Das Dilemma mit den Kronzeugen

Pleiten, Pech und Pannen!

Der Einsatz von Kronzeugen ist in Deutschland in der sogenannten Kronzeugenregelung geregelt. Zur Bekämpfung organisierter Kriminalität wurde unter der Regierung von Helmut Kohl durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten vom 9. Juni 1989 eine zeitlich befristete Kronzeugenregelung in das Strafgesetzbuch aufgenommen.

Diese Regelung wurde mehrfach verlängert. Nach Übernahme der Regierung durch eine Koalition aus SPD und Grünen unter Gerhard Schröder endete diese Regelung zum 31. Dezember 1999 aus. Lange Zeit passierte nichts. Nach den schrecklichen Terroranschlägen am 11. September 2001 in New York wurde die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung durch die damalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin vorgeschlagen. Dies scheiterte jedoch an der konsequenten Ablehnung durch die Fraktion der Grünen.

Unter der Koalitionsregierung aus CDU und SPD wurde eine neue Kronzeugenregelung verabschiedet, die zum 1. September 2009 in Kraft trat. Der neue § 46b StGB ermöglicht es den Strafgerichten, wenn ein Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung aufgedeckt werden konnte oder freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann, die Strafe zu mildern oder ganz von Strafe abzusehen, sofern das Hauptverfahren noch nicht eröffnet worden ist.

Fragwürdige Kronzeugen?

Wie wir ja nun alle hinlänglich mitbekommen haben, muss der Einsatz von Kronzeugen als äußerst bedenklich angesehen werden. In vielen Fällen berichten die Protagonisten den Ermittlungsbehörden alles, nur um Ihre eigene Haut zu retten. Hier geht es in den meisten Fällen doch nicht darum, dass Jemand tatsächlich geläutert ist oder plötzlich eine völlig neue Auffassung der Ereignisse gewinnt.

Bekanntestes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist Steffen R. Der ehemalige Präsident der Legion 81 hat verschiedene Mitgieder der Hells Angels derart belastet, dass dieses zu massiven polizeilichen Aktionen kam. So massiv, wie es in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein wohl einmalig sein dürfte. Durchsuchungen, Razzien, Festnahmen, nicht zuletzt die konstertierte Aktion, die zum kompletten Abriss einer Lagerhalle führte.

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Grundsätzlich müssen die Ermittlungsbehörden allen Informationen die zur Aufklärung einer Straftat führen nachgehen, Das ist ihr gesetzlicher Auftrag. Es darf jedoch die Frage erlaubt sein, ob die Informationen, die derartige Aktionen auslösen, einen zumindestens latenten realen Wahrheitsgehalt besitzen oder von vorneherein nicht schon als reines Hirnkonstrukt des vermeintlichen Kronzeugen angesehen werden müssen. In diesem konkreten Fall muss Letzteres eindeutig bejaht werden. Die Vita des Steffen R. ist gespickt mit strafbaren Handlungen. Etliche LKA’s haben schriftlich und eindringlich andere Dienststellen über den Einsatz dieses Mannes weit im Vorfeld gewarnt. Denn Kiel war ja nicht der erste Versuch von Steffen R, durch vermeintliche Kennntisse von Straftaten und Handlungen, den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Die Pleite!

Der Tatvorwurf Mord erhält in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht, da die schwere der Tat auch einen direkten Einfluss auf die strafprozessualen Maßnahmen nach sich zieht. Auch ein Staatsanwalt muss genau abwägen, ob der Einsatz der Mittel verhältnissmäßig ist. Bei dem Vorwurf Diebstahl wäre dies garantiert nicht der Fall. Immerhin greifen die Ermttlungsbehörden massiv in die Grundrechte ein.

Nun, man hat keine Leiche gefunden und das Land Schleswig Holstein wird dafür bezahlen müssen. Somit triffst es den Steuerzahler. Einzig die Höhe der Entschädigung steht noch nicht fest. Da dieser Fall so gravierend ist, hat es mittlerweile auch den Bund der Steuerzahler auf den Plan gerufen, die Ereignisse genauestens zu recherchieren. Denn wir reden hier nicht über Peanuts. Ich bin mir sicher, dass dieser und auch andere Fälle zu dem geführt haben, was erst vor Kurzen unbemerkt von der Öffentlichkeit vom Gesetztgeber verabschiedet wurde.

Der Staat rudert zurück!

Am 3. Mai 2013 hat nämlich der Bundesrat einen Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Eingrenzung der Kronzeugenregelung gebilligt, mit dem die Straferleichterung wieder auf ein rechtsstaatlich vertretbares Maß reduziert wird. In Zukunft muss eine Verbindung zwischen der Straftat, die der Kronzeuge begangen hat, und der Straftat, über die er Informationen weitergibt, bestehen, um einen Straferlass zu erhalten. Durch die Neuregelung wird das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat gestärkt.

Mit diesem Beschluss gibt der Staat zu, dass es im Vorfeld an sich kein rechtsstaatlich vertretbares Maß gegeben hat. Oder interpretiere ich das nun falsch?

Das klingt für mich so, als wenn der Staat zurück rudert. Zur Erinnerung: Steffen R. hatte mit dem vermeintlichen Mord nichts zu tun und er bezog sich auf Hörensagen. Er gab vor, einige Member der Hells Angels hätten mit ihm darüber gesprochen. Ach nee! Auf der andere Seite wurde ihm ein Straferlass für seine eigenen strafbaren Handlungen in Aussicht gestellt, die zumindestens durch seine Selbstanzeige hinlänglich bewiesen sein dürften. Dadurch hat er sich natürlich total in die Hände der Polizei begeben. Wenn dieses Verhalten noch mit einem gewissen Überschuss an Narzismuss in Verbindung steht, so wundert mich gar nichts mehr.

Jagdtrieb!

Der Jagdtrieb der Ermittler liess dennoch keine Zweifel zu. Unter dem Strich haben sich alle Mitwirkenden auf staatlicher Ebene zum absoluten Deppen gemacht. Ergo kommt der neue Beschluss im Bundesrat keineswegs überraschend. Doch auch unabhängig davon muss abschließend festgestellt werden, dass die Voraussetzungen zur Anwendung der Kronzeugenregelung im Falle von Steffen R. aus Sicht etlicher Rechtsgelehrten gar nicht vorhanden waren. Wenn sich dieses bestätigt, so sprechen wir ganz klar von einem weiteren schweren Missbrauch der Rechtsinstrumente und einem illegalen Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Betroffenen.

Fazit

Wie ihr bemerkt, spielen die konkreten Tatvorwürfe hier keine Rolle. Es geht ausschließlich um die Anwendung staatlicher Gewaltmittel auf Basis von absolut fragwürdigen Informationen, die bei genauer Betrachtung der Sachlage und bei strikter Anwendung der Rechtsmittel so nie hätten passieren dürfen. Ich möchte erreichen, dass der Unbeteiligte sich darüber im Klaren ist, dass falsche polizeiliche Maßnahmen keineswegs ein Kavaliersdelikt darstellen, sondern in vielen Fällen gravierende Verstöße gegen die Rechtsnormen sind. Verstöße, die der Staat den Rockern unterstellt und selber begeht.

Müssen wir das in Kauf nehmen? Wird dadurch das Sicherheitsgefühl der Bürger gestärkt?

Hier nun ein Video-Report von Panorama, der die Vorfälle durchaus kritisch beleuchtet:

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.