Ist das Kuttenverbot eine Chance?

Jede Krise beinhaltet die Chance auf einen Neustart. Ja, da ist etwas dran. Ich würde zwar nicht behaupten wollen, dass sich die deutsche Rocker-Szene in seiner Eigenwahrnehmung in einer Krise befindet, man hört ja schließlich nicht plötzlich damit auf ein Rocker zu sein, nur weil man die Juppe nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen darf oder die Gefahr besteht, dass dieses in Zukunft so passiert, aber alleine die hohe Anzahl an Kommentaren im Netz lässt wenigstens den Schluss zu, dass es die Szene sehr aufgewühlt hat.

Keinesfalls verwunderlich, denn der überwiegende Anteil lehnt die staatliche Regulierung per Vereinsrecht als Sippenhaft ab und wertet den neuen §9(3) als klaren Verstoß gegen die Grundrechte. Doch es gibt auch Stimmen, die das Insignieenverbot befürworten. Schauen wir uns das mal näher an, wobei ich explizit darauf hinweise, dass ich lediglich versuche die unterschiedlichen Positionen zu interpretieren und durchaus falsch liegen kann.

Drei Kernbereiche!

Da gibt es die Leute, die grundsätzlich die Meinung vertreten, Rocker seien affin für kriminelle Handlungen, stets assozial veranlagt und unnützt für die Gesellschaft. Über die brauchen wir kein weiteres Wort verlieren. Sie sind die Schafe in der Schafherde und blöken alles nach, was ihnen vorgebetet wird. Differenzierung, gar Verifizierung, findet nicht statt. Ich hinterfrage nichts, glaube alles. Geschenkt

Dann gibt es die Szenegänger, die es den derzeit betroffenen Clubs selber ankreiden, dass sich der Staat durch das strafbare Handeln Einzelner herausgefordert fühlte und man selber daran schuld sei, dass es zu so drastischen Maßnahmen gekommen ist, weil man diese Leute nicht entsorgt hat. An dieser Stelle wird es schon weitaus schwieriger sich zu positionieren. Denn es setzt voraus, dass man sich über das Credo einer Brotherhood nach den Ideologien der 1%er-Clubs im klaren ist.

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„Your Brother is not allwasy right, but he is allways your brother!“ Denkt einmal über diesen Satz nach. Ist es tatsächlich so einfach diese Member aus dem Club zu werfen, vor allem dann, wenn sie dem Chapter/Charter selbst nicht geschadet haben, sondern nur sich selbst. Die Nummer ist sehr viel komplexer, als es den Anschein hat.

Stellt euch vor, euer leiblicher Bruder ist ein euch gegenüber korrekter Typ, hat aber mehrere Raubüberfalle begangen. Würde tatsächlich jeder von euch ihn aus der Familenbande entfernen? Ich denke nicht! Ich würde das jedenfalls nicht tun, egal, was die Nachbarn von mir denken. Spätestens hier trennt sich die Spreu vom Weizen und bei etlichen frisst die Moral das Blut. Wessen Moral?

Aber es gibt noch eine andere Gruppe, nämlich diejeinigen, die das Kuttenverbot rechtlich gesehen zwar ablehnen, es aber als Chance verstehen, dass die betroffenen Clubs es ebenfalls als Chance nutzen, um auf der Basis tatsächlicher Gemeinsamkeiten eine Ebene zu schaffen, die den permanenten und für alle Seiten konstruktiven Dialog möglich macht. An diesem Punkt fällt dann vermutlich vielen die ehemalige Präsi-Ralleye ein.

Der Rocker Talk 2: Knäcke, Micha 1%er, Moderator Stiebel, Olli und Störte 1%er.

So ganz von der Hand zu weisen, ist dieser Gedanke in der Tat nicht. Beispiel: Ich hätte seinerzeit zum ersten Rocker Talk auch gerne den Pressesprecher des Bandidos MC Germany, Micha 1%er, in der Runde der Premierengäste dabei gehabt, an der bekanntlich Django 1%er auch teilgenommen hatte. No way! Da war nichts zu machen. Im zweiten Rocker Talk in Königswusterhausen saß er dann mit im Boot. Wenn auch mit angezogener Handbremse, es wurde gesprochen; fair und sachlich. Hells Angels und Bandidos zusammen in einer Runde war damals jedoch nicht drin.

Nachdem das aktuelle Insignienverbot drohte bzw. beschlossen wurde, hat man zusammen die Anhörung im Deutschen Bundestag besucht, es gab ein gemeinsamens Statement in den Räumen des Huber Verlags, viele 1%er haben die unterschiedlichen Versuche, insbesondere in den Social Networks, unterstützt, um das Verbot zu verhindern.

Man könnte meinen, hier habe die Szene an einem Strang gezogen. Aber war das ein echtes Wir? Ich glaube nicht, denn diese Aktivitäten sind ja der staatlichen Initiative geschuldet gewesen und stellten eine Reaktion dar, keine Aktion. Krass gesagt, hat man versucht noch einen Zug zu erreichen, der bereits am fahren war.

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Wie würde es jedoch aussehen, wenn man tatsächlich gemeisam insbesondere die staatlichen und medialen Aktionen sowie die Entwicklung in der Szene erörtert, sich regelmäßig trifft, um offen und klar darüber zu sprechen, ohne das eventuelle Rivalitäten von vorne herein alles zunichte machen. Was spräche dagegen? Ist es möglich so miteinader zu sprechen, dass keiner versucht, sich selber am besten zu positionieren, stattdessen stets das gemeinsame Ziel zu haben? Wie nannte es noch erst kürzlich ein 1%er: „Back to Topic“!

An dieser Stelle setze ich einen Cut. Denn eigentlich soll dieser Beitrag nur dazu anregen, einmal die verschiedenen Positionen zu reflektieren. Das Thema selber ist derart komplex, es könnte ein ganzes Buch füllen. Wir suchen dauernd nach den richtigen Antworten. Nur, stellen wir uns auch tatsächlich die richtigen Fragen?

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.