Harley Davidson: Der Riese wankt!

Im vierten Quartal 2018 hat Harley Davidson laut Pressemeldungen in seinem Heimatmarkt USA fast 10% weniger Absatz erzielt, schlimmer noch, der Gewinn brach um über 90% ein. Da kann man für den Giganten aus Milwaukee nur hoffen, dass er ausreichend Kapitalrückstellungen geschaffen hat, die es dem Konzern ermöglichen, diese Misere sauber zu überstehen.

Es wäre m. E. jetzt zu kurz gegriffen, wenn man die aktuelle Situation nur auf Onkel Trump zurück führt, der die Kollegen wegen der Stahlimporte und seinem America @ first ganz schön ran genommen hat, denn der Trend weist bereits seit einigen Jahren in eine Richtung, die eine Erholung der Verkäufe in dem wohl wichtigsten Absatzmarkt kaum erahnen lässt. Harley hat definitiv ein Imageproblem.

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Für junge Leute ist es einfach nicht mehr cool, eine Harley zu fahren. Der Mythos zieht nicht mehr, andere Marktteilnehmer haben längst ihre Strategie dem veränderten Marktverhalten angepasst, die Kosten für eine Harley sind immens, im After Market schlummern auch nicht gerade die ganz großen Schnäppchen, das kann und will sich niemand von den Youngstern mehr leisten.

Warum auch, es gibt Alternativen und was Motorisierung und Design anbelangt, schlafen Marken wie Triumph oder BMW ja nicht auf den Bäumen. Zudem ist deren Kommunikationstrategie vielfach besser. Und so wie aktuell das Thema E-Bike diskutiert wird, ist die neue Live Wire ja nun noch Welten davon entfernt, wie ein Rettungsanker zu wirken. Mehr als eine Nebelkerze ist es nicht, aber keinesfalls eine Lösung.

Einer der Gründe ist für mich die klaffende Wunde zwischen Mythos und Realität. Harley Davidson kokettiert zwar mit dem Image des rauen Bikers, der lässig und cool seinem Freiheitsdrang folgend über die Highways donnert, aber die Veränderung im Zeitgeist und die laufende Digitalisierung führen in der Young Generation zu völlig anderen Erwartungen. Coolness definiert sich heutzutage nicht mehr durch einen knatternden Big Twin, die Prioritäten haben sich völlig verändert.

Screenshot HD: So soll die Zukunft aussehen! Das Ende vom Mythos?

Mit großen Events kann Harley sicherlich sein Stammpublikum bedienen, aber die Anzahl der jungen Leute, die deswegen der Marke folgen, ist einfach zu gering. Es ist mehr der Eventgedanke, der greift, nicht die Marke selbst. Hier muss Harley m. E. ansetzen. Wenn du einen populären Influencer auf eine Harley setzt, generiert man weitaus mehr Kontakte, als wie in in den glorreichen Tagen eines Wolfgang Fireks. Das muss mir nicht gefallen, aber macht deutlich, woran es der Marke fehlt.

Die Youngster wollen dynamisch und trendy daherkommen, und was bitte ist an einer Marke trendy, die dafür bekannt ist, dass sie vornehmlich von alten Säcken gefahren wird. Gerade von Zuhause abgenabelt, ist das sicherlich das letzte, was ein junger Kerl will.

Das Kernproblem ist für mich somit das eigene Image, das über Dekaden den Besitz einer Harley zu etwas Besonderem gemacht hat. Dieses Merkmal greift nicht mehr. Harley hat es nicht geschafft, in Punkto Modellentwicklung dem veränderten Zeitgeist wirklich nachhaltig Rechnung zu tragen. Günstige Einstiegsmodelle, zum Beispiel die Street 750, werden vom angestammten Publikum eher verächtlich bewertet und können im direkten Vergleich der Performance mit anderen Marken nicht Schritt halten. Und wenn ich schon vorher weiß, dass die Harley-Familie eher mit Spott reagiert, dann lasse ich es doch besser.

Ich bleibe der Marke treu, nicht weil ich muss, sondern weil ich es so will!

Der günstigere Preis kann m. E. ohnehin nur dann ein Kaufargument sein, wenn auch die Performance der Bikes dem Marktvergleich Stand hält. Und diesbezüglich tut sich Harley echt schwer. Ich denke, dass man dieses auch längst erkannt hat, die zukünftigen Modelle Pan America sowie der Streetfigher weisen jedenfalls klar in die Richtung, dass man sich völlig neu aufstellt und derzeit auslotet, wie der Markt reagiert.

Ich bleibe dem Milwaukee-Eisen treu, denn tatsächlich gibt es kein anderes Motorrad, welches meinem Lifestyle derart entspricht, wie Road King & Co. Nur mit über 50 Lenzen werden da nicht mehr so viele Neuanschaffungnen dazu kommen. Man darf gespannt sein, wie Harley Davidson die Trendwende schaffen will. Wenn der Marktanteil der Käufer unter 30 Jahre nicht ansteigt, dann war es das aber.

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.