Drucksache 125/20: Interview mit dem BVDM e.V.!

Es gibt wohl kaum einen Verein, der im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion um die Drucksache 125/20, hier allen voran die Forderung nach einen Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen, so kontrovers betrachtet wird wie der BVDM e.V.. Durch seinen Sitz im Vorstand der Aufklärungskampagne Silent Rider, die von sehr vielen Bikern vollständig abgelehnt wird, zieht er in den sozialen Medien immer wieder Schmährufe auf sich, wird teilweise sogar regelrecht angefeindet.

Da ich das Gefühl hatte, dass es hier und da gewisse Fehlinterpretationen der Ziele des BVDM e.V. gibt, habe ich mich mit dem Vorstandsvorsitzenden Michael Lenzen in Verbindung gesetzt und mit ihm folgendes Mailinterview geführt. Steigen wir direkt ein!

Michael Lenzen ist der 1. Vorstitzende des BVDM e.V., der seit 1958 Interessen von Motorradfahrern vertritt!

Das Interview!

Seit wann gibt es den BVDM e.V. überhaupt?

Der Bundesverband der Motorradfahrer wurde 1958 gegründet.

Welche Intention ging der damaligen Gründung voraus?

In den 50er Jahren ging mit der Automobilisierung der Gesellschaft nach dem Krieg die Bedeutung des Motorrads stark zurück. Motorradfahrer wurden als arme Schlucker oder Spinner angesehen. Es war schwierig, als Motorradfahrer Zimmer in einem Hotel zu bekommen, die Belange der Motorradfahrer und ihrer Fahrzeuge wurde in Gesellschaft und Politik nicht mehr berücksichtigt. Daher haben sich damals Motorrad-Enthusiasten und -Experten zusammengetan und den BVDM als Bundesverband gegründet, um die Interessen der Motorradfahrer in Politik und Gesellschaft zu vertreten. Auch aus der Idee heraus, sich gegenseitig zu helfen. Der Vorläufer des BVDM ist die Aktion Gelber Schal. Wer damals eine Panne hatte, und das kam häufig vor, band einen gelben Schal um den Lenker und jeder vorbeikommende Motorradfahrer wusste, dass hier Hilfe benötigt wird.

Das derzeit am stärksten diskutierte Thema in der Motorradszene ist die Forderung nach einem Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen. Wie bewertet der BVDM e.V. diese Forderung?

Wir erteilen nicht nur Forderungen nach Fahrverboten an Sonn- und Feiertagen, sondern Fahrverboten für Motorräder insgesamt eine klare Absage und gehen gegen einige der angeordneten Fahrverbote juristisch vor. Mit großem Erfolg, auch wenn wir nicht jede Klage gewinnen.

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Der BVDM e.V. hat sich der Aufklärungskampagne Silent Rider angeschlossen, die von vielen Szenegängern massiv kritisiert wird. Warum erfolgte dieser Schritt?

Silent Rider ist ein eingetragener Verein, der die Senkung des Motorradlärms zum Ziel hat. In dieser Zielsetzung stimmt der BVDM mit Silent Rider überein. Der Verkehrslärm hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Damit sinkt die Akzeptanz gegenüber den Motorradfahrern. Wir sind bewusst eingetreten, um mit den Lärmgegnern direkt sprechen und Einfluss auf mögliche Maßnahmen und Aktionen nehmen zu können. Wir können die Interessen der Motorradfahrer direkt im Dialog bei den Vertretern der Lärmgegner deutlich machen, ohne mit den Anwohner jeder einzelnen betroffenen Strecke sprechen zu müssen. Wir suchen den Dialog, nicht die Konfrontation. Über den bisherigen Erfolg kann man sicher streiten.

Wie steht der BVDM e.V. zu der Petition von Silent Rider und wie bewertet er den Umstand, dass diese Petition seit Dezember 2019 trotz der breiten öffentlichen Diskussion derzeit nur 15% der für das Quorum erforderlichen Unterschriften erzielt hat?

Der BVDM hat sowohl schriftlich als auch in einem persönlichen Gespräch auf Vorstandsebene dem der Petition zugrundeliegenden Forderungskatalog, der in der Drucksache 125/20 des Bundesrates seinen Niederschlag gefunden hat, eine klare Absage erteilt und sie massiv kritisiert. Lediglich der Punkt „Förderung der Elektromobilität“ fand unsere Zustimmung. Die geringe Beteiligung bestätigt unsere Einschätzung, dass nicht die Mehrheit, sondern eine Minderheit der Bevölkerung von Verkehrs- insbesondere Motorradlärm betroffen ist. Dennoch muss man die Betroffenen und ihr Recht auf Schutz vor übermäßigem Lärm ernst nehmen.

Welche Anliegen konnte der BVDM e.V. bisher auf politischer und juristischer Ebene durchsetzen?

Die Frage ist sehr komplex, denn in den 62 Jahren seines Bestehens hat der Verband zahlreiche Maßnahmen und Gesetze der Bundesregierung begleitet und Einfluss genommen. Auch durch sein Mitwirken im Deutschen Verkehrssicherheitsrat und auch bei der FEMA. Beispielhaft seien hier die Anpralldämpfer für Leitplanken genannt, die eine Entwicklung des BVDM sind oder die Änderung bei der Winterreifenpflicht für Motorräder. Viele unsinnige Gesetzesvorschläge konnten in den sechs Jahrzehnten verhindert werden. Der Verband hat zudem durch seine Arbeit entscheidend dazu beigetragen, dass Motorradfahren (wieder) gesellschaftlich akzeptiert wurde. Juristische Erfolge haben wir bei unseren Klagen gegen Streckensperrungen erzielt.

Michael Lenzen verweist u. a. auf die juristischen Erfolge des BVDM e.V. gegen Streckensperrungen.

In Foren und Gruppen von Motorradfahrern wird immer wieder der Vorwurf gemacht, dass der BVDM e.V. nur seine eigenen Interessen verfolgt, nicht die aller Motorradfahrer. Wie steht der Verein dazu?

Der BVDM ist eine Interessensvertretung der Motorradfahrer und kein Selbstzweck. Unsere Mitglieder sind Motorradfahrer, und zwar aus allen Bereichen und Altersschichten. Deren Interessen vertreten wir und nicht etwa nur die einer bestimmten Gruppe. Interessanterweise gibt es diesen Vorwurfe erst seit einiger Zeit und man muss auch einmal genau hinschauen, wer so etwas behauptet. Vor allem aber wird nicht klar gesagt, welche eigenen Interessen das eigentlich sein sollen. Anstatt sich mit solchen Behauptungen und Unterstellungen zu beschäftigen, setzen wir uns lieber dafür ein, gesperrte Strecken frei zu klagen und dazu beizutragen, dass weniger Motorradfahrer verunglücken. Alle Motorradfahrer sind herzlich eingeladen, uns ihre Meinung mitzuteilen und uns bei der Arbeit für die Interessen der Motorradfahrer zu unterstützen.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten bei völliger Ausschöpfung reichen, um den Interessen von Anwohnern in Punkto Lärm entgegen zu kommen. Wie sieht das der BVDM e.V.?

Um den Anwohnern entgegenzukommen, mag das ausreichen. Aber es löst das Problem nicht, denn etliche Motorräder sind ab Werk laut, auch wenn das legal ist und die Fahrer sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Aber nicht alles was legal ist, ist auch gut und richtig. Bisher wurden die gesetzlichen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft und wir sind überzeugt, dass man schon eine Menge erreichen kann, wenn diese Möglichkeiten konsequent eingesetzt würden. Aber die Fahrzeuge (und dazu gehören selbstverständlich immer auch Pkw) müssen ab Werk leiser werden. Dazu sollten die Zulassungsbedingungen geändert werden, so dass es nicht nur in einem kleinen Betriebsbereich, sondern im normalen Fahrbetrieb leiser wird. Das könnten die Fahrzeughersteller jetzt bereits freiwillig tun und es gibt ja auch Fahrzeuge, die absolut sozial verträglich sind. Wir Motorradfahrer haben das Recht, mit unseren legal Maschinen ganz legal zu fahren, aber die Anwohner haben ebenso ein Recht auf Schutz vor übermäßigem Lärm.

Wie steht der BVDM e.V. zu dem Umstand, dass in den vermeintlich relevanten Gebieten nur Motoradfahrer reglementiert werden soll, der gesamte übrige Verkehr aber keine Rolle spielt?

Das ist ein absolutes Unding. Einseitige Lösungen auf Kosten der Motorradfahrer lehnen wir komplett ab.

Silent Rider fordert in seiner Petition recht drastische gesetzliche Maßnahmen. Wie steht der BVDM e.V. dazu und was bedeutet zum Beispiel die Einrichtung von Verkehrsruhezonen in Erholungsgebieten ganz konkret?

Das haben wir weiter oben ja schon ausgeführt. Wir lehnen den Forderungskatalog ab (Ausnahme ist die Förderung der E-Mobilität). Wenn Verkehrsruhezonen eingerichtet werden (die gibt es ja etwa in Kurgebieten etc. schon), dann muss das für alle Fahrzeuge gelten. (Ende Mailinterview)

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Anmerkungen!

Der BVDM e.v. ist Silent Rider vor der Erstellung des Forderungskataloges beigetreten. Es stellt sich nun jedoch die Frage, warum der Verein in der Kampagne verbleibt, obwohl man die aktuellen Forderungen mit nur einer einzigen Ausnahme (E-Mobilität) komplett ablehnt. Der einzige für mich nachvollziehbare Grund besteht darin, dass man durch die Beteiligung das eigene Netzwerk auf der politischen Ebene erhalten bzw. ausbauen und sich eine Art politische Legitimation verschaffen möchte. Soweit ist das ja auch ok.

Bisher konnte man jedoch merklich auf Silent Rider nicht einwirken, so der Eindruck in Teilen der Motorradszene. Im Gegenteil, es herrscht bei vielen der Eindruck vor, dass man Silent Rider vollends unterstützt. Gemäß Interview ist dieses aber nicht der Fall, ergo stellt sich die Frage, ob der BVDM e.V. seine Ziele bisher für jeden Interessierten gut nachvollziehbar kommuniziert hat. Hier gibt es m. E. noch echtes Potenzial der Verbesserung. Wie dem auch sei, der BVDM e.V. hatte die Gelegenheit sich bei mir klar zu positionieren und evtl. hat das zu etwas mehr Aufklärung beigetragen.

Meine Einladung zum Biker Talk „Verbote vs Freiheit“ am 27. März 2021 steht. In dem Talk werde ich in jedem Fall auf die Drucksache 125/20 näher eingehen und das Meinungsbild zu Silent Rider abfragen. Ob der BVDM e.V. der Einladung folgt, weiß ich noch nicht. Es ist aber sicherlich eine Maßnahme, die dem BVDM e.V. die Chance bietet Motorradfahrer zu erreichen, die man mit bisherigen Kommunikationskanälen nicht erreicht hat. Danke für das Interview!

Fotos: Urheberrechte bei Michael Lenzen

Kontakt: https://bvdm.de/

Hinweis: Der Bericht aus Oktober 2020 wurde heute erneut auf die Startseite gesetzt!

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.