Szenegesichter: Lars Böhler von der Initiative Schräglagenfreiheit!

Der Protest gegen die Forderung nach einem temporären Fahrverbot sowie gegen weitere Streckensperrungen befindet sich quasi im Winterschlaf. Klar, die Saison ist vorbei, viele Böcke stehen in der Garage. Das bedeutet aber keinesfalls, dass die Basisarbeit ruht. Im Gegenteil, gerade jetzt muss sie aufrecht erhalten werden, denn spätestens mit dem Start der Motorradsaison 2022 wird das Thema wieder ganz klar an Dynamik gewinnen.

Etliche Biker haben den Protest bisher unterstützt, sind auf die Demos gefahren. Manche ermüden langsam, andere bleiben stabil und werden auch in Zukunft die Bemühungen der Protestbewegung unterstützen. Letzteres ist absolut notwendig. Doch Demos verlieren schnell ihre Wirkung. Ohne eine fundierte Basisarbeit geht es nicht.

Einer derer, die sich voll reinhängen, mir persönlich durch sehr gute Kommentare immer wieder positiv auffiel, ist Lars Böhler von der Initiative Schräglagenfreiheit. Damit er auch einem breiteren Publikum in der Bikerzene bekannt wird, habe ich ihn interviewt. Hier das nicht redigierte Ergebnis.

Lars Böhler während seiner Rede auf einer Motorraddemo der BU in Berlin.

Das Interview!

1. Lars, seit wann fährst du Karre und mit welchem Bike bist du aktuell unterwegs?

Los ging es 1987 auf meinem SR4-1 „Spatz“, Baujahr 1964, den mir mein Opa schenkte und der heute noch neben anderen Schmuckstücken in der Garage steht. Mein erstes „richtiges“ Moped war eine Kawasaki GPZ 900 R. Seit 2009 hängt mein Herz an meiner BMW K1300S, die mich seit mittlerweile 135.000 km durch Europa trägt. Es ist Liebe auch auf den 1.000-sten Blick.

2. Wo trifft man dich in der Szene an, wenn Du on Tour bist?


Als leidenschaftlichen Tourenfahrer zieht es mich oft weiter weg. In diesem Jahr war es Sardinien. Die Pyrenäen, die Dolomiten, die französischen Alpen…einfach magisch. Wenn ich in der Heimatregion unterwegs bin, gehören die umliegenden Bikertreffs wie die Spinnerbrücke, Die Scheune, 45 über Null, Märkisches Buffet, Tequila Drive, um nur einige zu nennen, ebenso zu meinen Zielen, wie die zahlreichen Badeseen und Eiscafés. Das Berliner Umland hat einige tolle Strecken und Ausflugsziele zu bieten. Insbesondere wenn es um die Akquise, Gespräche mit anderen Bikern oder die Mobilisierung für Veranstaltungen geht, sind die vorgenannten Treffs unsere Anlaufstellen.

Derartige Schilder haben Lars Böhler angefixt und aktiv werden lassen!

3. Lars, Du engagierst dich außerordentlich stark in der Initiative Schräglagenfreiheit. Was hat seinerzeit den Ausschlag dazu gegeben?

Der immer wieder unschöne Moment, auf einer Tour vor einem Schild zu stehen, welches mir als Motorradfahrer die Durchfahrt verwehrt, ärgert mich, seit ich mit dem Bike unterwegs bin. Auch die Stigmatisierung der Motorradfahrer mochte ich noch nie einfach hinnehmen. Alle Diskussionen zu diesen Themen fanden jedoch immer nur im kleinen Kreis und oft unter Gleichgesinnten statt, einen tatsächlichen Beitrag zur Änderung der Situation leistete ich nicht. Die Entscheidung, wirklich aktiv zu werden, fiel auf einer Tour durch den Harz im Mai 2020. Seinerzeit gab die Bundesratsinitiative zur Drucksache 125/20 den Startschuss zur medialen Hetzjagd auf die Motorradgemeinde in
Deutschland. Die Tatsache, dass sich die Vertreter der Bundesländer mit 13 Ja-Stimmen bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung hinter ein solch unsägliches und in meinen Augen teils rechtswidriges Papier stellen, machte uns fassungslos. Mit heruntergefallenen Kinnladen lauschten wir mit unseren Drinks in der Hand Lutz, einem Mitbegründer der Schräglagenfreiheit, der einen langen Artikel zum Antrag auf Entschließung des Bundesrates und zum Forderungskatalog vorlas. Noch auf dem Balkon unserer Unterkunft beschlossen wir, nach unserer Rückkehr mit der Arbeit zu beginnen.

 

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4. Wo steht die Motorradszene heute in ihrem gemeinsamen Protest?

Ich sehe uns ganz am Anfang. Es ist bisher nur einem kleinen Teil bewusst, dass kollektive Bestrafungen und angestrebte Fahrverbote jeden betreffen, der ein Motorrad, aus welchem Grund auch immer, bewegt. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um den Gelegenheitsfahrer, der zwischen zwei Hauptuntersuchungen keine ganze Tankfüllung benötigt, den Berufspendler, der sein Motorrad für den Arbeitsweg nutzt oder den Vielfahrer, der jede freie Minute auf seinem Bike verbringen mag, handelt. Alle sind betroffen! Das oft gehörte Argument „Kriegen die eh ́nicht durch“ ist mir zu dünn. Die Aussage „Fahre ich halt woanders lang“ kommt einer Kapitulation gleich. Unsere klare Botschaft
lautet: „Wir fahren Motorrad.“ Das Einhalten von Regeln und Gesetzen ist auf dem Bike dabei ebenso erforderlich, wie in allen anderen Lebensbereichen. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bin mir sicher die Bestrebungen, Fahrverbote für Motorräder durchzusetzen, werden zunehmen. Aktionen wie am Feldberg / Taunus sind Testballons. Keine wirkliche Gegenwehr? Na bitte! Je schneller das Bewusstsein reift, dass wir mit einer Stimme sprechen müssen, desto größer wird unsere Chance auf politisches Gehör. Ich bin aber zuversichtlich, denn die Aktivisten finden und die Reihen schließen sich.

Lars seine erste und zweite Liebe auf zwei Rädern.

5. Schräglagenfreiheit ist Mitglied in der Kampagne Hochschalten – Dialog statt Verbot. Wie steht es denn derzeit um den Dialog mit den Befürwortern von Fahrverboten und Streckensperrungen. Läuft da was oder sind die Fronten total verhärtet?

Das ist sehr unterschiedlich. Wir hatten im Oktober ein persönliches Treffen mit Mitgliedern des Vereins „Motorradlärm Weserbergland e.V.“. Jule, Tom und ich wurden dort sehr offen empfangen und durften unsere Mopeds sogar auf dem Grundstück parken. Das fast dreistündige Gespräch verlief trotz aller inhaltlichen Differenzen respektvoll und lösungsorientiert. Für das Frühjahr 2022 haben wir einen gemeinsamen Aktionstag an einer der betroffenen Strecken in Planung. In diesem Rahmen sollen Anwohner und Biker zusammengeführt werden und in den Dialog kommen. Der Name der Kampagne wird auch das Programm sein. Anderenorts verweigert man den Dialog mit uns vollständig. Aus dem Hause Silent Rider beispielsweise kommt gar keine Reaktion auf unser
Dialogangebot, aus Baden-Württemberg hören wir gar, es sei genug geredet worden. Die Interpretation dieser Aussage überlassen wir jedem selbst.

Die Initiative Schräglagenfreiheit von Lars Böhler ist Mitglied der Kampagne Hochschalten – Dialog statt Verbot!



6. Wie bewertest Du die gemeinsame Arbeit innerhalb der Kampagne Hochschalten – Dialog statt Verbot?


Die Kampagne ist eine extreme Triebfeder für mich. Sie führt Erfahrung, verkehrspolitische Expertise, Szenekenntnisse, alte Haudegen und frische Ideen, Oldschool und Socialmedia zusammen. Ich schätze die Streitkultur innerhalb der Gruppe. Wir können uns die Meinung geigen, ohne dass jemand beleidigt den Saal verlässt und richten den Blick anschließend wieder auf das Wesentliche. Die Meetings laufen professionell ab, die Aufgabenverteilung ist klar und mit Fristen unterlegt, das mag ich. So unterschiedlich und vielfältig die Motorradgemeinde ist, sind es auch die Köpfe und Charaktere der Kampagne. Das ermöglicht verschiedene Blickwinkel und verhindert Einseitigkeit. Jede beteiligte Organisation bleibt absolut eigenständig, alle Kampagneninhalte werden abgestimmt.

7. Mit welchem Argument trittst du Leuten gegenüber, die immer wieder auf die vergangenen Querelen hinweisen?


Die Querelen der Vergangenheit kenne ich nur aus Erzählungen. Ich sehe sie insofern als Chance, die gleichen Fehler, die seinerzeit ursächlich waren, nicht zu wiederholen. Wir werden den Gegnern des motorisierten Zweirades nicht den Gefallen tun, uns selbst mit dem Zwist der Vergangenheit den Weg in die Zukunft zu verbauen.

Zur Basisarbeit gehört natürlich auch die Aquise bei den Bikertreffs und das Verteilen von Flyern.


8. Was erwartest Du in 2022?

Viel Arbeit und darauf freue ich mich. Wie sich der Kontakt zum neu besetzten BMVI, oder besser BMDV gestaltet, wird sich zeigen. In jedem Fall werden wir proaktiv den Kontakt suchen. Welchen konkreten Handlungsbedarf es im neuen Jahr geben wird, lässt sich aktuell nur erahnen. Ich gehe davon aus, dass die Rufe nach Sperrungen bestimmter Strecken und temporären Fahrverboten nur für Motorräder eher lauter als leiser werden. Von der Motorradfamilie erwarte ich und wünsche mir das Zurückstellen persönlicher Animositäten, die Einsicht, dass wir nur zusammen etwas für uns alle erreichen und dass es uns gelingt, den positiven Trend des Jahres 2021, in der Sache
gemeinschaftlich zu agieren, fortzusetzen und zu verstärken.

9. Was denkst Du über Clubbiker?

Ich möchte voranstellen, dass sich meine MC-Szenekenntnisse gegen Null bewegen. Das kleine 1×1, sozusagen das Basiswissen, möchte, muss und werde ich mir aneignen. Erstklassige Nachhilfe bekomme ich diesbezüglich von Mitstreitern der Kampagne, die zu Teilen über exzellentes Wissen um die Szene verfügen bzw. selbst aktiv sind. Deine Frage ist aber nicht, was ich über sie weiß, sondern was ich über sie denke. Meine Gedanken sind pragmatischer Natur. Jeder Clubbiker ist ein Motorradfahrer und gehört somit zur Community, deren Rechte ich verteidige. Das Miteinander in einem MC stelle ich mir klar strukturiert, von Loyalität, Respekt und Zusammenhalt geprägt vor. Eigenschaften, die der gesamten Motorradgemeinde gut zu Gesicht stünden. Zudem gehe ich von einem erheblichen Mobilisierungspotential innerhalb der Szene aus, was für zukünftige, möglicherweise erforderliche Protestaktionen von großem Wert ist. Das Öffnen der Türen, wie am 11.09.21 in Berlin, halte ich für ein starkes Signal der Bereitschaft zum gemeinschaftlichen Handeln und für ein probates Mittel zur notwendigen Minimierung medial erzeugter Vorbehalte.

Trotz allem Nerv wirkt Lars hier ja doch recht entspannt.

10. Glaubst Du ernsthaft, dass man das Ruder rumreißen kann, oder werden wir von der Politik fallen gelassen?

Das liegt zu großen Teilen an uns selbst. Meines Erachtens ist es der falsche Ansatz, darauf zu hoffen, dass sich Politiker für uns stark machen. Bis auf wenige Ausnahmen interessieren sich Politiker in erster Linie für sich selbst und ihre Position. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass Motorräder auch in Zukunft fester Bestandteil des Individualverkehrs bleiben. Schuldzuweisungen innerhalb der Community oder der Zeigefinger auf die Auto-Tuningszene helfen uns nicht. Werden die Verbotsexperimente an uns Bikern salonfähig, trifft es morgen Sportboote, Wohnmobile, Oldtimer oder Einfamilienhäuser. Die Fantasie der Verbotsideologen ist grenzenlos, dessen bin ich mir sicher. Das Strategiepapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Motorrad liefert viele gute Argumente pro Motorrad. Es muss uns gelingen, nicht nur politisches Gehör, sondern auch Beachtung zu finden. Mit Selbstzerfleischung gelingt uns das nicht, mit Beharrlichkeit und Fleiß schon. (Ende Mailinterview)

Das Bild steht durchaus symbolhaft. Dialogbereitschaft wird von einigen als Schwäche ausgelegt. Doch was ist die Alternative?



Anmerkungen!

Ich kenne die Statements im Netz, in denen einige Szenegänger den Machern, Lars Böhler gehört definitiv dazu, quasi unreflektiert der Stallgeruch abgesprochen und/oder deren Vorgehensweise immer wieder kritisiert wird. Meistens passiert das unreflektiert und ohne jede fundierte Sachkenntnis. Biker hauen halt gerne mal einen raus. Der Basisarbeit hilft das nicht, im Gegenteil, die andere Seite schaut sich das und lacht sich einen ins Fäustchen.

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Leute, die sind insgesamt nicht so gut strukturiert, wie es oftmals erscheint. Ok, die politische Agenda unterstützt deren Kurs, aber es gibt keinerlei Grund davor einzuknicken. Deshalb braucht es die Demos, zumal diese der äußerst intensiven Basisarbeit von Lars und den anderen Machern eine Wertschätzung und Rückenwind verleihen. Ob mich eine 300 KM lange Tagestour zu einem Bkikertreff oder zu einer Demo führt, letztlich ist es doch egal, man fährt halt 300 KM und man kann beides verbinden.

Ich werde, sofern gewünscht, zukünftig alle unter dem Dach von Hochschalten – Dialog statt Verbot vorstellen. Sie haben es verdient. Deren Arbeit ist nämlich letztlich unser Fundament! Dabei stelle ich meine persönlichen Vorbehalte zur Seite, denn das oberste Ziel ist es, sich auch fortan gegen diese unsägliche Stigmatisierung und die Sippenhaft für alle Motorradfahrer zur Wehr zu setzen.

Was ihr macht, ist letztlich euer Ding. Ab auf die Page von Schräglagenfreiheit: https://www.facebook.com/search/top/?q=schr%C3%A4glagenfreiheit

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.