Der Bodensatz: Warum tut man das eigentlich?

Image ist alles?

Kürzlich fragte mich einer unserer Prospects, warum ich mich für Der Bodensatz – Biker & Friends helfen Obdachlosen engagiere, ob es mir dabei vordergründig um mein Image gehe. Ich nahm ihm das nicht übel, er kennt mich noch nicht so lange und vermutlich hat er da auch eher über das nachgedacht, was bei vielen tatsächlich eine nicht unerhebliche Treibfeder ist, nämlich das eigene Image. Gerade zur Weihnachtszeit wird das wieder offenkundig werden. Garantiert!

Ich will das gar nicht verurteilen. Natürlich geht ein derartiges Engagement immer mit einem Imagefaktor einher, ob man das nun bewusst so lanciert oder nicht. Anderen Menschen zu helfen, erzeugt fast immer positive Reaktionen. Die negativen Reaktionen basieren i. d. R auf Unkenntnis, Klischees oder sind eher dem Umstand geschuldet, dass man nicht gemocht wird. Reflektiert ist das meistens nicht. Hier gilt aber ganz klar „Love it, or leave it!“

Wie alles begann!

Der Bodensatz wurde 2015 gegründet, es war das Jahr, in dem unser Land massiv von Flüchtlingen aufgesucht wurde. Zig Menschen standen an den Bahnhöfen und frönten aktiv eine Willkommenskultur, die vermutlich in dieser Form einmalig bleiben wird. Während die Medien darüber massiv berichteten, entstand in mir so ein schräges Gefühl, denn mir war klar, dass diese Bereitschaft nur so lange greift, wie die Medien das Thema offensiv behandeln.

Ich fragte mich unweigerlich, warum diese Hilfsbereitschaft in der Breite immer davon abhängig ist, dass ein Thema plötzlich medial aufpoppt und es nur dadurch massentauglich zu werden scheint. An dieser Stelle kam mir der Obdachlose in den Sinn, der regelmäßig die Zeitung für Obdachlose in der City anbietet und von den meisten Mitmenschen nur verächtlich angeschaut wird. Das erzeugte aber noch keinen Impuls. Der Grundgedanke war jedoch im Schädel.

Der eigentliche Impuls kam erst, als ich in der Zeitung las, dass man das 1970 erbaute Jakobushaus in Bremen, eine allseits bekannte Obdachlosenunterkunft in der City, wegen Renovierungsstaus in Höhe von 3,5 Millionen Euro schließen und verkaufen wolle. Der Bunker hat 8 Stockwerke und dann kneifen die bei läppischen 3,5 Millionen den Arsch zu. Das ja wohl ein Witz. Ab da war ich angefixt.

Ich machte mir einen Kopf, rief meinen Kumpel Shovel Jürgen an und fragte ihn, ob er mitmachen würde, eine stationäre Akuthilfe zu organisieren. Er sagte sofort zu. Danach kam Susanne ins Spiel, die mir von einem Bremer Streetworker erzählte und mir dessen Kontakt besorgte. Diesen riefen wir an und trafen uns mit ihm im Café Papagei, einem bekannten Treff für Obdachlose in Bahnhofsnähe. Eines war nämlich klar, unvorbereitet steigen wir nicht ein. Der Streetworker nahm uns mit auf seine Obdachlosentour. Dort sahen wir Platten, die man so nicht sieht, wenn man nicht gerade zufällig auf Abwegen unterwegs ist. Fakt ist, wir bekamen ersten Input. Weiterer folgte durch den Streetworker.

Dieser unterstützte uns weiter, sodass wir bei der ersten Aktion am Kulturzentrum Schlachthof in Bremen locker über 100 Obdachlose begrüßen konnten. Ab da waren die Aktionen in der Arena gesetzt, wodurch ich auch Peter, aktueller Presi des Backbone MC Nomads kennenlernte, der später dann ganz alleine Oldenburg aufbaute. Hinzu gesellten sich die wöchentlichen Akuthilfen am Cinemaxx im Bereich Bremer Hauptbahnhof, dort, wo auch andere Initiativen regelmäßig ihr Ehrenamt absolvieren. So fing alles an.

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Nun zu der Frage des Prospects!

Ich habe immer schon ein Herz für Schwächere gehabt. Keine Ahnung, ob das jetzt ein Bestandteil meiner Biker-DNA ist oder der stets latent vorhandene Wunsch etwas Gutes zu tun. Ich tue es einfach. Der Bodensatz ist aber das bisher einzige Engagement, welches auf Dauer ausgelegt ist. Das mir letztlich nach nunmehr knapp 9 Jahren alle Aktiven von der Stange gehüpft sind, hat unterschiedliche Gründe, einer bin ich sicherlich selber, weil ich sehr fordernd bin. Ich habe keinen Bock auf unsägliche Diskussionen darüber, welcher Salat letztlich am besten geschmeckt hat oder auf ewige Lobduseleien untereinander. Ich erwarte, dass man sich mit den Menschen beschäftigt, mit ihnen spricht, am Projekt und vom Obdachlosen selbst lernt. Es ist weitaus wichtiger zu wissen, wo die Obbis Hilfe erhalten können, als sich darüber Gedanken zu machen, ob der Butterkuchen jetzt Note 1 oder 3 bekommt. Wer drei Jahre auf der Straße steht und dann nicht weiß, wo die nächste Notunterkunft ist, der muss sich dann auch mal meine Kritik gefallen lassen. Leider kommen damit die meisten nicht klar und verabschieden sich.

Letztlich bin ich engagiert, weil ich es kann und weil mir zudem diese total scheinheiligen Diskussionen im Netz fürchterlich auf den Senkel gehen. Der Staat tut nichts, er sollte sich mal zuerst um unsere Leute kümmern, bevor er es anderen in den Arsch steckt. Ach, und wenn er das tun würde, dann wirst du auch aktiv oder was? Wohl kaum! John F. Kennedy hat da mal einen berühmten Satz formuliert. Der ist für mich beispielgebend, wobei der Begriff Staat in meinem Fall den Mitmenschen definiert, nicht staatliche Organe.

Klar registriere ich es mit Wohlwollen, wenn unsere Aktionen ankommen oder im Netz ein positives Echo erzeugen. Das generiert letztlich ja auch Spenden, ohne die es nun einmal nicht funktioniert, wobei unsere mobile Akuthilfe keine 100 Euro Kapitaleinsatz pro Tour kostet. Wir haben ein Lager und auch Equipment, können somit auch Events durchführen und sogar Messen besuchen, was bereits mehrfach erfolgte.

Was ich für mich definitiv festgestellt habe ist, dass manche Obdachlosen viel freier sind, als wir Biker es immer für uns in Anspruch nehmen. Der Berber, der noch recht gut strukturiert im Lande unterwegs ist, hat alle gesellschaftlichen Normen abgeschüttelt. Er entscheidet ganz alleine darüber, wann er wo ist. Er nimmt jeden Tag die Konsequenzen für seine persönliche Entscheidung in Kauf. Geht es noch freier? Oder ist es nur eine andere Form der Freiheit?

Was wir hier tun, ist nicht die ganz große Tat. Da gibt es andere, die sich damit eher hervortun. Dennoch ist es für mich wichtig, dass die Balance zwischen medialer Aufmerksamkeit und der inhaltlichen Substanz im Projekt gegeben ist. Das nehme ich für Der Bodensatz – Biker & Friends helfen Obachlosen in Anspruch. Das wir nicht alles richtig machen, ist logisch, aber wo gehobelt wird, fallen halt auch Späne.

Seit kurzem bin ich nicht mehr alleine, denn Jim macht jetzt mit und hat auch Corinna angefixt. Klar wünsche ich mir, dass sie bleiben. Wenn nicht, ist es aber auch egal. Dann turne ich halt wieder alleine durch die Gegend und wenn die Luft raus ist, dann mache ich eben eine Pause, wobei mir Letzteres immer schwer fällt. Ich bin da ab und an ein Geriebener.

Ich weiß, dass dieses Projekt von vielen Bikern verfolgt wird, unter ihnen auch etliche 1%er. Insofern ist das Projekt durchaus dazu geeignet soziale Barrieren abzubauen und Ressentiments entgegenzutreten. Daraus entsteht der Gedanke, dass man in der Gesellschaft positiv wahrgenommen wird. Ja, auch das motivert mich, ist aber letztlich nur ein Nebeneffekt.

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Eines ist ganz wichtig zu wissen, wer sich um Obdachlose kümmert, der übernimmt eine echt undankbare Aufgabe, denn dieses Engagement ist nicht erfolgreich im klassischen Sinne. Im Gegenteil, wenn es immer mehr Bedürftige werden, dann fragt man sich irgendwann, ob man überhaupt etwas Nachhaltiges erreicht. Tut man nicht, aber Aktuhilfe ist der aktive Dienst für Mitmenschen, die unmittelbare und verlässliche Tat und am Ende ist es wohl letztlich tatsächlich die Dankbarkeit der Leute oder die Begrüßung „Hey, da ist der Rocker wieder!“, die mich motiviert weiter zu machen. My 5 Cents!

Kontakt Bodensatz: https://www.facebook.com/groups/Bodensatz

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.