Da war doch mal was: Der Kronzeuge Steffen R.!

2012 hatten die Aussagen von Steffen R, ehemaliger President der Legion 81 in Kiel, für einen Polizeieinsatz gesorgt, der in dem nördlichsten Bundesland bis dato seinesgleichen sucht. 1.200 Beamte rückten aufgrund seiner Vorwürfe gegen die dortigen Hells Angels aus und nahmen umfangreiche Durchsuchungen vor. Wir erinnern uns in dem Kontext u. a. an den Einsatz der GSG-9 gegen Frank Hanebuth sowie den Belagerungszustand an einer Gewerbehalle, unter der angeblich ein Toter vergraben sein sollte.

Was blieb denn übirg?

Die heutige Bilanz der Strafverfolgungsbehörden fällt absolut katastrophal aus. Denn von den erheblichen Vorwürfen des Steffen R. ist nichts, aber auch rein gar nichts übrig geblieben. Der vermeintliche von Hanebuth in Auftrag gegebene Bombenanschlag wurde längst aufgeklärt, der Täter sitzt im Gefängnis, eine Verbindung zu Hanebuth gibt es nicht. Unter der Halle wurde nichts gefunden. Die Besitzerin erhielt einen hohen Schadenersatz.

Wir wollen jetzt gar nicht anfangen und die damaligen Ereignisse erneut detailliert aufbröseln, nein, der Ansatz ist ein ganz anderer. Wo war die Presse, als klar zu erkennen war, das Steffen R. augenscheinlich aus rein egoistischen Motiven eine Maschine in Gang setze, die in Schleswig-Holstein wie mit einem Breitschwert auf die dortigen Rocker losging und ihre Grundrechte in drastischer Weise einschränkte? Die Antwort ist simpel. Sie fand an sich nicht statt.

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Anfänglich in 2012 noch mit einem Verbalgewitter agierend, entzog sie sich ihrer Verantwortung und ließ die Nummer in der Bedeutungslosigkeit versinken. Ja, es gab hier und da Berichte über Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Steffen R., doch konnte man keinesfalls feststellen, dass die Maßnahmen des Staates in derselben brachialen Form an den Pranger gestellt bzw. wenigstens hinterfragt wurden, wie zum Zeitpunkt direkt nach den Aussagen des Kronzeugen die Hells Angels, obwohl schon im Vorfeld LKA-Berichte massiv gewarnt hatten, dass Steffen R. als absolut unglaubwürdig anzusehen ist. Der vermeintliche Joker hatte jedenfalls ausgespielt.

Mittlerweile stehen hochrangige Beamte unter Beschuss und müssen sich hinsichtlich dubioser Ermittlungsmethoden nicht nur disziplinarisch rechtfertigen. Doch wie man hört, hört man nichts. Der gesamte Vorgang ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Die Presse begleitet dieses ab und an nüchtern und sachlich. Vorverurteilungen, wie bei den Rockern üblich, finden nicht statt. Und genau hier sind wir an dem Punkt. Denn eine solide Berichterstattung sollte die bekannten Fakten dokumentieren, um das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zu füttern, nicht aber, um das Meinungsbild derart zu lenken, dass bereits lange vor Abschluss der Ermittlungen beschuldigte Rocker in eindeutiger Form vorverurteilt werden.

Kiel hat erneut unter Beweis gestellt, dass Rocker der Presse nur zu einem Zweck dienen, nämlich mit spektakulären Headlines die Auflage zu steigern und dem Staat die Steigbügel zu halten, wenn er nahezu getrieben von Übereifer seiner Devise folgt, massiv gegen Rocker vorzugehen. Damit wird uns nicht missverstehen, kommt es zu Vorfällen, so soll und muss Presse berichten, aber nicht vorverurteilend, sondern sachlich und reflektiert. Davon kann allerdings keine Rede sein.

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Doch genauso wie es die Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft ist entlastende Aspekte mit derselben Gründlichkeit zu ermitteln, erwarte ich von Journalisten das sie der Bevölkerung auch alle die Informationen zur Verfügung stellen, die es dem Leser möglich machen, selber Zweifel an den Vorwürfen und Maßnahmen des Staates zu hegen. Leider ein äußerst naiver Gedanke! Denn das findet an sich so nie statt.

In der Rockerszene passieren Dinge, die nicht zu entschuldigen sind. Das ist Fakt. Doch auch wenn Rocker mit ihren individuellen Handlungen die Clubs in ein schlechtes Licht stellen, so gibt es niemandem das Recht, in derart allgemeiner Form eine gesamte Subkultur mit Dreck zu bewerfen und die Öffentlichkeit bewusst und gewollt so zu lenken, dass Feindbilder geschaffen werden. Kiel hat jedenfalls bewiesen, dass jeder Bürger sehr gut beraten ist, sämtliche Pressetexte mit einer entsprechenden Distanz zu konsumieren und sich ggf. besser an den Grundsatz aus dem Strafrecht zu halten, dass jeder solange unschuldig ist, bis ein Gericht ein Urteil spricht. Und das gilt in Deutschland auch für Rocker!

Steigt mal hier ein: https://www.stern.de/panorama/stern-crime/ermittlungen-gegen-die-hells-angels-wie-ein-falscher-zeuge-die-polizei-taeuschte-3159724.html

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.