Vereinsgesetz: Was tun die MC’s?

In einer ersten gemeinsamen Reaktion haben drei der vier betroffenen Clubs auf den Beschluss des Bundestages zur Verschärfung des Vereinsgesetzes §9 (3) auf Einladung der Bikers News reagiert. Hier daher zunächst der Video-Beitrag:

Die Aussage von Django 1%er ist eindeutig. Man wird Rechtsmitel einlegen und notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Es ist an sich müßig nun darüber zu diskutieren, warum 1%er staatliche Rechtsmittel einsetzen, um sich gegen dieses Gesetz zu stemmen. Was wäre die Alternative? Gegen das Kuttenverbot verstoßen? Ja, das mag aus Sicht mancher Szene-Gänger die notwendige Reaktion eines 1%ers sein, nur wäre das viel zu kurzsichtig gedacht.

Zudem löst es eine Lawine von Strafverfahren aus, die mit Sicherheit allesamt vom Staat durch Urteile abgeschlossen werden, und damit würden die Statistiken der Behörden nur unnötig aufgebläht. Jeder Verstoß wird mit einem Jahr Gefängnis oder einer Geldstrafe geahndet. An dieser Stelle besteht das einzige wirklich wirksame Mittel darin, den Anwälten das Feld zu überlassen. Erste Strafrechtler haben sich bereits zu Wort gemeldet und erhebliche Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit der Gesetzesnovelle ausgedrückt. Ich fühle mich dadurch in meinem bisherigen Rechtsempfinden bestätigt.

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Wo sind die Fakten?

Zunächst einmal muss man den eigenen Blickwinkel schärfen. Es ist unbestritten, dass einzelne Rocker Straftaten begehen. Das leugnen die MC’s auch nicht. Doch auch wenn diese medial eine klare Dominanz ausstrahlen, so sind sie real betrachtet eindeutig in der Minderheit. Der Staat hat mit der StPO sowie dem StGB die erforderlichen Werkzeuge an der Hand, um gemäß der rechtsstaatlich verbindlichen Unschuldsvermutung die notwendigen Beweise für die Schuld zu erbringen.

Über mehrere Dekaden war es der Exekutive trotz größter Anstrengungen bisher nie gelungen, den Beweis für die Bildung einer kriminellen Vereinigung zu führen. Es wird zwar stets von der OK, wenigstens von der Nähe zur Ok gesprochen, aber es fehlen die Beweise und Urteile, die das belegen. Die Gesamtzahl aller individuellen Urteile und Verfahren gegen einzelne Rocker erfüllen diesen Umstand jedenfalls nicht. Es sind immer noch individuelle Handlungen, die individuell abgeurteilt werden müssen.

Somit scheint der Weg über das Vereinsgesetz eine Art Light-Variante im staatlichen Agieren darzustellen. Es ist im Wahljahr 2017 eine willkommende Möglichkeit Stärke gegenüber einem Personenkreis zu zeigen, der ohnehin gesellschaftlich entbehrlich ist. Die erheblichen Bedenken der geladenen Verfassungsrechtler in der von der Linken eingeforderten Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, wurden in der zweiten und dritten Lesung in keinster Weise ausgeräumt. Sie wurden nicht einmal thematisiert.

Es entsteht der Eindruck, dass der Staat sich sehr wohl darüber im klaren ist, dass diese Verschärfung vor den obersten Gerichten nicht standhalten wird. Doch man beschließt die Gesetzesverschärfung trotz aller verfassugsrechtlichen Bedenken anerkannter Rechtsexperten, vermutlich in der Hoffnung, dass sich im Nachhinein Umstände ergeben, die dem Staat neues Futter für die Legimitation der Entscheidung bringen wird oder in einigen Wochen niemand mehr darüber diskutiert.

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Es ist sehr auffällig, dass gerade die Presse sich dieses Themas kaum angenommen hat. Die Presse, die sonst keine Gelegenheit auslässt, die verbale Keule gegen Rocker zu schwingen. Immerhin führt ein Kuttenverbot dazu, dass ihr in der Berichterstattung die symbolträchtigen Bilder genommen werden, wenn Rocker plötzlich ihre Insignien nicht mehr tragen. Wenn jetzt einfach mal alle für einen bestimmten Zeitraum die Bälle flach halten, wird das aber sehr ruhig im Blätterwald. Leider ist damit nicht zwingend zu rechnen.

Es sei denn, das Zusammentreffen der drei großen Clubs ist kein Schaulaufen für die Galerie, sondern ein ernsthafter Versuch, nun endlich gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Passiert das so und ist das Agieren sogar von Erfolg gekrönt, wäre es allerdings absolut dämlich, wenn man danach wieder zur Tagesordnung übergeht, sich den alten Rivalitäten hingibt und damit Politik & Presse neues Futter gibt. Ich rede nicht davon, dass die 1%er plötzlich handzahm werden. Ich rede davon, das man den eigenen Leuten begreiflich macht, dass viele Anlässe unnötig sind und substantiell dem Club dauerhaft nur schaden.

Was bringt das Gesetz?

Bereits in der ersten Lesung wurde von der Fraktion CDU/CSU klar gemacht, dass dieses Kuttenverbot für die innere Sicherheit gar nichts bringt. Kriminelle werden weiter ihren Aktivitäten nachgehen, ob mit oder ohne Kutte. Insofern stellt sich mir die Frage, wie ein Staat auf die erheblichen Bedrohungen durch den internationalen Terror reagieren wird, wenn er Rocker dazu benutzen muss, reine Symbolpolitk zu betreiben.

Wenn selbst erhebliche verfassungsmäßige Bedenken von staatsnahen Rechtsexperten nicht dazu führen, dass der Staat sein Vorhaben überdenkt, dann ist in der Tat damit zu rechnen, dass die Verschärfung des Vereinsgesetzes weitaus mehr bewirken soll, als Rockern ihr Machtpotential zu nehmen.

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.