Gedanken zu Chemnitz!

Die Vorfälle in Chemnitz haben die Republik in Aufregung versetzt. Kein Wunder, denn was dort am Weekend geschah, ist zwar erklärbar, aber keineswegs entschuldbar. Es gibt de facto keine Legitimation für das in Teilen „kollektive“ gewalttätige Vorgehen gegen Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund. (siehe Update unten!!!) Es ist ein Mensch gestorben, aber solange es keinen Schuldspruch gibt, gelten die Tatverdächtigen als unschuldig. Wenn ich das für Rocker reklamiere, so tue ich dieses auch für Ausländer sowie jeden anderen Menschen. Und selbst wenn die Tatverdächtigen überführt und verurteilt werden, darf es in Deutschland nie wieder Szenen geben, die an eine Zeit erinnern, die wir längst hinter uns gelassen zu haben glaubten.

Leider ist jedoch zu befürchten, dass der Tod des 35jährigen etwas ausgelöst hat, was uns in Zukunft häufiger beschäftigen wird, und zwar nicht, weil die ultra rechte Szene in Sachen Mobilisierung und Vernetzung dazu gelernt hat und binnen kürzester Zeit in der Lage ist eine große Manpower zu aktivieren, sondern weil ich eine Tendenz erkenne, dass immer mehr Menschen sich derartigen Aktionen spontan anschließen könnten, die rein gar nichts mit der rechten Szene zu tun haben, aber aufgrund totaler Frustration ob der aktuellen politischen Entwicklungen in diesen Aktionen eine Art Ventil finden, um das abzuladen, was sich über Jahre angestaut hat.

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Diese Menschen fühlen sich durch die Politik verraten und verkauft, sie haben schon lange nicht mehr das Gefühl, dass ihre Interessen nachhaltig vertreten werden. Sehen wir es doch einmal so: Der Staat hat mit dem Bürger einen Vertrag geschlossen, in dem der Bürger sich dazu verpflichtet Steuern zu zahlen, das Gemeinwohl zu pflegen, den Frieden zu wahren und die Gesetze zu respektieren.

Der Staat hingegen ist die Verpflichtung eingegangen marode Strukturen zu verbessern, Straßen und Plätze instand zu halten, die sozialen Systeme zu pflegen und für jeden zugänglich zu machen, die Menschen am Wohlstand teilhaben zu lassen. Und wie sehen die Fakten aus? Bezahlbarer Wohnraum ist absolute Mangelware, 40% der Menschen haben trotz klar verbesserter Wirtschaftslage weniger Geld in der Brieftasche, als noch vor 20 Jahren, obwohl seinerzeit die Arbeitslosenzahlen massiv höher und die Steuereinnahmen klar niedriger waren. Für einen Großteil in der Bevölkerung fährt der Fahrstuhl nach unten, während die ohnehin gut situierten Bürger ihr Vermögen aufstocken.

Dadurch entsteht ein Gefühl der Ohnmacht. Diese Menschen fühlen sich als Verlierer. Und genau das erklärt, warum am Montag in Chemnitz eben beileibe nicht nur die rechte Szene aktiv war. Statt dieses anzuerkennen, versucht man sämtliche Demonstrationsteilnehmer auf das rechte Spektrum zu begrenzen und die einzige Antwort der Regierung ist es, dass die Gesetze zu achten sind und der Staat ein derartiges Agieren nicht dulden wird. Und schon fühlt sich der frustrierte Bürger aus der Mitte erneut an den Pranger gestellt. Denn außer allgemeinen Phrasen erfolgen keine Handlungen, die genau diesen Menschen das Gefühl geben erhört und wahrgenommen worden zu sein. Die Politik hämmert lediglich verbal auf der rechten Szene herum und versucht den Status Quo in Chemnitz so zu erklären, dass es ohne diese rechte Gewalt an sich keine Probleme gibt. Ach nee!

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Ich behaupte, dass mittlerweile ganz tief in sich drin mehr als 50% der Bürger mit dem Staat nicht mehr identifizieren können. „Die da oben machen was sie wollen und wir hier unten müssen zusehen, dass wir ohne sie klar kommen“. Das schürt Ängste und Hoffnungslosigkeit. Wenn der Staat dieses jetzt nicht erkennt, droht ein Flächenbrand. Und dieser wird keineswegs mit dem Agieren der ultra Rechten zu erklären sein, denn dann erkennt jeder Depp, dass die bürgerliche Mitte auf die Straße geht und aus dem „Wir schaffen das“ wird ganz schnell ein „Wir ändern das!“ Und das wird dann nicht nur Chemnitz betreffen!

Leider ist zu befürchten, dass die Politik längst erkannt hat, dass sie nicht mehr in der Lage ist das gesellschaftliche Auseinanderdriften mit nachhaltigen Reformen und echten Veränderungen  zu stoppen und insgeheim Maßnahmen ergreift, um sich im Falle einer Verschärfung des Klimas drastisch durchsetzen zu können. Ein Indiz dafür sind die neuen Polizeiaufgabengesetze, die unsere Bürgerrechte massiv beschneiden und dem Staat in vielen Punkten einen Freibrief an die Hand geben, der den Bürgern erneut das Gefühl gibt der Verlierer zu sein.

Die Politik ist nicht dafür verantwortlich, dass in Chemnitz Gewalt ausgeübt wurde, sie ist aber in jedem Fall für das Klima verantwortlich, in dem normale Bürger anfangen dieses unkritisch hinzunehmen, weil sie dem Hokuspokus in Berlin schon lange keinen Glauben mehr schenken. Insofern tragen all die Leute eine Mitverantwortung, die als gewählte Volksvertreter zwar die Möglichkeit hätten dieses Klima relativ schnell zu verbessern, aber aufgrund der Unfähigkeit nachhaltig Fehler einzugestehen, die Verantwortung lieber auf Menschen übertragen, denen es heute einfach nur Scheiße geht.

Update 11.18 Uhr. Im ersten Absatz spreche ich von kollektiver Gewalt. Aufgrund berechtigter Nachfrage muss ich zugeben, dass ich hier eine unglückliche Wortwahl verwendet habe, da der Eindruck entstand, dass die Demo als solches Gewalt ausgeübt hat. Dem ist nicht so. Sollte ich feststellen, dass ich von Fake News geleitet wurde, werde ich den Bericht entsprechend korrigieren bzw. ergänzen. Sofern mir jemand Material zur Verfügung stellen kann, welches die Behauptung von Hetzjagden gegen Migranten seriös klar belegen, wäre ich dafür dankbar.

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.