Szene-Talks: Oldschooler!

Gedanken zum Aspekt Back to the Roots!

Redakteur Dr. Michael Ahlsdorf hat vor kurzen auf der Online-Plattform der Bikers News einen Bericht zum Thema Back to the Roots veröffentlicht. Ich habe mir das Teil reingezogen und festgestellt, dass es zu den immer wieder gleichen Kommentaren führte. Daher gebe ich auch mal meinen Senf dazu.

Persönliche Gedanken!

Halten wir zunächst einmal fest, dass ich mich selber trotz meiner 52 Lenze keinesfalls als Oldschooler bezeichnen würde. Ich bin nämlich erst mit 39 Jahren in die Rocker-Szene eingestiegen und glaubt mir, ich hatte null Ahnung. Ebenso wenig kann ich mit dem Begriff Young- oder New School etwas anfangen. Ich frage mich ohnehin immer, woher die vielen User wissen, wie es früher war. 40 Jahre und nen Keks und sie reden von den guten alten Zeiten. Wann waren die noch? Doch wohl eher in den 60ern und 70ern, der Zeit, in der sich die deutsche Rocker-Kultur entwickelt und geformt hat.

Die sogenannten alten Werte sind an sich auch heute noch die selben. Respekt, Ehre, Brüderlichkeit, all das zählt immer noch für den Großteil der jetzigen Club-Rocker. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass eine Membership heutzutage vermehrt von Männern aus anderen Motiven angestrebt wird. Sie sehen in der Szene tatsächlich die Chance auf ein besseres Leben. Besser im Sinne von Ansehen, Macht oder auch Kapital. Die entsprechenden Wechselwirkungen gehen damit dann einher.

Selbstverständlich kollidieren derartige Motive mit den Grundwerten eines MC, die sich seinerzeit auf breiter Front entwickelt haben. Schließlich basieren sie nicht auf dem Interesse der ganzen Gruppe als motorrad-fahrende Rebellen, sondern dem des Einzelnen und führen zu einem egoistischen Agieren innerhalb der Gruppe und nach Außen. Finde ich das ok? Keinesfalls! Doch wollen wir mal bitte nicht zu tun, als wenn es früher keine Member gab, die zum Erlangen des Presidenten-Amtes nicht über Leichen gegangen sind, die keine Querköpfe rausgekelt haben, wenn diese ihnen lästig waren. Rocker-Mobbing gab es schon immer.

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Ebenso wenig war es früher ruhiger. Ich würde sogar behaupten, dass es öfters als heute in einigen Festzelten derbe geknallt hat. Und schon damals wurde das ein oder andere Match mit dem großen Besteck ausgefochten. Nur hat das die Szene nie verlassen und die Dinge wurden meisten lokal und direkt geklärt. Zudem musste man erst einmal die Telefonkette starten, damit alle Member darüber informiert sind, was tatsächlich passiert ist. Heute wandert sowas in die Whats App-Gruppe, alle gehen in Lauerstellung, und irgendwo in der Repbulik fühlt sich ggf. ein Mann eines MC dazu berufen, sofort eine Aktion zu starten, anstatt die echten Fakten abzuwarten.

Und an dieser Stelle kommen die Medien ins Spiel. Früher hat es keine Sau außerhalb der Szene interessiert, wenn die Bones oder die gelben Ghostrider irgendwo die Sau rausgelassen haben. Heute läuft die Presse-Maschine an und bombadiert uns mit Headlines. Da auch wir diese lesen, wird unser Unterbewusstsein dezidiert gesteuert. Viele glauben plötzlich, alles ist scheiße. Und natürlich wird es von der Szene öffentlich diskutiert. Jeder redet mit, ob er nun Ahnung hat oder nicht. Und das prägt die Wahrnehmung erheblich.

Genau aus diesem Grund übernehme ich nicht die Bad News aus dem Mainstream und verzichte damit auf potentielle Leser. Denn wie bitte soll man in einem permanent negativen Umfeld die positiven Aspekte unserer Szene darstellen. Never ever kann das gelingen! Also überlasse ich das anderen, die dann aber auch das Problem haben, sich ggf. damit zu widersprechen und heftig angegangen werden.. Zudem sehe ich es überhaupt nicht ein mir mein eigenes Rockerleben zu versauen. Lieber mache ich einen Südtour und besuche etliche Clubs und komme mit einem Sack voller Impressionen nach Hause, die zwar nicht spektakulär, aber für mich sinnfüllend sind.

Knarren und anderes Gedöns!

Natürlich ist es absolut verwerflich, dass scharfe Waffen offen eingesetzt werden, gar in der Öffentlichkeit, aber es sind und bleiben die Taten Einzelner und sind keinesfalls symbolisch für die gesamte Szene. So wie früher wird es allerdings nie wieder sein, wo es die Zivilgesellschaft nicht erfuhr, weil die Verlage sich eher um die RAFs oder andere Themen gekümmert haben. Heute sind Rocker zu einem Instrument der Verkaufsförderung mutiert. Da haben sich die Zeiten total geändert, damit die Einflüsse auf uns alle. Und wer die Anlässe setzt, muss die Konsequenzen ertragen.

Vergessen wir auch bitte nicht die völlig unterschiedlichen sozio-kulturellen Entwicklungen in der Gesellschaft, in die wir alle hinein geboren werden und in der jeder von uns etliche Stationen durchläuft, in denen er nach den vorgegebenen Normen erzogen wird, bis man merkt, dass der Drang nach Freiheit so stark ist, dass wir ausbrechen. Diese Einflüsse haben sich erheblich geändert, insofern ist das defintiv ein Aspekt, der automatisch Leute hervor bringt, die ganz anders geprägt sind und völlig anders auftreten.

Ich könnte das Teil hier unendlich weiter fortführen, führt aber zu keinen wirklich neuen Erkenntnissen. Der Beitrag soll auch lediglich dazu anregen, die Dinge mehr zu verifizieren, als immer wieder impulsartig und ohne Nachdenken zu agieren. Durch meine Tätigkeit lerne ich viele Rocker und auch jene kennen, die nur so tun als seinen sie Rocker, die nicht einmal im eigenen Kiez die Clubs kennen. Die hängen dann gelegentlich auf kleineren Partys rum und skandieren auf Facebook das große Brothers United, nennen einen plötzlich Brother, nur weil sie Moped fahren.

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Mein Fazit!

Alles was es heute gibt, gab es schon damals. Den Unterschied machen die Medien und spürbar mehr Männer, die sich eine goldene Nase verdienen wollen und denen es anscheinend scheißegal ist, ob einer für immer liegen bleibt. Und an dieser Stelle sind alle Clubs gefordert, sich auf das zu besinnen, was eine echte Bruderschaft ausmacht. Alle müssen gleich sein, jeder verdient sich seinen Respekt durch sein Handeln für die Gemeinschaft. Jeder Club muss ein regides Auswahlverfahren durchführen, denn niemand darf vorzeitig zum Member ernannt werden, nur weil er eine dicke Brieftasche oder schnelle Fäuste einbringt. Soll er doch ein Jahr länger laufen. Shit Happens! Wenn es ihm um das Forever geht, dann wird er es tun.

Wir diskutieren ständig in einem sinnfreien Raum. Leute, heute schreiben wir das Jahr 2017. Niemand dreht das Rad zurück. Alles verändert sich ständig und schneller. Mir gefallen die Schlagzeilen nicht, mir gefällt es nicht, wenn junge Member Altgedienten dämlich kommen, wenn sie Respekt einfordern, aber selber nicht geben, aber diese andauernde Back to the Roots-Diskussion bringt uns nicht weiter. In zu vielen Fällen wird sie theoretisch geführt. Statt im Netz zu diskutieren, fahrt in die Clubhäuser und redet wieder miteinander, denn das war früher wirklich besser.

In dem Film „The Last Samurai“ sagt der Samurai zu dem US-Soldaten vor dem finalen Kampf: „Dieses ist das Schwert des Mannes, der die neuen und die alten Werte vereint!“ Das gefällt mir. Insofern sprechen wir doch öfters mal über das, was uns eint und nicht nur über die Trennungslinien. Der Staat schränkt alles und jeden immer stärker ein. Deshalb rede ich auch mit Leuten von den großen Clubs, obwohl ich viele Vorgänge dort echt nicht verstehe. Aber wenn ich deswegen mich nicht gegen das verschärfte Vereinsgesetz stelle, muss ich mich echt fragen, was meine Freiheit noch wert ist, wenn ich durch Nichtstun dieses akzeptiere. Aber, was weiß ich schon.

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.