Das Schellhorn-Interview: Nachgefasst!

In einem Interview mit Regio TV Stuttgart vom 08. Mai hat sich der President der dortigen Hells Angels, Lutz Schellhorn, zu den Aspekten „Rockerähnliche Gruppierungen“ sowie „Sippenhaft“ geäußert. Seit Jahren ist Lutz Schellhorn darum bemüht, mehr Fairniss, Transparenz und Differenzierung in der gesamten Rocker-Debatte zu fordern und ist um eine Korrektur der Wahrnehmung seines MC’s in der Öffentlichkeit bemüht.

In dem Interview teilt der Sender mit, dass die Polizei auf Nachfrage bestätigt hat, dass gegen den HAMC Stuttgart nichts vorliegt. Aber, und diese Aussage ist bezeichnend, das wäre nicht repräsentativ in Bezug auf den gesamten MC in Deutschland. Mit anderen Worten, die Stuttgarter sind die absolut positive Ausnahme, alle anderen Charter müssen negativ betrachtet werden.

Allein diese Zusatzbemerkung ist ein Beleg dafür, dass Rocker, hier die Hells Angels, unter Generalverdacht gestellt werden. Zahlen, Daten und Fakten, die eine derartige Aussage rechtfertigen, werden jedoch nicht vorgelegt. Stattdessen bedient man sich der stets gleichen Rhetorik und schwingt fortwährend den verbalen Hammer, zumeist über die Medien. Eine klar vorgegebene Strategie, nachzulesen im Strategiepapier Rocker.

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Was ist Sippenhaft?

Wikipedia sagt dazu auszugsweise:

Die Sippenhaftung, oft auch Sippenhaft genannt, obwohl es sich nicht notwendigerweise um eine Haft handelt, ist eine Form der Kollektivhaftung. Sie beziechnet das Einstehenmüssen der Familienmitgleider für Taten ihrer Angehörigen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Sippemhaft als Terrormaßnahme gegen politische Gegner und deren Familien angewandt.

Das Rocker individuelle Straftaten begehen, wurde bisher noch nie von einem Mitglied eines MC in Abrede gestellt. Doch Schellhorn liegt völlig richtig, wenn er darauf verweist, dass es in nahezu allen Bereichen derartige Vorfälle gibt. Doch egal, ob in der Poitik, der Wirtschaft, der Kirche oder anderen sozialen Communitys, die kollektive Vereinnahmung alle Mitglieder im Zusammehang mit kriminellen Handlungen Einzelner als Organisierte Kriminalität findet ausschließlich in Bezug auf das Rockertum statt.

Anderer Blickwinkel!

Übertragen wir das doch einmal auf den aktuellen VW-Skandal und gehen davon aus, dass die bisher noch nicht bewiesenen Indizien, tatsächlich zutreffen. Die Zutaten? Ex-Boss Winterkorn wird per Haftbefehl gesucht, zwei führende Manager sitzen bereits in den USA in Haft, gegen weitere Manager wird ermittelt und der Konzern selber hat zugegeben, dass er seine Kunden über Jahre massiv beschissen hat. Und obwohl die gesamte Nummer systematisch abgelaufen ist, rückt niemand in der öffentlichen Debatte den Konzern in die Nähe der Organisierten Kriminalität. Wie nennt man denn den Betrug von Millionen Kunden dann? Kavaliersdelikt?

Würde es so ablaufen wie in Bezug auf das Rockertum, wäre doch nunmehr jeder Mitarbeiter von VW ein potentieller Straftäter, denn er hat die Teile ja auch noch verbaut. Natürlich würde das zu weit gehen, denn es gilt der Individualgrundsatz, der in unserer Republik im Strafrecht oberster Grundsatz ist. Selbstverständlich kommt niemand ernsthaft auf die Idee, den Mitarbeitern am Band vorzuwerfen, dass sie an der Verwirklichung einer Straftat beteiligt gewesen sind, selbst wenn sie das ominöse Teil persönlich verbaut haben.

Stellen wir uns nun weiter vor, statt des VW-Logos würde auf dem Dach der Konzernzentrale der Deadhead prangen. Na, was glaubt ihr, wie der Staat dann agieren würde. Aus vollen Rohren würde man schießen. Die Bevölkerung würde sich massiv entrüsten, denn es ginge ja nunmehr nicht mehr um des Deutschen liebstes Spielzeug, sondern um Rocker, die ohnehin niemand braucht. VW hat die Macht den Staat in Zaum zu halten, die Hells Angels haben sie nicht. Und da Millionen von Arbeitsplätzen an der Nummer dran hängen, kocht man die Suppe halt auf Sparflamme, verbunden mit einer sehr gemäßigten Rhetorik.

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Visionen!

Wenn ich die weiteren Aussagen von Lutz Schellhorn im hinteren Teil des Interviews richtig interpretiere, so zielt er darauf ab, dass der MC transparenter werden sollte, da vom Staat diese Transparenz zur Belegbarkeit seiner Aussagen nicht erwartet werden kann. An dieser Stelle muss man zunächst klar festhalten, dass Schellhorn in diesem Interview seine persönliche Sicht der Dinge als President des Stuttgarter Charters darstellt, er spricht jedoch nicht für den gesamten HAMC Germany. Ich nehme den Faden aber einmal auf.

Die Stigmatisierungwelle läuft konsequent wieter. Für den Staat gibt es keinen Anlass diesen Prozess zu stoppen. Damit einher findet in der Tat eine systemathische Entrechtung der Mitglieder statt. Da Rocker keine Lobby besitzen, gibt es auch niemanden, der dem Einhalt gebietet. Die Presse wäre dazu in der Lage, hat aber kein Interesse an echter Verifizierung. Sie folgt weiter dem Grundsatz „Bad News are good News“! Und leider gibt es durchaus Anlässe, die es der Presse nur allzu leicht machen, dieses Leitmotiv zu unterfüttern.

Verifizierung statt Abschottung?

Vor einigen Jahren habe ich einen Gedanken öffentlich geäußert. Wie wäre es, wenn die im Fokus stehenden MC’s ein Gremium aufbauen, welches konsequent die gesamten Darstellungen aus Politik und Presse auseinander nehmen und verifizieren, ggf. mit wissenschaftlicher Unterstützung. Ok, an dieser Stelle kann man selbstverständlich die Meinung vertreten, dass 1%er als sogeannte Outlaws so etwas nicht brauchen und weiter ihr Ding in der Bruderschaft machen, ohnehin das Selbstverständnis eines Clubs die direkte Kooperation mit einem anderen MC verbietet. Doch in Bezug auf die Aussage Schellhorns hinsichtlich der Entrechtung von Rockern, stellt sich die Frage nach der Alternative.

Gepaart mit gewissen Selbstreinigungsprozessen innerhalb der Clubs, wäre es ggf.einen gemeinsamen Gedankengang wert. Denn trotz alle vermeintlichen Unterschiede im Clubstanding, von Politik und Presse bekommen sie alle auf den Kopf. Ausnahmslos! Und wenn man gemeinsam den Weg nach Karlsruhe geht, um ein gemeinsames Statement abzugeben, dann darf man ja wenigstens einmal darüber gemeinsam nachdenken, ob eine Art Pressegremium Sinn machen würde, welches das leistet, was uns der staat oftmals schuldig bleibt, nämlich Zahlen, Daten und Fakten.

Hier das Interview mit Lutz Schellhorn vom 08. Mai.

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.