Sind wir übersättigt?
In meinem Kiez lese ich immer wieder Post nach dem Motto „Danke für die Gastfreundschaft, wir hatten viel Spaß und viele gute Gespräche!“ Super, wenn es so war, aber dann erkläre mir doch mal bitte jemand, warum etliche Szenegänger mittlerweile schon vor 23 Uhr den Heimweg antreten. Ich bin auch nicht mehr auf dem Level, dass ich jede Party bis in den frühen Morgen hinein rocken kann, aber aktuell scheint es so zu sein, das viele abhauen, wo man früher erst anfing.
Ich mag ja die Geisterstunde, dass ist die Zeit so ab Mitternacht, wo man am Tresen auch mal Gespräche führt, die über Gefälligkeitstalks hinausgehen. Zugegeben, nicht immer relaxt, denn durch zunehmenden Alkoholkonsum verändert sich bekanntlich bei einigen die Stimmungslage, aber diese Gespräche sind in der Regel authentischer und man stellt oftmals erst echte Gemeinsamkeiten im Lifestyle und den Szeneansichten fest. Man kommt sich ganz anders näher. Es hat oft mehr Tiefe. Die Geisterstunde mit einem vollbelagertem Tresen ist mittlerweile allerdings m. E. die Ausnahme!
Liegt es nun an einer Art Clubhopping, an dem Alterungsprozess vieler Szenegänger und/oder haben sich etliche bereits selber konditioniert und treten nach dem zweiten Blick auf die Uhr reflexartig den Heimweg an? Keine Ahnung! Ich selber bin ja nun mit dem Chapter und für mein Business auch zu weiter entfernteren Clubs und Bikertreffs unterwegs, Touren mit 300 KM und deutlich mehr finden regelmäßig statt, aber ich mag mir nicht vorstellen, dass ich mir solche Ritts gebe, um dann vor Ort nach zwei Stunden ins Hotel zu fahren, dafür dann noch 150 Tacken für das Zimmer. Verpflegung und Sprit zu berappen.
Unter dem Strich ist das m. E. eine unheilvolle Entwicklung, denn es wird dazu führen, dass die Partys nur noch schwerlich den Break Even Point erreichen, geschweige denn ein Plus einfahren. Ich bin mir sicher, dass einige sich das bereits heute schön reden, um das Image zu wahren. Motto? „Es war total geil mit euch. Eine super Party!“ Zu den Membern sagt man dann, bringt wegen dem Minus mal zur nächsten Sitzung jeder 100 Euro mit. Klar kann die Party atmosphärisch dennoch top gewesen sein, aber es sollte monetär die Ausnahme bleiben.
Was daraus folgt, kann sich jeder denken. Die Ausnahme könnte zur Regel werden. Und wenn das passiert, wird es irgendwann eng. Bands werden nicht mehr gebucht, über Veranstaltungstechnik brauchen wir erst gar nicht sprechen, der Getränkepartner mosert wegen der geringen Bestellmengen rum, neue Gäste sieht man immer seltener, und und und. Aber hey, fasst das bitte nicht als Kritik auf, sondern einfach als Anregung dafür mal darüber nachzudenken, vor allem dann, wenn ihr euch an sich nur in einem lokalen Umfeld bewegt und das eigene Bett gerade mal 50 KM entfernt steht.
Wenn auf den Bikerpartys zukünftig sehr früh mehr als die Hälfte der Leute abhauen, dann stimmt etwas nicht. Und glaubt mir, den Umstand „Wir kommen und gehen zusammen“ sowie szenepolitische Aspekte habe ich bei all dem eingepreist. Meinungen dazu?