Kurz-Geschichte: Teil 3

Kapitel 7:

Ich sitze in meiner schäbigen Bude und starre an die Wand. Was ist nur schief gelaufen? Warum haben sie mich aus dem Geschwader MC raus geworfen? Ich habe doch alles für den Club getan.

Ok, ich gebe zu, ich hatte fast zwei Jahre lang einige nicht ganz so schöne Auftritte, in dieser Zeit auch keinen Bock und meine neue Alte mischte sich permanent in die Clubangelegenheiten ein. Wie oft hatte ich deswegen zuhause Stress mit ihr. Unter dem Strich war ich auch noch selber Schuld, schließlich habe ich Blödmann ihr ja von unseren Meetings erzählt. Nun hatte ich nichts mehr. Keine Brüder, keine Karre und die Alte ist mir auch weggelaufen. Nachdem sie mir die Kutte ausgezogen hatten, packte sie ihre Klamotten und verließ die Wohnung. Ihre letzten Worte werde ich nie vergessen.“Ich wollte mit einem richtigen Kerl zusammen sein und nun sitzt hier ein Waschlappen!“

Ich fühlte mich hundeelend. Mit diesen Männern wollte ich bis zu meinem Tod meine Zeit verbringen. Ich erinnerte mich an die unzähligen Touren und Partys, zu denen wir gemeinsam ausgeritten waren. An die vielen Gespräche über Bruderschaft und Werte, die Umarmungen und Taufen meiner neuen Brüder.

Wie konnte es dazu kommen. In den Sitzungen hatten sie mich immer wieder ermahnt, ich solle mal einen Gang zurück schalten und mir genau überlegen, ob ich noch in der richtigen Spur sei. Statt mir von meinem Mentor Rat zu holen, in diesen Dingen war er mit seiner einfachen und direkten Art unschlagbar, schlug ich alle Ratschläge aus der Runde in den Wind und spielte den Macker.

Diese Rolle stand mir nicht und deshalb spielte ich sie auch verdammt schlecht. Ich hatte mich selber verloren. Wenn ich in den Spiegel schaute, erkannte ich mich nicht mehr. Wo war der Typ hin, der straight und unbeirrt sein Klubleben führte. Wo war der Team-Player?

Eine innere Stimme sagte mir, dass ich irgendwann einfach glaubte, mir könne nichts passieren und die Dinge würden über Jahre hinweg einfach so weiterlaufen. Ich hinterfragte nichts mehr und setze mich mit kontroversen Aspekten nie mehr auseinander. Wie oft hatte ich den neuen Brüdern vermeintlich gute Ratschläge gegeben, wollte ihnen ein Vorbild sein. Nun wurde ich in Schimpf und Schande weg gejagt. Und das Schlimmste: Sie hatten auch noch Recht!

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Mein Problem bestand darin, dass ich nicht mehr die Anerkennung bekam, die mir aus meiner Sicht zustand. Anerkennung wofür? Dafür, dass ich für meine Brüder da bin oder mich in das Klubleben einbringe. Das Leben in einem MC ist kein Schaulaufen, Pokale werden nicht verteilt. Was du machst, muss dir selber eine tiefe innere Befriedigung geben. Richtige Rocker klopfen dir nicht auf die Schulter oder sagen Dir, dass hast du aber fein gemacht. Sie zollen dir den Respekt auf ihre ganz persönliche Art und diese ist bei jedem Member anders. Wenn du deinen Bruder kennst, dann spürst du das auch.

Mein Mentor hat einmal zu mir gesagt, die Kutte ist ein Kleidungsstück und zeigt lediglich nach Außen, zu welchem Haufen du gehörst. Auch wenn ich sie nicht trage, ist das 365 Tage lang und 24 Stunden meine Familie, und zwar in meinem Herzen. Ich bin immer ein Mitglied des Geschwader MC. Du musst auch ohne die Kutte ganz du selber sein und unsere Werte teilen. Begreife und lebe es!

Und nun sitze ich vor dieser Krücke von Weihnachtsbaum, selbst mein Sohn hat mich noch nicht angerufen. Ich bin allein. Ich schaue auf den Haken an der Garderobe, dort wo meine Kutte immer hing.

Plötzlich klingelt das Telefon. Der Member eines anderen großen MC’s ist dran und wünscht mir frohe Weihnachten. Er labert was von einer geilen Party, die am nächsten Wochenende in deren Klubhaus steigt und ich sei herzlich eingeladen. Hat der nicht alle Latten am Zaun. Jahrelang ist der quasi an mir vorbei gelaufen und hat auf dicke Hose gemacht und nun bin ich herzlich eingeladen. Fick Dich!

Ich bin zwar kein Member des Geschwader MC mehr, aber so viel Stolz ist noch in mir, dass ich meine eigenen Fehler nicht dadurch kaschiere, in dem ich in einem anderen MC anklopfe, nur um mir ein besseres Gefühl zu geben und von meinen eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.

Hätte ich das doch bloß früher erkannt!

Ende!

Diese Xmas-Story hatte ich bereits in 2013 verfasst. Bei der Nachschau im Archiv bin ich über sie gestolpert. Spontan kam mir der Gedanke, dass sie heute genauso gilt, wie seinerzeit. Wer mich persönlich gut kennt, weiß, welche Aspekte wahr und welche fiktiv sind. Und wer mich nicht kennt, muss halt raten.

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.