Kuttenverbote auf öffentlichen Veranstaltungen

Nun ist es wieder passiert. Damit die braven Bürger ruhig und ausgelassen ihr Festchen feiern dürfen, wird von den zuständigen Behörden aus Gründen der Prävention mal wieder ein Kuttenverbot verhängt. So kürzlich erneut passiert im beschaulichen Örtchen Werder/Havel in der Nähe von Potsdam. Anlass dafür ist das Baumblütenfest, eines der größten seiner Art im Osten der Republik. In der offiziellen Erklärung heißt es:

„Die Polizei wird auch in diesem Jahr ein so genanntes Kuttentrageverbot verfügen. Demnach ist es auf dem Festgelände verboten, Bekleidungsstücke zu tragen, die mit Abzeichen und Emblemen von sog. Outlaw Motorcycle Gangs (Motorradgruppierungen) versehen sind. Hintergrund für diese gefahrenabwehrende Verbotsverfügung ist, dass in der Vergangenheit immer wieder kleine Gruppen oder Einzelpersonen verschiedener Motorradclubs das Festgelände besuchten, die offenbar das Ziel der Machtdemonstration und Provokation verfolgten.“

Auch auf dem Bremer Freimarkt herschte in 2013 ein Kuttenverbot!

Auch auf dem Bremer Freimarkt herschte in 2013 ein Kuttenverbot!

Aha, Outlaw Motorcycle Gangs also. Eine Defintion, die seinerzeit von den amerikansichen Strafverfolgungsbehörden geprägt wurde und die Gewaltbereitschaft und Nähe zur Ok einiger Motorcycle Clubs symbolisieren soll. Deren Namen brauchen wir an dieser Stelle wahrlich nicht mehr herunter beten, zumal die Anzahl der 1%er-MC’s in den USA eine wesentlich höhere Dichte als in unserer Republik aufweist. Ohnehin habe ich mit diesem Begriff meine Probleme, denn es handelt sich immer noch um MC’s und nicht um Gangs. Natürlich in seiner Wortwahl geschickt gewählt, da der Bürger mit dem Wort Gang persé ein hohes Maß an Kriminalität assoziiert. Die Medien und selbst Wikipedia haben es sodann auch nur allzu bereitwillig übernommen. Faktisch hat dieser Begriff mit der Szene selber nichts zu tun. Jeder informierte Biker weiß um die Ablehnung der Szene in Punkto Streetgangs als Bestandteil dieser, der ich mich bedingungslos anschließe!

Nun kommt es natürlich darauf an, wie die Rennleitung diese erneute Vorgabe umsetzt. Denn wenn wir die Verfügung wörtlich nehmen, so sind nur ganz bestimmte Clubs davon betroffen. Alles, was nicht mit 1%er-Raute aufschlägt, müsste gemäß dem obigen Wortlaut ungehindert in Kutte das Fest besuchen dürfen. In 2013 sah das aber ganz anders aus. Rund 300 Polieibeamte haben mit massiver Präsenz dafür gesorgt, das im Grunde genommen die gesamte regionale Subkultur in Sippenhaft genommen wurde. Doch wer wird es in 2014 darauf ankommen lassen, als MC ohne 1%er-Bekenntnis in Kutte auszuschlagen, um dann kurzerhand einen Platzverweis zu erhalten, der dann jedoch aufgrund der inhaltlichen Vorgabe m.E. gesetzeswidrig ist. Der in Klammern gesetzte Zusatz Motorradgruppierungen ist doch wohl viel zu schwammig und dient anscheinend eher als verbale Hängematte, um auch dem kleinen MC den Zutritt zu verbieten. Was denn nun? Alle MC’s oder nur OMC’s? Könnt ihr euch mal klar ausdrucken und nicht so einen Eiertanz veranstalten?

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Als Hintergrund solcher Maßnahmen wird ja immer wieder der provokante Auftritt bestimmter Clubs, deren Reviergehabe und die damit verbundene territoreale Machtdemonstration benannt. Mag ja sein, dass es bei einem Aufeinandertreffen von bestimmten MC’s zu Spannungen und sogar Übergriffen kommt, doch diese passieren eher bei MC Drive um die Ecke. In der Gesamtbewertung aller Veranstaltungen auf öffentlichen Straßen und Plätzen ist es jedoch in der Vergangenheit nur extrem selten zu wirklich ernsthaften Störungen gekommen und für mein Selbstverständnis müssen polizeiliche Maßnahmen im Verhältnis zu dem Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte des Bürgers stehen. Es würde mich daher wirklich interessieren, ob derartige Verfügungen in der Einzelfallbeurteilung tatsächlich einer gerichtlichen Bewertung standhalten.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Urteil des Kieler Oberwaltungsgerichtes auf Antragsklage eines Members des Dirty Pack MC 78 aus Brunsbüttel, dass in seiner Begründung unmissverständlich festgestellt hat, dass die seinerzeitige Verfügung des Kuttenverbotes zur Kieler Woche materiell unwirksam ist! ( Link am Ende ) Wer also vorhat in Kutte das Baumblütenfest zu besuchen, sollte sich das Teil ggf. mal einstecken. Denn eines steht fest: Wenn ich eine weiße Weste habe und mein MC in seiner Struktur und Beschaffenheit sowie seinem gesamten Auftreten in der Vergangenheit substanziell nichts mit einem OMC zu tun hat, dann kann sich der Beamte vor Ort an und für sich mit der Verfügung den Hintern abwischen. Also Jungs, Toilettenpapier nicht vergessen!

Stattdessen wird aber wohl ein Großteil die OMC’s für diese Verbote verantwortlich machen, statt sich mit den eigenen Rechten auseinander zu setzen. Leute, das ist mir zu billig und die Aktion des Dirty-Pack-Members  hat zudem hinlänglich bewiesen, dass die Gerichte sehr wohl zu differenzieren vermögen. Also, klagt nicht, kämpft! Ein Fall für die Biker-Partei?

Link zum Urteil: www.dirty-pack-mc.de/media/pdf/Urteil-zum-Kieler-Kuttenverbot.pdf

 

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.