. Aber bisher hatten wir noch keine Zeit, uns ernsthaft mit Lösungsansätzen für das Problem zu beschäftigen .Aber bisher hatten wir noch keine Zeit, uns ernsthaft mit Lösungsansätzen für das Problem zu beschäftigen.

Kennt ihr den Rocker Talk und wenn ja, würdet ihr an dem Format teilnehmen?

Ich kannte den Rocker Talk nicht, habe mir aber im Internet Ausschnitte angesehen. Ich weiß, daß Tedy in den letzten Wochen in Zusammenhang mit Freedom is our Region mehrfach Video-Statements abgegeben hat. Ich weiß aber nicht, ob es da Zusammenhänge gibt. Grundsätzlich könnte ich mir schon vorstellen, daß wir daran teilnehmen. Einzelheiten müßte man sicher abstimmen. (Ende Interview)

Sitzung des Vorstandes der BU in 2020.

Anmerkungen!

Nun, wer ein kontroverses Interview erwartet hatte, wird vermutlich entttäuscht sein. Ich habe die Fragen aber ganz bewusst sehr devensiv gestellt, um der Biker Union selbst Gelegenheit zu geben, sich zu reflektieren, insbesondere was den Aspekt Clubszene anbelangt.

Fakt ist, sie hat nahezu kaum keine Präsenz in der Szene, damit auch so gut wie kein Gesicht. Tedy nehme ich in seiner aktuellen Rolle im Kontext zu den Motorraddemos und als Speaker des runden Tisches Berlin aus der Gleichung mal heraus. Er ist quasi die Rampensau, kann sich top verkaufen und ist fit. Außer ihm hatte ich bisher jedoch keinen einzigen Vertreter der BU auf dem Zettel.

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Mögliche Gründe?

Sicherlich liegt es u. a. daran, dass die Arbeit der BU mehrheitlich in Hinternzimmern stattfindet, somit nur selten eine breite Masse erreicht, der Biker selbst sich zudem wenig bis gar nicht für politische Belange interessiert. Aber insbesondere in der Motorradszene ist es ohne finanzielle Aufwendungen möglich eine derartige Präsenz herzustellen. Die Frage ist, ob man das überhaupt will. Und da bin ich durchaus skeptisch.

Denken wir zurück an den Versuch von Mitgliedern der Biker Union, dass Wort Rocker aus dem Zusatz zum Namen zu entfernen. Dieses wurde vor Jahren äußerst kontrovers diskutiert. Alleine das Ansinnen führte zu der Feststellung, dass die Biker Union die Interessen von Rockern gar nicht vertreten will. Letztlich scheiterte der Versuch, es blieb wie es ist. Aber die Nummer erzielte eine enorme Tiefenwirkung und führte zu einer weiteren Distanz zur BU. Gemessen an dem Ursprungsgedanken zur Gründung der BU kann man das den Clubleuten auch nicht verdenken. Aus der Szene, für die Szene, stand druch das Ansinnen jedenfalls erneut in Frage!

Dennoch hat die BU aktuell eine Chance, sich wieder stärker in den Fokus zu bringen und ggf. verlorenes Terrain zurück zu eröbern. denn das geforderte temporäre Fahrverbot hat defintiv viele aus dem Dornrösschenschlaf aufgeweckt. Ok, nicht jede Demo ist eine gute Demo, und es gab in der Tat zig Irritationen untereinander, aber gerade jetzt bewegt sich vieles in die richtige Richtung. Der Kampgane Hochschalten – Dialog statt Verbot haben sich etliche maßgebliche Initiativen angeschlossen, die vorher kaum bis gar nicht kooperiert haben, nun bündelt man die Kräfte, die BU ist dabei. Daran muss man festhalten, aber ohne sich selber als einzige legitime Kraft darzustellen, was sowohl für die BU als auch für die Kampagne gilt.

Dass die neuen Intitiativen gerade am Anfang des Protestes in 2020 nicht den Weg über die Biker Union gegangen sind, kann man diesen m. E. nicht verübeln, denn wie schon gesagt, ist die BU etlichen Szenegängern kein Begriff gewesen und wenn doch, dann oftmals negativ belegt. Wie also soll man die BU als Kraft erkennen und hat sich die BU selbst auf die Leute zubewegt, um diese mit ihrer Expertisé zu überzeugen? Ich habe da in 2020 kaum etwas gesehen und wenn es so war hätte etwas mehr Transparenz keinesfalls geschadet, um einfach mehr Außenwirkung zu erzielen.

Die letzte Demo der BU vor einigen Wochen hatte keine Magnetwirkung. Das will ich der BU gar nicht anlasten, viele hatten bereits mehrere Demos besucht, waren evtl. übersättigt, die Rennleitung hat auch dazu beigetragen, dass vor dem Brandenburger Tor nur knapp 500 Biker am Start waren, aber die sehr geringe Beteiligung ist wenigstens ein Indiz dafür, dass man ohne die Sternfahrt kaum Strahlwirkung besitzt und das hat sicherlich auch mit einer fehlenden pro aktiven Kommunikation in die Szene hinein zu tun. Infos auf der Homepage reichen jedenfalls nicht. Wer die BU nicht kennt, steigt dort nicht ein.

Ich denke, dass gerade jetzt die BU die Gelegenheit hat sich wieder stärker als Interessenvertretung darzustellen. Dazu reicht ein medial wirksamer Tedy aber nicht aus. Es braucht Kontakte in alle Himmelsrichtungen und Präsenz in der Szene selbst. Hier könnten die BU-Stammtische genutzt werden. Möglich, dass man sich anfänglich eine blutige Nase holt, aber da muss man durch. Fakt ist, dass die Drucksache 125/20 ein heftiges Signal gesetzt und einen enormen Mulitplikator erzeugt hat. Der gemeinsame Protest birgt eine Chance in sich, wenn man seine Karten richtig ausspielt.

Es zählt das Jetzt. Nutzt die aktuellen Kontakte und vor allem das Netz. Leute, derzeit unter 1.500 Abos auf der Fratzenbuchseite sind ja nun für einen Dachverband echt dünn. Ja, Like und Abos sind kein Beleg für Qualtiät, sie sind aber ein Gradmesser dafür, ob über eure Inhalte disktutiert wird. Nun bin ich gespannt, was die Leser sagen.My 5 Cents!

Kontakt: https://www.bikerunion.de/c2/?q=erfolge

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.