Die Kriminalisierung der Rockerszene schreitet voran!

Vorab!

Der folgende Beitrag stellt reinweg meine persönliche Einschätzung dar. Aussagen zu potenziellen rechtlichen Auswirkungen für Clubs entsprechen lediglich meinem subjektivem Rechtsempfinden und stellen selbstverständlich keine juristisch fundierte Auskunft dar. Wer sich betroffen fühlt, sollte sich um die eigenständige Rechtsberatung eines Fachanwaltes bemühen.

Eine Kurzgeschichte!

Ein kleinerer MC in NRW möchte sein Anniversary feiern. Er supportet niemanden. Der MC unterhielt in der Vergangenheit u. a. gute Kontake zu einem Chapter der Bandidos Germany MC Federation West Central. Man weiß zwar von dem Verbot aus 2021, aber die jahrelangen persönlichen Beziehungen führen letztlich zu einer Einladung zur Anniversary-Party per WhattsApp durch einen einzelnen Member des veranstaltenden MC’s.

Am Tag der großen Party rollen Gäste aus der gesamten Region an. Unter ihnen befinden sich auch Member eines Chapters der Bandidos Germany Feration West Central, welche durch das Verbot aus 2021 erfasst sind. Sie werden von Brüdern aus dem Osten der Republik begleitet. Nehmen wir mal die Chapter Lauchhammer und Perleberg.

Im Laufe des Abends kommt es zu einem Polizeieinsatz. Dieser richtet sich gegen die Bandidos-Member der Federation sowie gegen den Veranstalter. Auf der Agenda steht für alle der Verstoß gegen § 20 bzw. § 9 VereinG. Es kommt zu entsprechenden Strafverfahren, von denen die Bandidos-Member aus dem Osten jedoch nicht betroffen sind, da diese nicht Member in einer verbotenen Teilorganisation sind. (Ende Kurzgeschichte)

Vermutlich werden jetzt viele denken, dass die Maßnahme gegen die Bandidos-Member der Federation durch das Verbot noch nachvollziehbar sei, aber doch nicht gegen den Veranstalter. Dieser ist nicht Bestandteil der Bandidos Nation, die Member aus dem Osten aber schon. Denkste, denn genau das wird kommen bzw. passiert bereits.

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Background der Annahme!

Hintergrund dieser Annahme ist ein Schreiben der Polizeidirektion Osnabrück / Sachgebiet Einsatz vom 30.03.2022, welches an regionale MC’s versandt wurde und u. a. auf genau diesen Aspekt hinweist. Das Schreiben stellt eine präventive Handlung nach § 12a des NPOLG dar. (Aspekt Gefährdungsansprache)

Das Schreiben!

Ihr habt das Schreiben vollständig gelesen? Und, seid ihr jetzt alle schlauer und versteht umfassend die rechtlichen Auswirkungen? Ist die rechtliche Basis allen klar? Ist es für euch vor allem nachvollziehbar? Für mich nicht, jedenfalls nicht umfassend, weswegen ich am 22. Mai die Pressestelle der Polizeidirektion Hannover angeschrieben habe und um Beantwortung meiner Fragen zwecks Aufklärung bat. Es kam bisher nichts zurück!

Seltsam, einerseits folgt die Polizei ihrem Präventionsauftrag, nämlich Straftaten zu verhindern, andererseits nutzt man nicht die weithaus höhere Dichte an Kontakten eines Szenemediums in der betroffenen Rockerszene selbst, um auf breiter Ebene auf die konkrete Rechtsposition hinzuweisen? Na, dann kann man ja nur froh sein, wenn alle relevanten Clubs informiert wurden und die Schreiben auch die Adressaten wirklich erreicht haben.

Aspekt Untersützungshandlung!

Wenn ich Mitglieder der Federation West Central einlade, begehe ich also eine Untersützunghandlung, obwohl ich organisatorisch nichts mit ihnen zu tun habe und diese Einladung reinweg nur aus gegenseitigem Respekt ausgesprochen wurde? So scheint es zu sein. Hintergrund ist das Verbot selbst. Die Teilorganisation des BMC Germany ist verboten, allen Mitgliedern und deren Nachfolgeorganisationen ist jegliche Aufrechterhaltung der Vereinstätigkeit untersagt. Motto? Sie haben dort nichts zu suchen und da sie da sind unterstützt ihr mit der Einladung die Aufrechterhaltung der Struktur. Na, kommt ihr da in eurem Selbstverständis mit? Und ist das überhaupt ein Straftatbestand?

Apsekt Einladung!

Wenn ich einen Brief oder eine Mail an eine konkrete Adresse versende ist das natürlich eine Einladung. Das gilt auch für die mündliche Einladung Face to Face oder per Telefon. Was aber bitte gilt, wenn ich auf einen Flyer im Netz mit dem Aspekt „Everybody Welcome“ reagiere? Wird dieses bereits als Einladung angesehen, weil ich niemanden ausgeschlossen habe? Mir erscheint hier das Schreiben nicht klar zu sein und ich bin mir absolut sicher, dass die Polizei die Reaktion von Membern von dem Verbot betroffener Bandidos-Chapter auf einen im Netz eingestellten Flyer auch ohne die Ankündigung des Kommens als Einladung werten wird, vielleicht sogar völlig unabhängig vom MC.

Aspekt Kutten!

Wenn Member verbotener Chapter bzw. der vom Kennzeichungsverbot betroffenen Clubs auf eurer privaten Veranstaltung ihre Kutte tragen, verstößt der Gastgeber gegen das VereinG und begeht eine Straftat. Wie, ist doch privat? Nein, denn ihr selbst und alle anderen Gäste werdet als Öffentlichkeit gewertet. Die Verwendung ist untersagt! Und wer setzt das jetzt vor Ort durch? Die Polizei oder der Gastgeber?

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Wechselwirkungen?

Mitglieder sogenannter OMCG’s (Outlaw Motorcycle Gangs) werden von Politik und Polizei grundsätzlich wenigstens in die Nähe zur OK oder als direkter Besandteil der OK gewertet. Man spricht stets von einer hohen kriminellen Energie. Stellt sich für mich somit die Frage, ob eine Maßnahme gemäß VereinG gegen Mitglieder anderer Clubs außerhalb von Vereins- und Insignienverboten der effektiven Bekämpfung der OK zuzurechnen ist. Ich sage ganz klar Nein! Zudem gehe ich davon aus, dass dieses Schreiben nicht gerichtsfest ist, wenigstens in Teilen, denn eine Rechtsposition muss klar und unmissverständlich sein. Dieses Schreiben ist es m. E. keinesfalls!

Ein effektiver Beitrag zur Bekämpfung der OK kann nur dann gegeben sein, wenn die polizeiliche Maßnahme Strukuren effektiv angreift, die der Beschaffung von Kapital bzw. der strukturellen Erhaltung und/oder Ausweitung der illegalen Geschäftsfelder dient. Mit dieser Vorgehensweise nach VereinsG wird aber vordergründig nur die gesamte Szene kriminalisiert. Clubs, die einfach nur ihr Ding machen werden zum Steigbügelhalter von Politik und Polizei, da sie sich genau überlegen müssen, wie sie zukünftig mit diesen Dingen umgehen.

Die Öffentlichkeit unterscheidet nicht, die Presse auch nicht. Insofern werden die Berichte auf Basis der Pressemitteilungen nur von den jeweiligen Straftaten nach VereinsG sprechen, die ohne Kenntnisse über das reale Szeneleben alle von der Maßnahme bestroffenen Clubs ebenfalls in die Nähe zur OK rückt. Nichts anderes wird passieren. Motto? Wer sich nicht distanziert, sitzt mit im Boot.

Wenn das so durchgesetzt wird, nimmt man absolut billigend in Kauf, dass es zu Konfliktsituationen innerhalb der Szene kommt. Veilleicht strebt man das ja sogar an, um den Boden für das Szeneleben auszutrockenen, aber eben nicht nur für verbotene Vereine. Mittelfristig entsteht in der Öffentlichkeit zwangsläufig der Eindruck, dass permanent gegen das VereinG verstoßen wir und das die Clubs nur mit der bloßen Anwesenheit die Strukturen und damit die Ok unterstützen.

Das hier ist für mich neu und stellt einen Angriff gegen unsere Coulture als solches dar. Nur weil ich mich nicht von jemandem distanziere, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn untersütze. Doch genau dieser Eindruck wird mittelfristig in der Öffentlichkeit entstehen. Da wird niemand außerhab der Rockerszene die Aspekte hinterfragen oder gar verifizieren.

Seltsam, nachdem das Insignienverbot in Kraft trat wurde das BKA später mal beftragt, ob das Verbot eingehalten wird und es hat klar kommuniziert, dass die Mitglieder das Verbot auf breiter Ebene beachten, somit ein großer polizeilicher Erfolg eingetreten sei, da man damit dem Machtstreben der betroffenen Clubs Einhalt geboten habe. Motto? Wenn die Kutten weg sind, ist die Macht auch weg.

Was kann man tun?

An den Tischen sollte man in jedem Fall über die Intention des Schreibens der Polizeidirektion Osnabrück sprechen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es weitere Schreiben dieser Art geben wird, vielleicht über die gesamte Republik verteilt. Wie ihr euch dazu aufstellt, nun, dass ist euer Ding. Der Aspekt Tagesmitgliedschaft über Getränkebons sollte bei der Gelegenheit auch mal erörtert werden, jedenfalls die Frage, wie es gewertet werden könnte, wenn Member verbotener Vereine bei euch deratige Bons kaufen.

Die Bandidos!

Ich gehe davon aus, dass dieses Schreiben schnell die Runde macht, die Bandidos erreicht hat und diese sich ebenfalls Gedanken darüber machen werden. Egal, wie man sich im BMC Germany dazu letztlich aufstellt, erwartet jetzt nicht, dass die aufhören wie Onepercenter zu denken. Ich gehe davon aus, dass man das Schreiben sehr genau unter die Lupe nimmt. Öffentliche Reaktionen sind m. E. nicht zu erwarten.

Screenshoot KfN Hannover, Forschungsbericht Nr. 166

Fazit!

Ich hoffe sehr, dass derlei Maßnahmen nicht einfach mal eben unter dem Einfluss von Vorfällen pauschal als berechtigt angesehen werden, Vorfälle, die substanziell ganz anders gelagert sind. Wir müssen hier klar unterscheiden und dürfen nicht alles in einen Topf werfen. Das passiert viel zu oft.

Ein ganz entscheidender Faktor in diesem Schreiben ist für mich die Untersützungshandlung selbst. Diese ist reinweg geprägt durch die polizeiliche Sichtweise, aber ist die Duldung der Anwesenheit von Membern eines verbotenen Vereins tatsächlich eine Untersützunghandlung? Und ab wann gelten sie als geladen? Da bedarf es dringend einer fundierten rechtlichen Bewertung. Übertragt mal diese Nummer auf Veranstaltungen wie zum Beispiel Freedom is our Religion oder auf ein privat oder kommerziell organsiertes Bikertreffen. Oder nehmen wir mal den Rocker Talk 3. Leute, da stecken erhebliche Wechselwirkungen dahinter. Es zu ignorieren, ist die denkbar schlechteste Lösung.

Dieses Schreiben dient im Endeffekt an sich nur der Vereinfachung der staatlichen Kontrolle und nimmt aus Sicht der Allgemeinheit sowie der Medien die weitere Stigmatiseriung der Rockerszene wenigstens billigend in Kauf. Das Kriminologische Forschungsinstitut Hannover hat dazu umfassende Erkenntnisse in einem Forschungsbericht zusammengetragen, u. a. auch zu der Wirkung kurzfristiger Vereins- und Kuttenverbote. Da war denn mal die Wissenschaft am Werk und kommt zum Teil zu erstaunlichen Erkenntnissen. So bezeichnet die Studienleiterein Bettina Zietlow die Rockerszene sogar als spießige Szene und die Ergebnisse des Forschungsberichtes als in Summe eher unspektakzulär.

Wußtet ihr zum Beispiel, dass der Anteil von Verfahren im Deliktfeld OK im Jahr 2018 gegen Mitglieder der OMCG’s lediglich 2,2% (In Summe 12) ausmachte? Verfahren, keine Urteile! Sowas erfährt man zum Beispiel im BKA-Lagebild oder eben auch in dem Forschungsbericht. Da dieses eine wissenschaftlich fundierte Arbeit ist, darf man sich das gerne mal etwas konkreter anschauen, bevor man wieder reflexartig aus einem moralischen Gefühl heraus alles richtig findet, was die Polizei tut.

Ich bleibe an dem Thema dran. Anregungen sind explizit erwünscht. Sollte die Pressestelle der Polizei Niedersachsen doch noch reagieren, so bleibe ich deren Feedback nicht schuldig. Feuer frei!

Der Forschungsbericht: https://kfn.de/wp-content/uploads/Forschungsberichte/FB_166.pdf

Sonstige Links: https://blog.strafrecht-mv.de/rocker-weniger-kriminell-anwalt-strafrecht/

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.