Entschließung des Bundesrates: Was sagt Kess Tech dazu?

Meines Erachtens muss der öffentliche Diskurs nicht nur auf die beabsichtigten Fahrverbote ausgelegt werden, sondern die gesamte Entschließung erfassen. Und hier sind es insbesondere die vorgesehenen Reglementierungen der Hersteller denen man besondere Bedeutung beimessen muss. Daher habe ich mal die Firma Kess Tech angeschrieben und um ein Feedback gebeten. Geschäftsführer Christian Schütte fackelte nicht lange und reichte über die Presseabteilung folgendes Feedback auf meine Fragen ein:

Kess Tech steht für legal Sounddesign! Zur Euro-Norm 4 rauchten da schon die Köpfe!

„Presseanfrage bikesmusicandmore

Wie steht die Firma Kess Tech zu den derzeitigen Forderungen des Bundesrates? 

Wir nehmen hier nur Bezug auf die Punkte 1., 4. und 6. der Forderungen des Bundesrates, da diese uns als Hersteller von NORESS-Abgasanlagen (Zubehörabgasanlagen) am ehesten betreffen.

Zu 1.:

Wir begrüßen grundsätzlich Initiativen zur Lärmminderung. Es muss vor allem auch darum gehen, dass der Motorradfahrer rücksichtsvoll und umsichtig seinem Hobby nachgeht. Mit unseren Abgasanlagen bieten wir dem Motorradfahrer das effektivste Tool dafür an, seinem Hobby mit viel Freude nachzugehen und gleichzeitig Rücksicht auf die Interessen von anderen zu nehmen, indem er einen Mode auswählen kann, der dafür sorgt, dass der erzeugte Sound immer leiser ist, als der des Originalherstellers (OEM). Eines unserer obersten Entwicklungsziele neben Leistungsoptimierung ist, unsere Abgasanlagen so zu entwickeln, dass sie deutlich schalldruckpegelärmer gegenüber dem OEM-Produkt sind. Und das nicht nur in bestimmten Betriebspunkten, sondern immer und überall.

Der einzige Unterschied bei unseren Abgasanlagen gegenüber einer OEM-Anlage mit Klappe im Ansaug- oder Auslasstrakt, Steuerung der Zündung oder Einspritzung zur Einhaltung der bestehenden Verordnungen ist, dass der Fahrer bei uns eine effektive Wahl im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben hat, wie er gerade unterwegs sein will. Der Vorschlag ist, so wie er entworfen ist, in der Praxis nicht umsetzbar. Er lässt erkennen, dass die Beteiligten sich nicht täglich mit der Thematik beschäftigen. Ein absolutes Limit für alle Betriebszustände kann es nicht geben. Wie soll ein Hersteller, bevor er ein Produkt in den Markt bringt, alle Betriebszustände prüfen?

Ein Beispiel:

  1. Einfahrt in die Messstrecke mit 63,2km/h im 4.Gang mit 57% Last.
  2. Einfahrt in die Messstrecke mit 63,5km/h im 4. Gang mit 57% Last.
  3. Einfahrt in die Messstrecke mit 63,2km/h im 3. Gang mit 57% Last.
  4. Einfahrt in die Messstrecke mit 63,2km/h im 4. Gang mit 58% Last.
  5. Einfahrt in die Messstrecke mit 307km/h im 6. Gang mit 99% Last.

Die Fortsetzung dieser Liste mündet in einer unendlichen Anzahl Messungen. Ganz davon abgesehen, dass uns heute keine offizielle Messstrecke mit dem richtigen Asphaltbelag bekannt ist, bei der die Anlaufstrecke lang genug ist, um letztgenannte Geschwindigkeit zu erreichen. Auch wenn man gewillt ist, alle diese Punkte zu überprüfen und entsprechend zu applizieren, dann bleibt noch das Problem zu lösen, dass dieser Grenzwert bei höheren Geschwindigkeiten nicht einzuhalten ist. Hier würden selbst bei einem an sich absolut lautlosen E-Bike (nur eine Annahme, auch ein E-Motor leistet natürlich seinen Anteil am Gesamtschalldruckpegel), die Emission von Reifen und Wind einen höheren als den geforderten Pegel erreichen. Insofern trifft zumindest dieser Vorschlag nicht die Praxis.

Kess Tech-Geschäftsführer Christian Schütte sendet ein klares Signal an die Politik!

Hätten sich die Verfasser des Beschlusses eingehender mit dem Thema beschäftigt, wären sie auf die Gremien gestoßen, die sich seit Einführung der Euro4 mit der Gestaltung der Geräuschverordnung für Euro5 beschäftigen. Hier gibt es sehr viele verschiedene Vorschläge, die inhaltlich genau diese Fragestellungen bearbeiten – allerdings unter Berücksichtigung der praktischen Durchführbarkeit. Der Aufwand, der vom Hersteller betrieben werden muss, wenn er guten Gewissens eine Unterschrift leisten will, dass er alle Anforderungen erfüllt, ist auch dann wieder ein deutlich höherer gegenüber dem Euro4-Messvorgaben, welche wiederum deutlich höherer Aufwand waren gegenüber den Euro3-Messungen.

Zu 4:

Der Vorschlag des Verbots von fahrerseitig einstellbaren Sound-Design ist konsequenterweise der Wunsch nach nur einem Mode. Damit bliebe dem Zubehörhersteller nur die Art der Schaltlogik, wie sie heute von OEM genutzt wird und diese ist vermutlich nicht Ziel des Vorschlags. Es wäre nur eine Verlagerung des Problems. Die Nutzung der Möglichkeiten zur Schalldruckpegelreduktion des Sound-Designs befürworten wir hochgradig und sind bereits Anfang 2018 beim IVM mit einer Idee hierzu vorstellig geworden. Auf unsere Nachfrage, was daraus geworden sei, haben wir bis heute keine Rückmeldung erhalten. In den letzten Jahren haben wir technisch viel unternommen, um den Fahrern unserer Anlagen den OFF-Mode (immer schalldruckärmer als OEM) schmackhafter zu machen. Dazu haben wir das „Power-Feature“ eingeführt, mit dem man in allen unteren Drehzahlbereichen immer das maximale Drehmoment abrufen kann. Weiter gibt es ein „Active Engine Protection“ (AEP), mit dem thermisch kritische Betriebszustände überwacht werden und ein Überhitzen des Fahrzeugmotors effektiv verhindert werden kann.

Zu 6:

Auch hier finden Sie in uns einen Befürworter, aber nicht nur hinsichtlich der Messmittel. Wir als Hersteller werden immer wieder mit nicht korrekt durchgeführten Messungen konfrontiert. Niemand kann diese gutheißen. Diese können nicht im Sinne des Herstellers, nicht in dem des Fahrzeugführers und auch nicht in dem des Messungsdurchführenden sein. Daher schulen wir seit einigen Jahren sehr erfolgreich interessierte Kontrollgruppen.

Die zur Verfügungstellung von Messmitteln und das Vorlegen einer Verordnung durch die Behörden, die man ohne juristisches Grundverständnis sehr schnell falsch interpretieren kann, sind nicht ausreichend und führen zu falschen Ergebnissen. Die kontrollierenden Beamten sollten im Anschluss auch entsprechend geschult werden, um die Vorgaben in der Praxis auch gesetzesgemäß zu überprüfen. Idealerweise geschieht das durch den Gesetzgeber und seine Erfüllungsgehilfen, im Zweifel aber auch gerne weiter von uns.

 

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Wie hat sich der Markt aus Ihrer Sicht mit Einführung der Euro-4-Norm entwickelt?

Die Einführung der Euro4-Norm war ein guter und wichtiger Schritt hin zu “leiseren“ Fahrzeugen. Auch für uns war es eine große Hürde und viele Fragen, bei denen die Norm nicht eindeutig ist, mussten mit den technischen Diensten, den nachgeschalteten Typgenehmigungsbehörden und im Zweifel mit dem Ministerium, geklärt werden. Aktuell befindet sich die Regelung R41.04 auf dem Weg zur 8. Änderungsserie. Die Taktung für Änderungen von Geräusch- und Emissionsregelungen wird immer schneller, z.B. Euro3 zu Euro4 = 10 Jahre, Euro4 zu Euro 5a = 4 Jahre. Jetzt kommt wohlmöglich Euro5b in vier Jahren. Wobei zum jetzigen Zeitpunkt für Euro5b noch gar nicht alle Details feststehen. Wir können uns heute also nicht auf ein Szenario einstellen. Und auch dementsprechend spät könnten wir erst anfangen zu entwickeln, um alle Vorgaben auch gesetzgemäß einhalten zu können. Das ist natürlich für ein mittelständisches Unternehmen, auch wenn es eine hohe Expertise in technischer und regulatorischer Hinsicht besitzt, schwieriger zu meistern als für einen OEM.

Weiterhin wird es immer komplexer ein Produkt an den Markt zu bringen, das dann auch tatsächlich allen Anforderungen Stand hält. Das ist erstmal gut für uns, da wir glauben eine besonders starke Expertise in den letzten Jahren aufgebaut zu haben. Nicht jeder Hersteller wird das leisten können. Die Frage wird sein, ob wir, wenn weniger legale Produkte am Markt platziert sein werden, eine leisere Welt kreieren, oder die Motorradfahrer stärker zu illegalen Produkten greifen werden.

Reichen die aktuellen staatlichen Reglementierungen aus, um den Bedürfnissen von lärmgeplagten Anwohnern in den Hotspots zu begegnen?

Aus unserer Sicht ist das Beste eine Verbindung aus Reglementierung und Vernunft. Es kann noch so viele Reglementierungen geben, aber jeder kann diese mutwillig umgehen. Reglementierungen auf der anderen Seite müssen mit dem Stand der Technik und dem, was sinnvoll umsetzbar ist, Schritt halten. Es gilt hier Lösungen zu finden, die für Anwohner lärmgeplagter Gegenden effektiv sind, aber auch den Anforderungen der Motorradgemeinde gerecht werden. Wir denken, dass das möglich ist. Seit der Wirtschaftswunderzeit ist das Motorrad in Deutschland heute in den seltensten Fällen ein rein zweckgebundenes Fortbewegungsmittel. Das wird es vielleicht in den urbanen Bereichen künftig mehr bei vernunftorientierter Herangehensweise (weniger Masse pro Fahrer; weniger Fläche pro Fahrer). Die meisten Motorräder werden allerdings weiter im Mittel 2.000 km jährlich bewegt und dienen als Freizeitmobil zum Ausgleich des Arbeitsalltags. Das sollte demjenigen, der darauf seine Freizeit verbringt auch ein Mindestmaß an Spaß bringen, wobei die heutige Definition dessen, was Spaß macht, sich auch dem zeitlichen Wandel und dem Trend zu mehr Umweltbewusstsein unterziehen wird.

Die Befürworter setzen u.a. auf ein Verbot von Sounddesign!

Was könnte der Markt selber dazu beitragen, um Lautstärke zu verringern?

Neben dem Erwerb und einer anschließend bewusst vernünftigen Nutzung unserer Abgasanlagen begrüßen wir beispielsweise die Einführung von Lärmdisplays. Damit wird man effektiv auf seine Verhaltensweise hingewiesen und als Fahrer, dem solch ein Tool fehlt, zumindest über Fahrgeschwindigkeit und Last seinen effektiven Geräuschpegel anzupassen. Eine generelle Aussortierung zwischen “lauten“ und “leisen“ Motorrädern, wie sie Tirol ab dem 10.6. einführt, ist hingegen ohne jede technische Basis. Das Standgeräusch ist ja ein nicht reglementierter Wert, der nur für NORESS-Hersteller ein faktischer Grenzwert ist. Der Standgeräuschwert dient kontrollierenden Beamten und Sachverständigen zur Beurteilung, ob eine Manipulation am Fahrzeug stattgefunden hat. Ein Rückschluss auf ein Geräuschverhalten während der Fahrt ist damit nicht möglich. Auch weil die Berechnungsgrundlage zur Prüfdrehzahl keine feste Größe ist, sondern von der Nenndrehzahl des Fahrzeugs abhängt.

Wie bewerten Sie die angedachten Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen?

Wenn sich Menschen Gedanken über Fahrverbote machen, ist das ein Hilferuf und Aufforderung sich Gedanken über effektive Lösungen zur Lärmminderung zu machen. Wir leisten hierzu einen effektiven Beitrag und beschäftigen uns täglich mit nichts anderem. Gern würden wir uns auch intensiver in die Diskussion mit dem Gesetzgeber einbringen. Wir werden weiterhin nichts unversucht lassen, dies zu tun.“ (Ende Mailinterview)

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Anmerkung!

Ich denke aus dem Feedback von Kess Tech kann man einiges heraus ziehen. Damit sollten sich auch die verschiedenen Initiativen und Demos beschäftigen. Wie Kess Tech anmerkt, ist die Umsetzung der Regulierung in allen Fahrsituationen bereits ein großes Problem und lässt sich real gar nicht darstellen.

Den Einsatz von Lärmdisplays habe ich ja bereits vor einigen Wochen angesprochen. Kess Tech sieht es genauso. Machen wir uns nichts vor. Zum Nulltarif wird man die vorhandene Gesetzgebung vermutlich nicht absichern können. Es gibt nun einmal an gewissen Punkten Lärmspitzen, die in der Summe in der Tat Grund zur Klage geben. Wen würde es denn tatsächlich stören, wenn in allen Bundesländern deratige Teile an nachgewiesenen Points aufgestellt sind. Mich nicht! Denn ich bin ja dann immer noch frei in meiner Entscheidung wie ich fahre.

Link Entschließung Bundesrat: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2020/0101-0200/0125-20.html

Kontakt: https://www.kesstech.de/

Fotos: Copyright by Kess Tech!

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.