Der Rockerkrieg: Gibt es diesen überhaupt?

Im Kontext zum Treffen in Stuttgart!

Vor kurzem besuchten Mitglieder des Bandidos MC Germany das Charter der Hells Angels in Stuttgart. Lutz Schelhorn, langjähriger President des Chaters, stellte einige Bilder von diesem Meeting im Fratzenbuch ein, die erwartungsgemäß massiv kommentiert wurden. Der allgemeine Tenor? „So ist es richtig. Weiter so!“

Nun widerspricht die damit verbundene Message ja irgendwie dem stets von den Medien und wenigstens in Teilen dem von der Politik und Behörden immer wieder beschworenen Wort „Rockerkrieg„, der angeblich seit Jahren in der Republik vorherrscht und je nach Lage mal mehr oder weniger massiv ins Feld geführt wird. Leider benutzen auch Szenegänger diesen Begriff, so auch in den Kommentaren zum Treffen in Suttgart. Ich habe dazu eine dezidierte Meinung.

Screenshot: Bandidos und Hells Angels trafen sich in Stuttgart.

Gibt es einen Rockerkrieg?

Meine Antwort? Nein, diesen gibt es nicht. Warum? Wir waren doch alle in der Schule und wurden dort in Geschichte unterrichtet, oder etwa nicht? Dort informierten uns die Lehrer über den 1. und 2. Weltkrieg, den Korea- oder Vietnam Krieg, die Napoleonischen Feldzüge, den 30jährigen Krieg, usw., aber ein Rockerkrieg, nee, davon wurde nie gesprochen. Und das gilt sogar für die jungen Wilden, die aktuell den Weg in die Szene gefunden haben, deren Schulzeit ja noch nicht so lange vorüber ist.

Die allgmeine Vorstellung über den Begriff Krieg basiert doch wohl ganz klar darauf, dass Armeen generalstabsmäßig in Schlachten ziehen und kostituiert geführt werden, in jedem Fall mit hohem logistischen Aufwand und mit Unterstützung aller Resourcen eingesetzt werden. So in etwa steht es zum Beispiel auf Wikipedia. Und das wollen wir nun 1 zu 1 auf Rockerclubs übertragen? Nicht euer Ernst!

Ja, es gab und gibt Rivalitäten, Fehden und Konflikte, aber der „Rockerkrieg“ ist nichts weiter als ein medialer Begriff, um den Nachrichten der Verlage eine besondere Schärfe zu verliehen, da der Leser insbesondere auf all das reflektiert, was mit Gewalt zu tun hat, egal ob es nun ein wahrhaftiger Krieg ist oder nur so bezeichnet wird. Die Verlage wissen das und nutzen nichts weiter als die emotionalen Reaktionen der Leser auf das Schlagwort. Da Rocker keine Lobby haben, tun sie es mittlerweile hemmungslos und völlig undifferenziert.

 

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Nun ist es nicht so, dass die hiesigen Journalisten sich das selber ausgedacht haben, nein, die Vorbilder finden wir in den USA, wo Behörden wie das FBI oder das ATF schon immer sehr erfindungsreich waren, um einer bestimmten Community einen medialen Stempel aufzudrücken. So entstand zum Beispiel auch der Begriff OMCG, sprich Outlaw Motorcycle Gang. Dessen Vorreiter OMC, spricht Outlaw Motorcycle Club, hatte ganz einfach nicht mehr die mediale Tragweite und wurde daher neu von den Behörden konstruiert. Den Begriff Gang assoziiert der Bürger halt automatisch mit Straftaten schwerster Art, nun, dass passt doch wunderbar auf Rocker. Und ein selbiger Effekt entsteht bei dem Begriff Rockerkrieg. Der Leser wird nahezu magisch angezogen, er konsumiert. Unreflektiert!

Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich will hier nichts beschönigen oder den betroffenen Clubs einen Persilschein ausstellen, aber mal ganz ehrlich, wenn es im Norden einen Beef gibt, im Süden gleichzeitig auf einer Party rivalisierende 1%er derselben Clubs zusammen treffen und null Stress angesagt ist, dann widersprucht das doch wohl durchaus dem, was wir unter einem Krieg und den damit verbundenen Auswirkungen zum Beispiel auf Zivilisten vorstellen. Umso wichtiger sind solche Bilder wie die aus Stuttgart, selbst wenn dahinter ein potentieller PR-Gedanke stehen sollte. Denn eines könnt ihr euch abschminken, Hells Angels und Bandidos setzen sich nicht einfach so an einen Tisch und kommunizieren das mal eben so. Denn es gibt für alles eine Innen- und eine Außenwirkung.

In beiden Clubs gibt es genügend Member, die ganz sicher auf einen Krieg keinen Bock haben. Die haben Familie und Beruf, sie tragen Verantwortung. Dieser müssen sie natürlich durch ihr Verhalten gerecht werden. Das gelingt beileibe nicht immer. Die Bilder aus Stuttgart tragen aber dazu bei Signale zu geben und wenn das nur in einem Fall dazu führt, dass konträre eigene Positionen mal anders betrachtet werden, dann haben sie bereits einen positiven Effekt erzielt.

Wenn natürlich in den eigenen Reihen selber der Begriff Rockerkrieg benutzt wird, nun gut, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Medien den Ball nur zu gerne aufnehmen, weswegen ich seinerzeit den sogenannten Friedensvertrag von Hannover zwischen den Hells Angels und Bandidos als eher suboptimale Begrifflchkeit angesehen habe. Das Wort Vereinbarung hätte dasselbe erreicht, da die Message durch die beteiligten Protagonisten der Clubs erzielt wurde. Der Handschlag griff tiefer als das Papier.

Fazit!

Ja, auch ich wundere mich teilweise über die Geschehnisse in der Szene und bin ab und an entsetzt. Ich stehe nicht gerne am Grab eines getöteten Rockers, wie zuletzt an dem von Reiki 1%er. Aber never ever spreche ich von einem Rockrkrieg, auch wenn durchaus damit zu rechnen ist, das es immer wieder zu Exzessen kommt. Für mich sind das Rivalitäten, die teilweise historisch bedingt sind und sogar zwischen Clubs ausgetragen werden, die an sich mehr gemeinsam haben, als sie es sich heute vermutlich selbst eingestehen würden.

André Sommer sagte auf der letzten Demo von Freedom is our Religion, dass man Fehler gemacht habe, dieses erkannt habe und daran arbeite. Das Meeting in Stuttgart werde ich als Indiz dafür, dass man Wege sucht, um gemeinsam das Schiff wieder in eine Richtung zu lenken, die selbst auf der Basis einer historich ausgeprägten Rivalität ein respektvolles Miteinander ermöglicht. So sehe ich das. Wenn morgen allerdings etwas Brachiales in den Medien steht, fällt mir dieser Beitrag natürlich voll auf die Füße. Doch auch dann spreche ich nicht von einem Rockerkrieg! Andere Meinung?

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.