Mediales & Rocker: Ein Hoch auf Patricia Schlesinger!

Also irgendwie können wir Patricia Schlesinger ja echt dankbar sein. Seitdem die Intendantin des RBB im Rahmen der Affäre um ihren äußerst dekadenten und verschwenderischen Führungsstil die Brocken hinwarf, vergeht kaum eine Woche, in der insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender nicht unter Beschuss geraten.

Das ist umso erstaunlicher, als dass die Kritik im Wesentlichen an der direkten Einflussnahme der Führungsebenen auf die eigene Berichterstattung festgemacht wird. Und dieses Mal sind es nicht externe Stimmen, sondern Mitarbeiter bzw. freie Journalisten, die von einem regelrechten Filz bzw. einer Art Filtermechanismus in den obersten Chefetagen sprechen.

Kaum ging das Theater los, schoss man aus den Sendeanstalten heraus aus allen Rohren auf Schlesinger, um ja nicht selbst an den Pranger gestellt zu werden. Wie sich zeigte, ging das Kalkül nicht auf, denn mittlerweile melden sich immer mehr Journalisten, die von elemantaren Missständen in den Sendeanstalten berichten und ihre journalistische Freiheit durch ein mehr als poltik-freundliches Manövrieren gefährdet sehen.

Und was hat der Fall Schlesinger mit der Rockerszene zu tun?

Nun, einer der Aufhänger der Kritik durch Journalisten ist die sogenannte Rockeraffäre in Schleswig-Holstein, wobei der Begriff an sich durch die mittlerweile bekannten Umstände persé schon mal völlig falsch gewählt ist, denn letztlich handelt es sich um eine Polizeiaffäre im Zuge von vorherigen Ermittlungen gegen bekannte Rockergrößen.

Erinnert euch in dem Kontext an Steffen R. aus Kiel, damaliger Präsi der Legion 81, der im Rahmen von umfangreichen Ermittlungen gegen Mitglieder der Hells Angels, diese massiv belastete und dem trotz der vorherigen Warnungen anderer LKA’s bezüglich seiner Glaubwürdigkeit die Kronzeugenregelung angeboten wurde, obwohl längst bekannt war, dass dem Mann an sich kein Wort zu glauben ist.

Wie sich durch den späteren Untersuchungsausschuss herausstellte, wurden u. a. Akten manipuliert und sogar entlastende Aspekte unter den Teppich gekehrt, was innerhalb der Polizei zu massiven Auseinandersetzungen der ermittelnden Beamten führte. Bevor noch mehr Porzellan zerbricht, wurden hochgestellte Beamte versetzt und Innenminister Grote nahm letztlich seinen Hut.

Irgendwann kam auch der NDR nicht mehr drumherum, auf diesen Eklat konkreter einzugehen und ein Mitarbeiter wollte den geschassten Grote interviewen. Doch genau das wurde von der Sendeleitung verhindert. Wie bitte? An dieser Stelle muss ein politisches Kalkül unterstellt werden, denn eine Ausweitung der Affäre hätte der CDU im bevorstehenden Wahlkampf massiv geschadet und das geplante Interview mit Grote hätte vermutlich ein politisches Donnerwetter erzeugt.

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Wie ist das alles möglich?

Wir wissen, dass die meisten Sender ihr redaktionelles Futter durch freie Mitarbeiter beziehen. Diese befinden sich in einem krassen Konkurrenzkampf untereinander. Nur, wenn ihre Berichte veröffentlicht werden, bekommen sie ein Honorar. Wer also 10 Berichte einreicht, von denen nur zwei veröffentlicht werden, hat quasi in acht Fällen mit Zitronen gehandelt. Kein Wunder, dass die anfangen nach dem Baukastenprinzip zu agieren, denn Time is Money, und am Ende des Monats soll der Kühlschrank ja auch noch voll sein.

Wenn jetzt also auch noch ein investigativ ausgerichteter Journalist anfängt, die Politik nachhaltig zu kritisieren, läuft er durchaus Gefahr, dass er gar nicht mehr zum Zuge kommt und somit keine Kohle verdient. Das ist der ideale Nährboden für eine Hofberichterstattung. Wirtschaftliche Zwänge werden genutzt, um echten Qualitätsjournalismus zu verhindern. Das ist nicht in allen Fällen der Fall, aber in vielen und wirft einen gigantischen Schatten auf alle Themenfelder.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als sich in Delmenhorst ein Prospect-Charter des Red Devils MC Germany gründete. Die „Delmenhorster Zeitung “ wollte darüber berichten. Aufgrund meiner Kontakte sprach mich der Chefreakteur auf das Thema an und wollte von mir Hintergründe erfahren. Ich sagte ihm, er solle doch mit den Männern selber sprechen und sich direkt im Charter informieren. „Auf gar kein Fall, wer weiß, ob ich da lebend wieder rauskomme“, so seine Antwort.

Mich erzürnte das und ich signalisierte ihm, dass wenn er über das Charter berichtet, womöglich noch auf der bekannten Schiene, ohne auch nur den Versuch einer Kontaktaufnahme unternommen zu haben, die Red Devils nicht sein Problem sein würden. Dabei ging es mir nicht um die Red Devils, sondern um das Prinzip und seine Bereitschaft ein negatives Fass aufzumachen, für das es alleine aufgrund der Neugründung ja gar keine Substanz in Delmenhorst geben könne.

Ihr müsst jetz nicht denken, dass dieses eine Ausnahme ist. Nee, das läuft in vielen Redaktionen so. Praktikanten und Volontäre leisten die Vorarbeit, ein Fulldresser gibt letztlich noch seinen Senf dazu und schwups ist die Story fertig. Der Leser konsumiert es und berauscht sich an der Headline. Und jetzt rechnet das mal auf das gesamte Bundesgebiet hoch.

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Was lernen wir daraus?

Ich habe es in der Vergangenheit immer wieder angemahnt, die Berichterstattung über die Rockerszene zu hinterfragen, sich nicht einfach dem ersten Impuls hinzugeben. Dass nun ausgerechnet der Fall Steffen R. und die nachfolgende Polizeiaffäre in S-H im Kontext zur Kritik an der Einflussnahme der Führungsebenen der Sender eine wichtige Rolle einnimmt, ganz ehrlich, eine gewisse Befriedigung verspüre ich dadurch schon.

Ich denke, dass wir derzeit nur über die Spitze des Eisberges sprechen. Das einige Journalisten überhaupt den Mund aufmachen, sogar die Kontrollgremien anrufen, kann an sich nur das Ergebnis jahrelanger Praxis sein. Anders ist das nicht vorstellbar, denn eine Krähe hackt der anderen bekanntlich nicht die Augen aus. Die müssen ja mal so richtig frustriert sein.

Bisher redet man nur über den ÖRR, bei den Privaten wird das m. E. kaum anders laufen. Da würde mich zum Bespiel interessieren, wie die interne Arbeitsebene von Heuer und Heise aussieht, die ja aktuell im Netz gerade für das Format „Im Verhör“ regelrecht abgefeiert werden. Auch so ein Ding, die schmeißen alle alten Kamellen in einen Topf und rühren die Suppe so lange, bis sie jeder bereitwillig auslöffelt.

Damit wir uns nicht missverstehen. Die Vorfälle in der Rockerszene gibt es und die Presse muss darüber berichten, aber unparteiisch und frei von politischem Kalkül, ausbalanciert und in alle Richtungen. Nur so kann sich der geneigte Leser ein vollständiges Bild machen. Ich bin echt gespannt, wie die Nummer ausgeht. Der RBB und die Affäre Schlesinger sind nur der Anfang. My 5 Cents.

Videobeiträge!

Achtet mal auf die Anzahl der Aufrufe der Kieler Nachrichten zur Polizeiaffäre in S-H und vergleicht das mit den Videos, in denen die Rockerszene unter Bechuss genommen wurde. Das sagt viel aus! Mich interessiert durchaus, wie man Charter- bzw. Chapterverbote auf Basis derartiger Ermittlungen rechtfertigen kann. Ob da wohl nochmals jemand nachfragt?

Zum Fall Schlesinger!

Die Polizeiaffäre!

Bericht: https://bit.ly/3RelMhn

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.