Rückblick: Die Polizei-Affäre in Schleswig-Holstein!

Potenzielle Vorlage für das allgemeine Insignienverbot?

Am 29.01.2013 sowie am 22.02.2013 wurden die Verbotsverfügungen gegen den HAMC Flensburg sowie den BMC Neumünmster in S-H rechtskräftig. Vorausgegangen waren umfangreiche Ermittlungen sowie eine massive bundesweite Berichterstattung in den großen Publikumsmedien. Die Grundlage dafür waren einige schlagzeilenträchtige Vorfälle in S-H unter Rockern.

Wenn man nur den Presseberichten gefolgt ist, so mag für etliche Bürger und auch Biker die damalige Verbotsverfügung gegen diese beiden Charter/Chapter nachvollziehbar gewesen sein. Brachial und äußerst spektakulär kamen die Überschriften rüber, man sprach von einer Eskalation des Rockerkrieges. Besonders brisant erschien dabei ein Überfall der Bandidos auf Red Devils in der Filiale der Food-Kette Subway in Neumünster. Es gab Schwerverletzte. Das Netz ist voll mit Links zu den damaligen Berichten. Jeder kann sich somit ein eigenes Bild verschaffen und möge das Geschehene für sich selbst beurteilen bzw. das vermeintlich Geschehene.

Wieso vermeintlich Geschehene?

Nun, im weiteren Verlauf entstand der Eindruck, dass es bei den umfangreichen Ermittlungen zu massiven Versäumnissen, Fehleinschätzungen, falschen Aktenvermerken, Manipulationen usw. kam und die Leitung der Soko Rocker wenigstens zeitweilig völlig überfordert war.

Spätestens, nachdem ein Polizist seine eigenen Kollegen beschuldigte gemobbt und manipuliert zu haben, drohte das Fass überzulaufen. Hinzu gesellte sich die Erkenntnis, das es unter den Bandidos einen V-Mann gab, nämlich den damaligen Presi Ralf (Ralle) Bacher, geführt mit der Nummer 173. Es musste eine Untersuchung her, die sich detailliert mit den Vorwürfen gegen die Polizei beschäftigte. Als Sonderbauftragter für die Ermittlungen wurde vom Innenminsterium Klaus Buss ernennt, der seine Erkenntnisse am 28. März 2018 mit 394 Seiten in einem amtlich vertraulichen Bericht dem Ministerium vorlegte.

Natürlich wurden die darin befindlichen Informationen irgendwann publik, sodass auch die Presse sich der Sache annahm. In der Art und Weise keinesfalls so brachial wie die Berichte über die Vorfälle unter den Rockern, hier wurde tunlichst auf der nüchternen Sachebene agiert, aber ja, das Thema wurde durchaus beleuchtet. Das aber bekommen nur die Szenegänger mit, die unter der Oberfläche die Inhalte checken und/oder jemanden kennen, der einen kennt und so an fundierte Infos kommen.

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Fakt ist, in dem Bericht wurde u. a. klar festgestellt, dass bei der Tatortaufnahme und dem Sicherheitsangriff Fehler gemacht worden sind. (Vorfall Subway) So wurde zum Beispiel der Tatort vor dem Eintreffen der Spurensicherung gereinigt. Wie bitte? Weiterhin wurde festgestellt, dass zwei KHK in den Akten unvollständige Angaben gemacht haben, wodurch entlastende Aspekte nicht klar und eindeutig erkennbar waren.

Es wurde weiterhin festgestellt, das die Forderung zweier Ermittlungsbeamter einen schriftlichen Nachweis nach dem Grundsatz der Aktenwahrheit anzulegen, berechtigt war. Warum musste das überhaupt gefordert werden? Hatten die Beamten Bedenken, dass hier etwas grob falsch läuft?

Der  Aktenvermerk eines KHK vom 19. Juli 2010 wurde als falsch und unvollständig festgestellt, weil dem Beamten bereits neue Erkentisse bekannt waren, die nicht integriert wurden. Hier wurde gegen die Aktenwahrheit verstoßen.

Ich könnte die Liste der Beanstandungen durchaus fortführen, schließe hier aber mit der Feststellung des Berichtes ab, dass der ehemalige Presi des Bandidos MC Neumünster als V-Mann tätig war und in Erwartung einer umfangreichen Strafe wegen eigener Vergehen umfassend Informationen an die Behörde weiter gab. (Unten ist der Link zum Buss-Report eingesetzt).

Kommen wir auf den Punkt!

Es ist hinlänglich bekannt, dass es V-Männer in fast allen Fällen mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Sie wissen, dass die zuständigen Beamten von ihnen Informationen erwarten, die sie in den Verfahren gegen den oder die Beschuldigten verwenden können. Liefern sie diese nicht, so verlieren sie Ihren Wert und den Schutz durch die Behörde. Spätestens hier ist der Kreativität freien Lauf gelassen. Sie wollen letztlich nur ihren Arsch retten.

In dem Bericht findet sich dazu passend auch ein Vermerk wieder, dass der Kontakt des zuständigen LKA in der Handhabung des Ralf Bacher als kritisch zu bewerten ist. Zudem stellt man fest, dass die Zusammenarbeit zwischen dem LKA sowie der Soko Rocker strukturell und sachlich klare Defizite aufwies und zu Auseinandersetzungen zwischen den Beamten führte. Der Bericht spricht selbst von einer Eskalation!

Nun könnte man die Meinung vertreten, dass diese beiden Verbote in S-H reinweg nur die Belange auf Landesebene tangieren. Obacht! Erinnert euch mal an die Aussagen des ehemaligen Presis der Legion 81 in Kiel vor einigen Jahren, er wurde zum Kronzeugen ernannt, die ebenfalls zu massiven Ermittlungen führten und zum Beispiel zu dem Abtragen einer kompletten Halle sowie massiven Anschuldigungen gegen Hells Angels, die nie bewiesen werden konnte. Vor dem Kollegen hatten andere LKA’s bereits im Vorfeld gewarnt! Motto? Absolut Unglaubwürdig! Dennoch wurde er als Kronzeuge herangezogen.

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Wechselwirkungen!

All diese Aspekte werden von der Polizei stets dazu herangeführt, Verbotsmaßnahmen zu begründen. Sie agiert jedoch reinweg aus einer polizeilichen Erkenntnislage heraus, deren Substanz oftmals eben nicht unzweifelhaft gegeben ist. Die zuständigen Poltiker hören sich das dann an und vertrauen auf deren fundierte Relevanz. Und nun beleuchten wir die Nummer doch mal Rückwärtsgewand, denn die Verfahren in S-H haben m. E. durchaus Ihre Auswirkungen für das spätere allgemeine Insignienverbot gehabt.

Da wird also manipuliert, getrickst und mit falschen Vermerken gearbeitet, Polizisten mobben sich untereinander, Aktenvermerke werden gefälscht oder nicht notwendigerweise korrigiert. Hey Leute, merkt ihr etwas? Versteht mich nicht falsch, ich will bewiesene Sachverhalte nicht schön reden, aber ist es nicht so, dass sich die Polizei daran messen lassen muss, wie sauber und fundiert sie arbeitet, ist es nicht so, dass Verbotsverfahren gegen sämtliche Mitglieder eines Chapters oder Charters nur dann ausgesprochen werden dürften, wenn die Erkenntnislage zu 100% keine Zweifel zulässt? Und hier war die Erkenntnislage definitiv alles andere als sauber und fundiert erarbeitet. Da wurden Polizisten zu hemmungslosen Jägern und der Bock musste unbedingt erlegt werden, so mein Eindruck.

Fazit!

Nun werden manche sagen, schön und gut, aber es passieren in Summe doch auch andere Dinge, die klar und unzweifelhaft sind. Ja, das ist so, aber relativiert das etwa jetzt die Erkenntnisse im Bericht des Sonderbeauftragten oder die Feststellungen zu dem Ex-Presi der Legion 81 in Kiel? Ist es unerheblich, wenn die Polizei quasi einem Verfolgungswahn unterliegt und sich sogar gegenseitig mobbt? Ist es legitim, wenn Erkenntnisse verfälscht oder bewusst unvollständig in den Akten landen? Mitnichten!

Jeder Fall muss klar und sauber ermittelt werden. Es kann doch wohl nicht angehen, dass man in Talk Shows und Anhörungen auf derart zweifelhate polizeiliche Erkenntnisse verweist, die nicht nur im Fall Subway mehr als bedenklich sind. Solch ein Agieren führt zum Rechtsbruch. Und wer Recht bricht, verliert seine Integrität und Glaubwürdigkeit. In dem Gesamtkontext darf denn auch mal über die Feststellung des BGH nachgedacht werden, welches das neue Verfassungsschutzgesetz in Bayern für teilweise verfassungswidrig erklärt hat.

Wenn jemand Scheiße baut, muss die Polizei ermitteln. Wenn es zur Anklage kommt und eine fundierte Ermittlung zu einer Verurteilung führt, dann ist das eben so. So funktioniert unser Rechtsstaat. Bis dahin gilt aber in jedem Fall die Unschuldsvermutung und diese muss sich auch in den Ermittlungen widerspiegeln, weswegen die Polizei dazu verpflichtet ist, entlastende Aspekte genauso vollständig zu ermitteln wie belastende. Das dieses nicht in der Balance steht, nun, dafür ist der Bericht des Sonderbeauftragten nur ein Beispiel.

Links:

https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/panorama/die-messer-rache-der-bandidos-id1945601.html

https://www.landtag.ltsh.de/ausschuesse/1-parl-untersuchungsausschuss/

https://taz.de/Landtag-beendet-Kieler-Rocker-Affaere/!5844408/

https://bit.ly/3vKSCyC

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-027.html

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.