Kritisches: Fördert das Netz den Abgesang der Szene?

Gefährdet das Netz das Wir?

Tja, abschließend kann ich diese Frage nicht beantworten. Fakt ist jedoch, dass insbesondere die sozialen Medien Fluch und Segen zugleich sind. Auf der einen Seite wird insbesondere das Fratzenbuch von immer mehr Szenegängern und Clubs genutzt, um zum Beispiel Partytermine bekannt zu geben. Auf der anderen Seite muss man klar feststellen, dass die Kommunikation miteinander darunter oftmals leidet.

Persönliche Gedanken!

Nun könnte man natürlich den Standpunkt vertreten, dass ich als Herausgeber eines Onlinemgazins das dann ja dann durchaus fördere. Möglich, aber der alleinige Umstand, dass ich mein Business im Netz betreibe, reicht für eine derartige Feststellung keinesfalls aus, denn letztlich gehen in den allermeisten Fällen der Berichterstattung ja konkrete Gespräche mit Clubs und Szenegängern voraus. Der Rocker Talk zum Beispiel ist ein Live-Event, wird im Nachgang im Netz präsentiert, um mögichst viele Leute zu erreichen. Viele Partys werden direkt angefahren, erst danach im Magazin präsentiert. Insofern nutze ich das Netz im Kern als Informationstransmitter.

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Das Probem?

Der Umgang im Netz ist nicht mehr so respektvoll und persönlich, wie man es aus den Zeiten gewohnt war, als man gar nicht die Möglichkeit hatte, miteinander digital zu kommunizieren. Man hat sich in den alten Zeiten besucht oder den Telefonhörer in die Hand genommen. Dadurch entstanden weitaus tiefere Beziehungen. Man kannte sich besser. Das war insbesondere bei drohenden Konflikten bzw. Kontroversen sehr wichtig, weil es potentielles Konfliktpotential reduzierte. Jeder musste sich erst einmal schlau machen, bevor er sich eine Meinung bilden konnte. Es gab einen Zeitpuffer, der die ggf. angespannte Lage herunter gekühlt hat!

Wenn es irgendwo einen Beef gab, musste man erst einmal einige Tage warten, bis alle über den Grund informiert waren. Dann erst kam es zur Entscheidung aller, wie man damit umgeht. Heute schreibt man die Nachricht im Messangerdienst und jeder ist sofort informiert. Bundesweit! Einerseits gut, anderseits schlecht. Denn wer auf die bloße Info bereits agiert, vor allem ohne Abstimmung mit den eigenen Leuten, kann natürlich sehr schnell eine Welle auslösen, die dann nicht mehr aufzuhalten ist. Gottlob ist das die Ausnahme. Noch!

Nur die Live-Kontakte fördern das Wir-Gefühl! Das Netz kann das nur bedingt!

Auch habe ich das Gefühl, dass die Szenegänger oftmals übersättigt sind bzw. gar nicht mehr das vorrangige Interesse haben, sich durch die Besuche von Events selber in der Live-Szene ein eigenes Standing aufzubauen. Viele posieren im Netz, hauen Parolen aus, aber in den Clubhäusern sehe ich sie nicht bzw. sehr selten. Das führt dazu, dass die Clubs immer mehr rotieren müssen, um die eigene Party ohne Verluste über die Bühne zu bringen. Das diese dann die Flyer im Netz einstellen, ist daher m. E. eher dem Umstand geschuldet, das einfach auf dem traditionellen Weg mit der driekten Einladung weniger Besucher kommen. Täusche ich mich etwa?

Natürlich gilt das nicht für die gesamte Szene, aber der Teil, der es sich lieber auf der Couch gemütlich macht, um dann im Nachgang über das Netz die Infos über den Verlauf der Szene-Veranstaltungen zu ziehen, reicht aus, um ihm klar vorzuhalten, dass diese Passivität der Szene erheblich schadet. Denn diese wird ja erst durch den Besuch der Events mit Leben gefüllt. Das Netz ist, wie oben erwähnt, nur ein Transmitter. Was nach wie vor unerlässlich für die Aufrechterhaltung unseres Lifestyles ist, sind die persönlichen Kontakte. Ohne Wenn und Aber!

Meine Magazinausfahrten dienen einzig und alleine dazu, die Szenegänger zusammen zu bringen. Das Biker Biz profitiert davon!

Das Biker-Business?

Auch im Biker-Business stelle ich fest, dass viele beinahe nur noch auf das Fratzenbuch schwören. Ja, es ist umsonst und es bringt Reichweite, somit Kunden. Das will jeder mitnehmen und füttert seine Page so gut wie es geht mit seinen Business-News. Völlig legitim. Doch spricht man mit den Betreibern stelle ich mittlerweile häufig fest, dass Szeneinhalte selber gar nicht mehr eine tragende Rolle spielen. Es geht nur noch um Leads, Views, Klicks, Umsatz. Szeneinhalte interessieren nicht oder nur am Rande. Business as usual!

Zudem stelle ich fest, dass selbst normale Höflichkeitsformen nicht mehr gegeben sind. Anfragen im Netz werden nicht beatwortet, zugesagte Reaktionen finden nicht statt, usw.. Das finde ich bedenklich, selbst unter Berücksichtigung einer normalen Abwehrhaltung, weil man den anderen vorrangig als Dienstleister sieht und Bedenken hat, dass er einen selbst zu einem Investment verleiten könnte. Wenn aber doch alle so taff sind, dann wissen sie ja auch wie man höflich ein Nein formuliert. Oder sind wir doch nicht so taff?

Leute, auch die Szenemedien leiden unter dem Netz. Printtitel wie Kradblatt und Kurve sind wichtig, um das Spektrum der Szene und die unterschiedlichen Facetten darzustellen. Stellt euch mal vor, die würden alle ihre Arbeit einstellen. Wo holt ihr euch dann die Infos, wer präsentiert euch dann? Insofern gibt es eine natürliche Wechselwirkung. Sie brauchen euch, ihr braucht sie. Zudem sind sie aufgrund ihrer Erfahrungen auch gute Ratgeber, denn ein offenes Gespräch hat schon viele gute Ansätze und Ideen möglich gemacht. Blockadehaltungen tun das nicht!

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Fazit!

Dem Zeitgeist ensprechend gehört das Netz heute einfach dazu. Es ist ein Teil der Szene geworden. Das wird im Zuge der Digitalisierung verstärkt zunehmen. Aber letztlich ist es immer noch der persönliche Kontakt, der unseren Lifestyle prägt, und der zu echten Beziehungen führt, die ihr niemals im Netz aufbauen werdet. Ich kann mich noch bestens daran erinnern, als mein Sohn kurz vor seiner Volljährigkeit massiv am PC abhing, alles um ihn herum keine Rolle mehr spielte. Das hat mir echte Sorgen bereitet. Wir hatten nur Stress!

Heute schaut er selber auf die Zeit zurück und gibt zu, dass ihn das damals komplett isoliert hat und er die echten Kontakte vermisste. Klar, wenn man 20 Facebookfreunde zum Geburtstag einlädt und keiner kommt, dann schaut man beläppert aus der Wäsche. Heute fährt er Karre, hat sich ein kleines Haus gekauft, für sich nunmehr die Szene entdeckt und wird sich, so hoffe ich, seine Sporen verdienen. Den kann ich jedenfalls komplett alleine laufen lassen.

Mit alten Wegbegleitern chatten ist ok, aber am Tresen ist es lustiger!

Er hat begriffen, das es im Netz keine echten Beziehungen gibt. Diese muss er selber aufbauen, genauso wie jeder Szenegänger sich fragen muss, warum er, obwohl nicht krank oder immobil, nicht mehr dort anwesend ist, wo er an sich hingehört, nämlich vornehmlich auf der Straße und auf den Biker-Events! Stattdessen wird vieles im Netz schlecht gemacht, bevor es überhaupt angefangen hat. Da sind etliche Biker mit ihrer oftmals großen Fresse ja echt brachial. Klar, da sitzen sie schön am Rechner, fühlen sich abgeschottet. Am Tresen neben dir kriegen die oftmals den Mund gar nicht auf. Da kann es ja zu einer direkten Reaktion kommen, allerdings ohne Puffer!

In dem Film „Der letze Samurai“ mit Tom Cruise gibt es eine Szene, wo Tom Cruise ein Schwert überreicht wird, auf dem sich eine Signatur befindet. Auf die Frage, was da drauf steht, entgegnet der Samurai: „Dieses ist das Schwert des Kriegers, welcher die alten und die neuen Werte vereinigt!“. Diesen Satz habe ich mir gemerkt. Ja, nutzt die neuen Medien, aber denkt immer daran, wenn niemand mehr fährt und alles nur noch im Netz abläuft, dann kommt keiner mehr in den Laden und kauft eure Bikes, und die Events werden immer seltener, weil ja niemand mehr hingeht. Und dann habt ihr auch keine Themen mehr, über die ihr euch auslassen könnt. Gelle!

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.