Wir gehen in die Saison 2022 mit der klaren Erkenntnis, dass die Grünen den Verbrenner abschaffen wollen. Konkret ist auf deren Bundesparteitag das Aus für 2030 als politische Zielmarke beschlossen worden.
In dem Kontext passt es recht gut, dass MdB Daniela Wagner auf meine Interviewanfrage im März positiv reagierte und mir ihre Antworten auf meine Fragen zugemailt hatte, die ich nun, da die Grünen Teil der Koalition sind, gerne mal wieder in Erinenrung rufe und deshalb den Beitrag erneut auf die Startseite packe.
Das Mailinterview!
1. Die Grünen treten massiv für den Klimawandel ein. In dem Kontext setzen sie den Fokus auf die E-Mobilität. Antriebsformen wie der Verbrenner scheinen auf Ihrer Agenda keine Rolle zu spielen. Glauben Sie tatsächlich, dass die Bürger da mehrheitlich mitziehen werden und wenn ja, woran machen sie diese Erkenntnis fest?
Die Bereitschaft zur Veränderung ist da. Nicht ohne Grund unterstützen unter anderem der Audi-Chef und der VW-Chef die Antriebswende.
2. Sie unterstützen die Drucksache 125/20, die eine Forderung nach einem temporären Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen nur für Biker beinhaltet. Der Verkehrslärm ist aber flächendeckend ein Problem. Warum also fokussiert man sich nur auf Biker, statt das Problem ganzheitlich anzugehen?
Man kann das eine tun und das andere nicht lassen. Der Straßenverkehr stellt in seiner Gesamtheit das größte Lärmproblem in Deutschland dar. Es ist dringend notwendig, Lärmminderungen in allen Bereichen des Straßenverkehrs voranzubringen. In unserem Antrag geht es im Übrigen nicht darum, Fahrverbote auszusprechen, sondern diese durch andere geeignete Maßnahmen – die bislang nicht ausreichend vorangetrieben worden sind – zu vermeiden. Das haben wir auch der Begründung zu unserem Antrag vorangestellt.
3. Geht es wirklich nur um sogenannte landschaftlich reizvolle Gebiete oder versteckt sich hinter der Aussage eher die Absicht nachfolgend in alle Bereiche einzutauchen, um zum Beispiel auch Strecken in Innenstädten ebenfalls mittelfristig für Motorradfahrer zu sperren?
Die Intention ist, wie gesagt, nicht die Sperrung von Strecken, sondern diese durch Lärmreduzierung mit anderen geeignete Maßnahmen zu vermeiden.
4. Motorradlärm wird Ihrer Meinung nach als besonders störend empfunden und belastet die Gesundheit. Gibt es Studien, die belegen, dass insbesondere der Motorradlärm die stärkste Belastung für die Gesundheit der Bürger darstellt?
Ich verweise auf die Antwort zu Frage 2. Neben anderen Verursachern von Straßenverkehrslärm wird aber auch Motorradlärm von breiten Kreisen als Problem wahrgenommen. Anders ist nicht zu erklären, dass sich der Bundesrat im vergangenen Jahr mit dem Thema befasst und einen weitreichen Beschluss gefasst hat.
5. Sie unterstützen die Kampagne Silent Rider, die auch Bestandteil der Drucksache 125/20 ist. Diese hatte Ende 2019 eine Petition aufgelegt, die nicht mal ansatzweise die für das Quorum notwendigen 50.000 Unterschriften erzielt hat. Keine 8.000 Unterschriften wurden generiert. Womit erklären sie sich dieses doch mehr als desaströse Ergebnis und wie sehen sie das im Kontext zum tatsächlichen Bürgerwillen?
In Bezug auf den Bürgerwillen verweise ich nochmal auf die vorangegangene Frage und den Beschluss des Bundesrats.
6. Die Petition von Heiko Schmidt vom später gegründeten Moto e.V. hat in nur einer Woche mehr als 200.000 Unterschritten generiert. Ein klares Signal von einem Großteil der Motorradszene, die sich ausgegrenzt fühlt. Kommunen und Gemeinden halten aber konsequent an ihrem unnachgiebigen Kurs fest. Ist da nicht auch auf Seiten der Befürworter eine spürbare Kompromissbereitschaft notwendig, um mit allen Teilen der Motorradszene in den Dialog zu treten?
Einen Dialog, in dem alle Seiten Verständnis füreinander aufbringen, halte ich für sehr wichtig. Der Dialog ist auch dazu geeignet, zu neuen Lösungsansätzen zu kommen. Gräben aufzureißen oder diese zu vertiefen hat dagegen bisher noch nirgends zum Ziel geführt.
7. Lärmdisplays haben ihre Effektivität auf breiter Ebene nachgewiesen. Sie reduzieren den gesamten Verkehrslärm. Wie stehen sie zu dem Vorschlag aus den Reihen der Gegner von Streckensperrungen und Fahrverboten, dass man diese mehrheitlich einsetzt, bevor man massiv in die Grundrechte eingreift?
Wir halten Lärmdisplays für eine gute Idee, die wir auch in unserem Antrag aufgegriffen haben. Leider sind sie sehr teuer.
8. Die Bußgelder bei Manipulationen sind in Deutschland bereits jetzt recht hoch. Sie favorisieren eine deutliche Erhöhung? Würden stärkere Kontrollen in Kombination mit Präventionsmitteln und Geschwindigkeitsreduzierungen nicht in Bezug auf eine Akzeptanz und den notwendigen Dialog mehr Sinn machen?
Das Problem ist nach wie vor, dass die Lärmemissionen, aber auch die Identität der Fahrerinnen und der Fahrer, im Vorbeifahren schwer zu erfassen sind. Hier sollten alle zusammen an geeigneten Lösungen arbeiten. Das würde die gesamte Situation stark verbessern.
9. Die Mehrheit der Motorradfahrer bemüht sich angemessen zu fahren. Das konstatieren die Grünen selber in ihrem Autorinnenpapier aus 2020. Nur eine Minderheit ist auffällig. Trotzdem treffen Streckensperrungen und Fahrverbote alle Biker. Ich sehe darin eine Ungleichbehandlung und Sippenhaftung. Um eine Minderheit zu reglementieren, nehme ich auch denen die Strecke, die mehrheitlich angemessen fahren. Können Sie mir dazu die Verhältnismäßigkeit der Forderung erklären?
Lärmaffine Biker sind keine Ausnahme. Die Hersteller von Motorrädern und von Zubehör betrachten „Sound“ nicht ohne Grund als verkaufsfördernd. Wir bekommen viele Zuschriften von Menschen, die sich zu Recht darüber beschweren, dass die öffentliche Hand auf der einen Seite viel Geld für Lärmschutzmaßnahmen ausgibt, auf der anderen Seite aber Fahrzeuge unterwegs sind, sie lauter sind als es ihr Betrieb erfordert. Das gilt natürlich für Motorräder und „sportliche“ PKW gleichermaßen.
10. Kommen wir zu den Herstellern. Sie sagen, die Hersteller umgehen die Lärmvorschriften und rücken dieses in die Nähe der betrügerischen Software im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal. Nun, die Vorgaben für den Prüfzyklus sind vom Gesetzgeber vorgegeben und erfüllen die gesetzlichen Vorgaben. Die Ingenieure nutzen das Spektrum voll aus, aber nicht mit illegalen Mitteln. Ein gewaltiger Unterschied zu der betrügerischen Software im Bereich Diesel. Hier wird m. E. ein legales Verfahren faktisch kriminalisiert. Sehen sie das anders?
Richtig, das eine ist legal, das andere nicht. Unter dem Strich geht es aber bei beidem darum, eine vom Gesetzgeber eigentlich beabsichtigte Begrenzung zu umgehen.
11. Sie weisen darauf hin, dass Verkehrslärm auf die Gesundheit einwirkt und dass der Motorradlärm als besonders unangenehm empfunden wird. Gibt es valide Daten oder Studien die belegen, dass Motorradlärm die Gesundheit stärker beeinträchtigt als andere Verkehrsformen und wenn ja, wie sieht das im Verhältnis zu allen anderen Verkehrsarten aus?
Die Initiative beruht nicht darauf, dass Motorradlärm schädlicher wäre als anderer Lärm. Motorradlärm ist eines von vielen Lärmproblemen, für die es Handlungsbedarf gibt.
12. Der E-Mobilität gehört anscheinend die Zukunft. Diese Antriebsform ist leiser. Nun steht die Produktion der Batterien aber oftmals in der Kritik. Ein extrem hoher Wasserverbrauch bei der Herstellung von nur einer einzigen E-Batterie (80.000 Liter) sowie der Umstand, dass selbst die Bundesregierung nicht ausschließen kann, dass es in einigen Förderländern für das notwendige Kobalt und Lithium zu Zwangs- und Kinderarbeit kommt, schrecken mich total ab. Können Sie mir meine Bedenken nehmen?
Die Forschung zeigt Wege auf, um die Rohstoffbilanz von Akkus zu verbessern – egal, ob für E-Fahrzeuge, Notebooks oder andere Produkte. Schon heute sinkt z.B. der Kobalt-Anteil in vielen Akkus. Auch Recyclingverfahren funktionieren technisch bereits gut und können so den Bedarf an neuen Rohstoffen mindern, jedoch fehlen noch Vorgaben, damit mehr Akkus tatsächlich in das Recycling gelangen. Nicht zuletzt brauchen wir ein umfassendes Lieferkettengesetz, damit Unternehmen dem Schutz von Umwelt und Menschenrechten nachkommen. Klar ist auch: Bedenkliche Rohstoffe gibt es nicht nur in E-Fahrzeugen, sondern auch beim klassischen Verbrenner.
13. PKW’s mit E-Antrieb werden mit hohen Prämien gefördert, E-Bikes nicht. Wird sich das ändern, so dass auch E-Bikes gefördert werden sollen?
Wir wollen Anreize für den Umstieg auf E-Bikes schaffen.
14. Die Stimmung ist gereizt, selbst unter den Bikern. Sehen Sie eine konkrete Möglichkeit alle Teile der Motorradszene für einen Dialog zusammen zu bringen und vor allem auch den sehr großen Teil zu erfassen, der sich durch Vereine wie zum Beispiel den BvdM e.V. oder die Kampagne Silent Rider nicht vertreten fühlt?
Als kleinste Fraktion im Bundestag fehlen uns für die organisatorische Umsetzung und Moderation eines solchen Dialogprozesses die personellen und finanziellen Möglichkeiten. Wir befürworten aber ausdrücklich, dass ein solcher Dialogprozess ins Leben gerufen wird. (Ende Interview)
Hinweis!
Daniela Wagner hat mich explizit darauf hingeweisen, dass die Grünen unter dem Aspekt „Motorradfahren ohne unnötigen Lärm“ den Antrag mit der Bundestagsdrucksachen-Nummer 19/23731 vorgelegt haben. Dieser ist in erster Linie der Bezugspunkt ihrer Fraktion und nicht der von mir in den Fragen zitierte Bundesratsbeschluss mit der Bundesratsdrucksachen-Nummer 125/20. Das bitte ich zu berücksichtigen.
Persönliche Anmerkungen!
Der Vorteil von Mailinterviews besteht darin, dass die Antworten unverrückbar für sich stehen, der Nachteil besteht darin, dass die interviewte Person massig Zeit hat sich taktisch und strategisch klug zu äußern. Genau das ist meines Erachtens hier abgelaufen.
Daniela Wagner verweist auf Frage X und ihre entsprechende Antwort, um auch im weiteren so zu verfahren. Jo, das kann man so machen, aber bei mir erweckt es automatisch den Eindruck, das man nicht so richtig Bock darauf hat in die Tiefe zu gehen, um nicht die eigene Position zu gefährden. Nun, so agieren alle Politiker, eine bekannte Strategie.
Dennoch, Aspekten wie Sippenhaftung und Verhältnismäßigkeit weicht Daniela Wagner völlig aus, valide Zahlen und Fakten zur Untermauerung der Aussagen hinsichtlich des Bürgerwillens und der Relevanz von Motorradlärm in Bezug auf die Gesundheit werden nicht benannt. Das ist mir insgesamt viel zu dünn. Ich werde mich daher separat umfassend zu den einzelnen Aspekten äußern.
Die Antwort auf Frage 3 möchte ich aber schon an dieser Stelle hervorheben. Es ist also nicht die Intention der Grünen, dass temporäre Fahrverbote bzw. Streckensperrungen folgen? Dazu hier eine Auszug aus der Homepage von Daniela Wagner:
„Wer temporäre Fahreinschränkungen verhindern will, muss also die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um Lärmemissionen effektiv zu reduzieren und zu kontrollieren. Das liegt in der Verantwortung des Bundesverkehrsministers. Es ist wie beim Abgas-Skandal: Wer Fahrverbote verhindern will, muss für saubere Fahrzeuge und Einhaltung von Emissionsgrenzen sorgen.“
Im Klartext heißt das für mich, wer auf die Forderungen nicht eingeht, muss mit dem Ergebnis leben, dass es temporäre Fahrverbote und Streckensperrungen geben wird. Verantwortlich ist der Bundesverkehrsminister. Da stellt sich mir doch glatt die Frage, ob die Motorradfahrer selbst überhaupt noch auf der poltischen Ebene in Kommunen und Gemeinden eine Chance haben dieses selbst zu verhindern und ob die runden Tische nicht viel mehr als eine Nebelkerze sind, um uns das Gefühl zu vermitteln, dass wir etwas ändern könnten. Also, eine offene Debatte sieht für mich anders aus. Beachtet in dem Kontext auch die Aussage von MdB Marie Agnes Strack-Zimmermann von der Fraktion der FdP in dem unten eingestellten Video dazu, wie der Aspekt Streckensperrungen überhaupt in den Bundesrat kam.
Hier der Kontakt zu MdB Daniela Wagner, falls jemand Interesse hat auf Basis des Interviews mit der Lady in Kontakt zu treten. Hier könnten zum Beispiel Vereine anknüpfen! Kontakt: http://www.daniela-wagner.net/
Zusatzlink: https://www.daniela-wagner.net/motoradfahren-und-laermschutz/