Interview: Freedom is our Religion!

„11 Stunden Fahrt für ein zweistündiges Gespräch. Digga, hat es sich für dich gelohnt?“. Das fragte mich meine Lady auf der Rückfahrt von Berlin kommend, wo wir die Macher von Freedom is our Religion (FioR) besucht hatten. Nun, meine Gedanken zu ihrer Frage erläutere ich euch unten!

Grunsätzliches!

Am 11. September findet die nunmehr fünfte Auflage der Demo gegen die Einschränkung der Freiheit in Berlin vor dem Brandenburger Tor statt und es ist damit eine der letzten Gelegenheiten unmittelbar vor der Bundestagswahl der Politik klar zu machen, dass man nicht bereit ist, deren restriktives Agieren mit immer mehr Einschränkungen und Verboten einfach so hinzunehmen.

In großen Lettern prangt das Demomotto an einer seitllichen Häuserwand!

FioR geht es in seinem Protest beileibe nicht nur um das temporäre Fahrverbot, auch wenn diese Forderung aufgrund der starken Mobilisierung innerhalb der Motorradszene nach wie vor bei vielen Biker und Rockern vollends im Fokus steht. Man ist zwar stark in dem Bereich engagiert, so ist FioR zum Beispiel der Kampagne „Hochschalten –  Dialog statt Verbot“ beigetreten und hat sich auf etlichen Demos sichtbar gemacht bzw. Redebeiträge geleistet, unter dem Strich spannt FioR jedoch einen weitaus größeren Bogen.

Für mich war es daher naheliegend, dass ich mich mit Fähnrich und Budde über die Intention von FioR unterhalte. Um vor Ort mehr Raum für ein lockeres Gespräch zu haben, übersandte ich ihnen bereits vorab meine Fragen. Wie sie sich dazu positioniert haben, lest ihr zunächst bitte hier.

Susanne und Fähnrich nahmen beide als Talkgast am Biker Talk 2021 teil.

Das Interview!

1. Wie seid Ihr seinerzeit überhaupt auf die Idee gekommen, Freedom is our Religion ins Leben zu rufen?

Nachdem das Kennzeichenverbot mit der Änderung des Vereinsgesetzes im März 2017 rechtskräftig wurde, war für uns klar, dass wir uns dagegen wehren müssen. Viele Möglichkeiten sich als Bürger gegen ein Gesetz zu wehren gibt es allerdings nicht. Rechtlich bleibt einem da nur der Gang zum Bundesverfassungsgericht und politisch eigentlich zunächst nur eine Demonstration. Der Gang nach Karlsruhe war klar, also blieb noch die Demonstration. Also haben wir die FREEDOM IS OUR RELIGION ins Leben gerufen.

2. Musstet ihr da behördlich gesehen große Hürden überwinden und wie hat sich die Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen seitdem entwickelt?

Große Hürden gibt es im Grunde nicht, um eine Demonstration durchzuführen. Und mit einigen tausend Demonstrationen im Jahr hat Berlin diesbezüglich sicher bereits eine gewisse Routine entwickelt. Routiniert scheint auch der Umgang mit den Behörden, aber dazu kann unser Anwalt bestimmt bessere Informationen liefern. Allerdings wird der weitgehend entspannte Ablauf auch der Tatsache geschuldet sein, dass es bei den FREEDOM IS OUR RELIGION-Demonstrationen keinerlei Vorkommnisse zu beklagen gab und im Großen und Ganzen die Demonstration immer sehr koordiniert und diszipliniert abläuft.

3. Ihr begeht nun Euer 5th Anniversary. Wie bewertet ihr die gesamte Entwicklung von FioR seit der Premiere?

Die FREEDOM IS OUR RELIGION entwickelt sich grundsätzlich positiv. Dabei spielen aber die steigenden Teilnehmerzahlen eine eher untergeordnete Rolle. Sicherlich könnte man den Erfolg einer Demonstration zunächst auch an den Teilnehmerzahlen messen, aber dabei würde man wichtige Faktoren vernachlässigen.

Mindestens genauso wichtig sind der Inhalt und die Kooperationen im Hintergrund, die sich angesichts immer weitreichenderer Einschnitte in unsere Freiheit und der Betroffenheit der gesamten Motorrad-Gemeinschaft weiterentwickeln. Während bei der ersten Demo noch einige vom Kennzeichenverbot betroffene MC´s, mit der großen Unterstützung von MC´s und MF´s, die – interessanterweise – selbst gar nicht betroffen waren, auf die Straße gingen, sind es heute eben auch Freebiker, Knieschleifer und ganz einfache Motorradenthusiasten.

Die Einschränkung unserer Freiheit erfährt jeder ein Stück weit anders, der eine darf seine Kutte nicht tragen und ein anderer soll sich eine andere Strecke suchen, weil sein Original-Moped angeblich zu laut ist und so weiter. Am Ende zeigt sich immer das gleiche Bild, alle sollen aufgrund einiger Einzelfälle haften. Letztlich sind wir alle betroffen und das haben wir schon seit der ersten Demo immer wieder gesagt.

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4. Viele sehen FioR immer noch im Kontext zum Insignienverbot. Was meint ihr dazu?

Zu behaupten, dass das sogenannte Insignienverbot kein Thema auf der FREEDOM IS OUR RELIGION mehr wäre, würde der Demonstration nicht gerecht werden. Allerdings ist das Insignienverbot eben auch nur EIN Scheibchen der Freiheit, welches uns genommen werden soll. Mit FREEDOM IS OUR RELIGION stellen wir uns aber im Allgemeinen gegen jeglichen Versuch unsere Freiheit zu beschränken und derlei Versuche gibt es dieser Tage weitaus mehr. Insofern ist das Insignienverbot in jedem Fall, schon allein da es gewissermaßen Ausgangspunkt war, im Kontext mit FREEDOM ISOUR RELIGION zu sehen.

5. Meines Erachtens hat FioR auch in die Clubszene hinein Impulse gesetzt. Könnt ihr das bestätigen?

Kurz und knapp, JA, dass können wir so bestätigen. Das Credo der Demonstration ist ja, dass wir an diesem Tag GEMEINSAM für unsere Freiheit auf die Straßen unserer Hauptstadt ziehen und niemand ausgeschlossen wird. Das gemeinsame Ziel ist klar und Club- und Parteienpolitik bleiben zu Hause. So wurde die FREEDOM IS OUR RELIGION zum Treffpunkt für viele, die sich sonst vielleicht nicht so treffen würden. Das trifft für die gesamte Motorrad-Szene zu und natürlich auch für die Clubs.

6. Und wie sieht es mit den Freebikern aus. Haben sich diese gegenüber FioR spürbar geöffnet?

Wenn wir uns das vergangene Jahr ansehen, können wir feststellen, dass sich in der gesamten Motorradszene etwas bewegt, scheinbar gehen alle aufeinander zu. Wir glauben, dass das Verständnis wächst, nur gemeinsam etwas bewegen zu können. Deshalb engagieren wir uns auch in der Kampagne Hochschalten, in der sich Vertreter verschiedener Fraktionen der Motorradszene gegen Fahrverbote und gegen die Diskriminierung von Motorradfahrern einsetzen.

Bei dieser Arbeit ist uns aufgefallen, dass viele zu Unrecht glauben, FREEDOM IS OUR RELIGION ist ausschließlich eine Demonstration der MC-Szene. Aus diesem Grund werden wir auch gemeinsam mit Hochschalten vor der Demo auf dem Gelände Alt-Biesdorf 29 auf der Bühne sein und unsere gemeinsame Arbeit präsentieren und für Fragen zur Verfügung stehen. Diese Mischung soll auch ein Zeichen in die Szene setzen, dass es längst nicht mehr um „Kuttenträger“, „Knieschleifer“ oder „Freizeit-Biker“ geht, sondern um eine Gemeinschaft.

7. Ist FioR eigentlich eine Veranstaltung ausschließlich des HAMC Nomads Germany?

Wenn man bei FREEDOM IS OUR RELIGION als Veranstaltung auf die Demonstration abstellt, muss man ganz klar sagen, dass es immer eine „Gemeinschaftsproduktion“ war. Von Anfang an haben wir mit dem Runden Tisch Berlin/Brandenburg zusammengearbeitet.
Allerdings scheint FREEDOM IS OUR RELIGION mehr geworden zu sein als lediglich eine Demonstration, die am 2. Sonnabend im September stattfindet. FREEDOM IS OUR RELIGION entwickelt sich zunehmend zu einer Art Bewegung, die als solches natürlich durch alle getragen wird, die die Idee, gemeinsam für die Freiheit einzustehen, leben.

8. Welche Erwartungshaltung habt ihr für den 11. September?

Wir würden uns freuen, wenn die Arbeit der vergangenen Monate dazu führt, dass FREEDOM IS OUR RELIGION einen Beitrag zur Gemeinschaft der Motorrad-Szene leisten kann. Mit verschiedenen Clubs der Stadt und einigen Gastronomen bieten wir in diesem Jahr zum ersten Mal mit „WELCOME TO THE CITY OF FREEDOM“ ein Rahmenprogramm vom 10.09.-12.09. an. Unser Ziel ist es zum einen allen Anreisenden zu zeigen, dass sie in Berlin willkommen sind und wir sie erwarten. Zum anderen wollen wir damit ganz aktiv Möglichkeiten schaffen, um sich gegenseitig kennenzulernen, sich zu vernetzen und zu informieren. Natürlich alles vor dem Hintergrund unseres Life-Styles, also der Spaß darf dabei nicht zu kurz kommen.

Mit „WELCOME TO THE CITY OF FREEDOM“ starten wir also ein ziemlich abgefahrenes Pilotprojekt, welches wir in den kommenden Jahren ausbauen wollen und das den Sinn einer Demonstration der Motorradszene wieder in den Mittelpunkt rückt. Für die Demonstration selbst hoffen wir, dass sie wie immer reibungslos verläuft und natürlich auf gutes Wetter. Alle Informationen sind auf unserer Webseite zu finden. (www.freedom-is-our-religion.de)

9. Wenn jemand derzeit noch überlegt, ob er an FioR 2021 teilnimmt, mit welchem Argument könnt ihr ihn überzeugen?

Die Motorradszene in Berlin erwartet Dich und es geht um Deine Freiheit! (Ende Interview)

Hinter dem Sichtschutszaun befindet sich das imposante Clubhouse des HAMC Nomads Germany.

Pesönliche Anmerkungen!

Nun zu der Frage meiner Lady. Woran mache ich es fest, ob sich der Ritt gelohnt hat? Ist es das in Punkto Größe und Ausgestaltung absolut imposante Clubhouse? Nein, obwohl ich einen derart atmosphärisch dichten Sitzungsraum bisher noch nicht so oft gesehen habe. Ist es der Umstand, das man mich außerhalb eines öffentlichen Termins empfangen hat? Nein, wir haben unter dem Strich auf der Sachebene ohnehin solide Kontakte aufgebaut.

Die Antwort ist an sich ganz simpel. Ich bin einfach hingefahren! Ich meine, wann lohnt sich etwas? Übertragen wir das doch mal auf die Demo am 11. September, die ganz sicher von vielen mit einer höheren Erwartungshaltung verbunden wird.

Wann hat sich die Teilnahme hat einer Motorraddemo gelohnt? Wenn 20.000 Biker da waren? Wenn bei jeder Demo andere Redner zu Wort kommen? Wenn die Presse massiv und positiv darüber berichtet? Wenn die Sternfahrten zu der Demo hin allesamt reibungslos laufen? Nein, das ist nicht der Kern und die Antwort muss m. E. lauten, dass ich aus den für mich richtigen Gründen hinfahre und damit meinen persönlichen Beitrag leiste! Ich gebe mein Standing ab! Nicht im Fratzebuch, sondern persönlich und damit in seiner authentischsten Form.

FioR hat sich für dieses Jahr echt was vorgenommen und viele Gleichgesinnte mit ins Boot geholt. Am 10.09 öffnen etliche Clubhäuser, in denen man teilweise sogar übernachten kann, in ausgewählten Restaurants könnt ihr für schmales Geld futtern, Hotellisten sind erstellt worden, alles ist darauf ausgerichtet, dass man Gemeinschaft nicht nur propagiert, sondern real lebt. Fähnrich und Budde haben es oben ja bereits ausgeführt. Es nehmen viele Clubs aus dem Raum Berlin und Brandenburg daran teil. Aber, man muss es annehmen und hinfahren, denn es sind sie echten Kontakte, die eine Szene ausmachen.

Leider sind viele Biker so geprägt, dass sie sich dauernd darüber Gedanken machen, was sie davon abhalten könnte. Ach, da geht es auch um das Insigniennverbot. Na dann. Die Macher sind Rocker, nee, mit denen möchte ich nichts zu tun haben. Da gibt es sicher Polizeikontrollen. Na und? Ich könnte die Liste jetzt um weitere Aspekte verlängern. Leute, fragt ihr euch doch besser mal ernsthaft, welchen Grund es gibt trotz aller Vorbehalte an Freedom ist our Religon teilzunehmen und ob eure Vorbehalte überhaupt substanziell sind?

                                                       Es geht um die Freiheit!

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Demos alleine werden den Protest nicht erfolgreich gestalten. Sie sind aber ein enorm wichtiger Transmitter von Botschaften und sie sorgen dafür, das eine Gemeinschaft als solches auch erkannt wird. Ich war zum Beispiel in Papenburg, Vechta, Berlin, Oldenburg, Malsfeld, nehme an dem gesamten Prozess seit April 2020 teil, da gab es immer wieder durchaus Aspekte zu kritisieren, auch an mir, aber keiner dieser Aspekte hat mich von meinem übergeordneten Ziel abgebracht, nämlich für meine Freiheit einzustehen. Hier bin ich und hier stehe ich!

Freedom is our Religion hat m. E. etwas bewirkt, was kaum eine andere Demo geschafft hat. Es hat sich hinter der Intention von FioR eine reale Gemeinschaft gebildet, die stetig organisch wächst und die sich u. a. darin ausdrückt, dass sich Biker und Rocker aus der gesamten Republik am 11. September nicht nur gegen Fahrverbote aussprechen werden, sondern Seite an Seite für unser höchstes Gut einstehen und das ist und bleibt unsere Freiheit.

Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, bedeutet sie das Recht, den Menschen zu sagen, was sie nicht hören wollen. (George Orwell)

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.