Sind Rocker eine Bedrohung?

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Sind Rocker wirklich eine Bedrohung?

In Vorbereitung auf den Rocker Talk 2 in Königs Wusterhausen mit dem Thema „Die Stigmatisierug der Rocker-Szene und deren Auswirkungen“ möchte ich diesen Beitrag mal in die Runde werfen. Seht es als Vorbote zum o.g. Thema, welches live am 03. Oktober 2015 nahe Berlin besprochen wird. Alles info dazu unter www.rockerportal.de.

Tacheles!

Wenn man der medialen Berichterstattung der meisten Presseorgane Glauben schenkt, so stellt der Rocker beinahe schon eine Bedrohung für die freiheitlich demokratische Grundordnung dieser Republik dar.
Abgesehen von dem derzeitigen Sommerloch vergeht kaum ein Tag, in dem nicht über prügelnde und umherziehende Scharen von Motorradgangs berichtet wird. Zumeist geschieht dies in spektakulärer Form, denn es gilt nach wie vor der Grundsatz „Bad News are good News“!
Dadurch hat sich in den Köpfen vieler Menschen das Vorurteil eingebrannt, der Rocker sei notorisch gewalttätig und lebt ausschließlich von kriminellen Aktivitäten oder hat mindestens eine erhöhte Affinität dazu.

Aber schauen wir uns doch erst mal an, was Wikipedia zum Begriff Rocker einfällt:

„Rocker bezeichnet im deutschsprachigen Raum die Mitglieder einer ursprünglich aus den USA stammenden, motorradfahrenden Subkultur, welche sich oft in Motorradclubs, sogenannten Motorcycle Clubs (kurz MCs), organisieren. Auch Motorradfahrer, die nicht in Clubs organisiert sind, werden gelegentlich der Szene zugerechnet und als Freebiker(engl.: ‚freie Motorrad-Fahrer‘) bezeichnet.In Abgrenzung zu anderen Motorradfahrern stellt das Motorradfahren für Rocker Teil eines gesamten Lebensstils dar, der sich oft bewusst von bürgerlichen Normen und gesellschaftlichen Regeln abgrenzt. Die Abgrenzung geschieht unter anderem durch entsprechendes Auftreten, wie zum Beispiel dem Tragen von Lederwesten, den sogenannten Kutten, mit auffälligen Kennzeichnungen in Clubfarben (Colors), Tätowierungen und der Verwendung von provozierenden Symbolen. Oft werden von überzeugten Rockern besonders modifizierte Motorräder gefahren (sogenannte Custombikes, speziell Chopper).“

Normen und Werte

In Stuttgart 21 waren die Täter keine Rocker. Zu kurz war der Aufschrei der Presse!

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Soweit, so gut. Der Rocker grenzt sich also bewusst von den bürgerliche Normen und gesellschaftlichen Regeln ab. Stellt sich halt an dieser Stelle die Frage, wer stellt solche Normen und Regeln auf. Ja klar, der Staat. Und er tut dieses, damit die Menschen in unserem Land friedlich und ungestört leben können. Da der Rocker sich jedoch nicht bedingungslos an diese Vorgaben halten will, stört er natürlich die vorgegebene gesellschaftliche Grundordnung ganz beträchtlich.
Wäre ja alles nicht so schlimm, wenn diese Typen nicht auch noch nach Außen durch eine Kutte ihren Lebensstil dokumentieren und damit dem Staat den Spiegel vor der das Gesicht halten würden, frei nach dem Motto: Schau her, ich bin anders als Du mich haben willst! Doch dies stellt für einen gut funktionierenden Staat zunächst keine Bedrohung dar. Womit er jedoch ein gewaltiges Problem hat, ist der Umstand, dass sich die Rocker eigene Regeln auferlegt haben. Und nicht nur das, sie organisieren sich mit Gleichgesinnten in Gruppen, geben sich einen Namen und tragen ein Rückenpatch, damit Jeder Ihre Verbundenheit sieht.

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Die Konsequenz

Die persönliche Live-Erfahrung ändert vieles. Oder sieht das nach Angst aus?

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Gesehen bei Bikes, Music & More Vol.4

Das geht dem Staat nun entschieden zu weit. Denn alle Gewalt geht vom Volk aus und der Staat, vertreten durch unsere gewählten Politiker, hat das Monopol auf den Erlass und die Durchsetzung der notwendigen Gesetze zur Stabilisierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die Basis dafür ist unsere Verfassung.

Wie heißt es in Artikel 2 des Grundgesetzes so schön:

„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

So so, in diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden? Jetzt wird unsere Obrigkeit aktiv und lotet alle seine Möglichkeiten aus.
Doch kann der Staat nicht nach Belieben neue Gesetze verabschieden. Dazu bedarf es eines konkreten Anlasses, denn die Gesetzesdurchführung ist i.d.R mit hohen Kosten verbunden und da diese von der Gemeinschaft getragen werden, bedarf es einer breiten Lobby beim Steuerzahler.

Erst die Tat, dann die Strafe

Da kommt es unseren Volksvertretern gerade Recht, dass Rocker in der Regel ihre Probleme untereinander selber regeln, denn aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols darf das bekanntlich nicht sein.
Machen wir uns nichts vor, wenn wir Mist bauen, so müssen wir dafür gerade stehen. Exekutive und Judikative haben die notwendigen Instrumente, um ein Fehlverhalten zu sanktionieren und in aller Regel hat auch keiner der Rocker ein Problem damit, wenn es ihn aus faktischen Gründen und auf der Basis von klaren Beweisen trifft. Er kennt das Risiko!

Um jedoch gegen einen Menschen Ermittlungen einleiten zu können, bedarf es einer konkreten Tat. Es gilt das Prinzip: Erst die Tat, dann die Strafe!
An dieser Stelle haben die Behörden ein Problem und das lässt sie kreativ werden!

Da MC’s unter das Vereinsrecht fallen, reicht die individuelle Tat eines Mitgliedes bei Weitem nicht aus, um ein Verbotsverfahren einzuleiten. Denn der Staat muss nachweisen, dass der Zweck des Vereines ausschließlich darin besteht, durch kriminelle Aktivitäten den Verein aufrecht zu erhalten. Ein Kegelverein wird ja auch nicht einfach so verboten werden, weil ein Vereinsmitglied seiner Alten auf die Birne gehauen hat. Damit sind wir bei § 129 StGB:

Bildung einer kriminellen Vereinigung

„(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Wenn ich im Geschichtsunterricht aufgepasst habe, so basiert dieser Tatbestand auf der Vorgehensweise der Nazis während des dritten Reiches. Ja, ihr habt richtig gehört! Den Faschisten war es daran gelegen, möglichst ohne großen Aufwand, politische Gegner wie zum Beispiel die Kommunisten schlagkräftig attackieren zu können, um Ihre eigenen politischen Ziele auf breiter Ebene schneller durch zu setzen.
Daher reichte seinerzeit die bloße Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen schon aus, um durch dieses Gesetz sanktioniert zu werden.

Na toll, der Staat beruft sich also auf ein System, das unter der Naziherrschaft eingeführt wurde. Unter diesem Aspekt betrachtet, schauen wir uns jetzt mal die derzeitigen polizeilichen Ermittlungsmethoden an. Es ist bekannt, dass die staatlichen Organe mittlerweile Ermittlungen ohne Anlass durchführen.
Das Prinzip: Den Täter haben wir, die Tat müssen wir noch finden.

Das erklärt auch die vielen Durchsuchungen und Kontrollen, die bei genauer Betrachtung der rechtlichen Voraussetzungen in vielen Fällen gesetzwidrig oder zu mindestens äußerst fragwürdig sind.

Handeln mit System?

Wie wir durch den NSA-Skandal wissen, läuft so was global ab, denn auch hier wurden Millionen von Menschen ohne konkreten Grund ausspioniert, um an ihre zum Teil völlig belanglosen Daten heran zu kommen. Die Nummer hat anscheinend System. Seltsam nur, das man in der Rocker-Szene so ziemlich jedem, der vermeintlich was Brisantes vortragen kann, den Zeugenschutz anbietet, jedoch der Blower Edward Snowden, welcher auf breiter Ebene Sympathie und Bewunderung in der Bevölkerung erntet, völlig im Regen stehen lässt. Hat da Jemand Angst um seine billateralen Beziehungen?

Damit wir uns nicht missverstehen, ich ergreife an dieser Stelle keine Partei, für wen auch immer.

Warum der Staat aber immer wieder auf Kronzeugen zurück greift, obwohl hinlänglich im Vorfeld bekannt ist, dass schon deren Vita jegliche Glaubwürdigkeit vermissen lässt und seine Taktik wie eine Seifenblase zerplatzt, erscheint mir vollkommen schleierhaft. Ist es Druck von Oben, aus der Politik oder einfach nur Jagdfieber? Leider sind das Auswüchse der Szene selber, denn irgendwer hat ja die Tür aufgemacht.

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Die damit verbundenen hohen Kosten trägt der Steuerzahler. Das alles kann nur gerechtfertigt werden, wenn man der Öffentlichkeit eine permanente Bedrohungslage suggeriert! Vordergründig hat es der Staat nur auf die großen Clubs wie den Hells Angels MC oder den Bandidos MC abgesehen und man könnte jetzt zur Tagesordnung übergehen, da man ja nicht betroffen ist. Nur was steckt wirklich dahinter?
Bevor diese Frage nicht geklärt ist, sollte sich jeder objektiv damit auseinander setzen.

Populismus liegt mir nicht und wie wir alle wissen ist auch nur ein Teil der Rocker-Szene, insbesondere wenige 1%er-Clubs, davon wirklich betroffen. Ich mache mir lediglich Gedanken darüber, wie es angehen kann, dass für bestimmte Stadtgebiete eine Bannmeile für jeden MC-Member erlassen werden kann, obwohl nur einzelne Rocker anscheinend den Anlass dafür gegeben haben. Klingt doch irgendwie nach Sippenhaft oder? In jedem Fall habe ich keinerlei Verständnis dafür, dass ich an der Pommes-Bude von Kiefert in Bremen am Bahnhof plötzlich von 6 Polizisten völlig grundlos umringt werde. Da müssen die Damen und Herren denn auch schon mal warten, bis ich meine Bratwurst aufgegessen habe. Bevor diese Frage nicht geklärt ist, sollte sich jeder mal damit auseinander setzen.

Nützliche Negativpresse

Pic_148 Den Bürger würde es vermutlich nicht in seinem Sicherheitsgefühl tangieren, gebe es nicht die konsequent negative Berichterstattung in den Medien. Diese ist für den Staat ein absolut notwendiges Instrument, um der Gesellschaft vermitteln zu können, dass Rocker gefährlich sind. Ohne die Presse hätte der Staat kaum eine Option, sein Denken und Handeln zu rechtfertigen. Da die Presse aber gemäß Pressegesetz an eine objektive Berichterstattung gebunden ist, stellt sich die Frage, warum eine ausschließlich negative Dokumentation der Ereignisse stattfindet. Und an dieser Stelle kommen wir zurück zu dem Grundsatz „Bad News are good News“.

Radikale Schlagzeilen erzeugen eine hohe Neugierde beim Leser, die wiederum Auflage schafft. Damit verdienen die Verlage Geld und es ist ja auch Ihre originäre Aufgabe über Missstände zu berichten. Aber dann doch bitte objektiv und genau recherchiert. Stattdessen kommt man sich vor wie in einem Kochkurs. Ein bisschen hiervon, ein wenig davon und schon ist die schmackhafte Suppe fertig, die der Leser nur allzu gerne auslöffelt. Warum nur tut er das? Auch er hat die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu schaffen. Warum höre ich immer wieder, dass wir im persönlichen Umgang ja anders sind, als in der Presse beschrieben?

Ist doch relativ simpel; die Freiheit des Bürgers ist nur eine gefühlte Freiheit, konsequent durch Medien und Staat geschickt manipuliert. Der Bürger schluckt diese Pille bereitwillig. Er ist nicht betroffen und will sich damit auch nicht kritisch auseinander setzen. Ablehnung ist immer einfacher als inhaltliche Auseinandersetzung. Wir Rocker wissen das nur zu gut. Denn auf vielen Sitzungen geht es teilweise verbal heftig zur Sache und wir nehmen uns trotzdem danach in den Arm und rücken die Nummer dann gemeinsam gerade.

Mein Fazit!

In unserem Wertesystem brauchen wir keine Vereine und Interessenvertretungen, um Bedürftigen zu helfen. Wir helfen uns selbst. Jeder hat seinen Platz und jeder hat eine Stimme. Es zählt nur der Mann. Nicht sein Geld, sein Besitz oder seine Herkunft. In die Rocker-Szene wird man nicht hineingeboren, nein, man trifft die eigene Entscheidung sich mit diesen Werten zu identifizieren.  Klar gibt es hier und da andere Motivationen, aber die sind nicht mein Thema.

Damit stellt sich dieser Lebensstil als die eigentlich wahre Demokratie dar. Unsere Regeln haben wir uns selbst geschaffen, sie wurden nicht diktiert. Wenn es bei Euch im Club anders ist, dann läuft etwas schief!

Wir akzeptieren diese Regeln und sind bereit bei Missbrauch unserer eigenen Rules die Strafe zu ertragen. Das gilt aber nur für uns, nicht für die zivile Gesellschaft. Und wir tun dies abgeschottet. Damit sind wir für die Bürger und den Staat unnahbar. Und das macht Ihnen Angst. Sie kommen damit einfach nicht klar.

Im Grunde braucht der Staat die Rocker, um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken und sich ein Alibi für die Ausweitung des Sicherheitsapparates zu geben. Denkt mal an die aktuelle Asyl-Diskussion. Die ist wichtig, aber mittlerweile erscheint mir die Presse eher ein Bedrohungs-Szenario aufzubauen, als die echten Probleme zu erklären. Und die ersten Politiker bezweifeln die Leistungsfähigkeit des Staates.

Die Industrie begrüßt dieses Handeln, denn Sicherheit kostet Geld und bringt Umsatz. Warum liefern wir Panzer in Länder, in denen damit Zivilisten zu Tausenden abgeschlachtet werden. Der Staat weiß dieses und tut es trotzdem. Leute, macht Euch nichts vor; wenn ihr uns mit Respekt und Ehrlichkeit gegenüber tretet, braucht ihr vor uns keine Angst haben. Aber seid ihr selbst, denn durch das permanente Zusammenleben in unserer selbst gewählten Familie durchschauen wir nur allzu schnell, ob es Eure eigenen Gedanken sind oder die ungeprüften Argumente von Staat und Presse, die durch ihr eigenes Fehlverhalten schon längst Ihre Glaubwürdigkeit verloren haben.

Wir wissen, dass auch bei uns nicht alles glatt läuft und daran müssen wir stetig arbeiten. Aber das tun wir in der Regel ohne Zivilisten zu behelligen oder den Staat zu bemühen. Daher sind wir keineswegs eine Bedrohung für die Gesellschaft, höchstens für uns selbst, und haben uns über Jahrzehnte das Recht erworben die Freiheit in unseren Köpfen zu leben. Ich bin gespannt auf die Talk-Runde am 03. Oktober.

„ Wer seine Freiheit gegen Sicherheit eintauscht, verliert am Ende Beides!“

 

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.