Für den 09. September rufen die Macher erneut zu ihrer Motorraddemo „Freedom is our Religion“ (Fior) auf. Das Format hat sich mittlerweile vollends etabliert und bei vielen Szenegängern steht der Termin fest im Jahreskalender. Durch die stille Post erfuhr ich davon, dass u. a. Lars Böhler nunmehr mit in das erweiterte Orgateam aufgenommen wurde.
Lars Böhler ist das prägende Gesicht der Initiative „Schräglagenfreiheit“ und fiel mir in der Vergangenheit durch seine sehr prägnanten Kommentare im Netz auf. Dieser Umstand war für mich der richtige Zeitpunkt, um in Sachen FioR 2023 vorzufühlen. Herausgekommen ist ein Mailinterview mit Dirk Fähnrich sowie Lars Böhler. Steigen wir direkt ein.
Das Mailinterview!
Warum und in welcher Funktion ist Lars Böhler nun im Orgateam FioR 2023?
Dirk: Wir sind schon mehrere Jahre in engem Kontakt und Lars unterstützt uns mit seinem Fachwissen und seiner Energie.
Lars: Wir stehen ja schon seit Ende 2020 in Kontakt, arbeiten seit 2021 in der Kampagne Hochschalten! – Dialog statt Verbot zusammen und haben eine Reihe gemeinsamer Interessen. In den beiden letzten Jahren haben wir uns bereits aktiv beteiligt, nun bringen wir uns inhaltlich noch etwas stärker ein.
FioR 2023 läuft am 09. September. Wie laufen die Vorbereitungen?
Dirk: Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren .Wir haben in diesem Jahr mehrere Runde Tische besucht, um unser Anliegen persönlich zu erklären und alle einzuladen an der Demo teilzunehmen.
Gibt es konzeptionelle Änderungen hinsichtlich der Ausrichtung der Demo bzw. deren Intention?
Dirk: Es gibt keine Änderungen in diesem Jahr. Leider bleibt es auch im siebten Jahr dabei, dass wir für unsere Freiheit demonstrieren müssen. Jeder Biker wird ja merken, dass sich nichts zum positiven hinentwickelt und im Gegenteil die Freiheit immer mehr beschnitten wird.
Lars: Der Name der Veranstaltung bringt die Intention auf den Punkt. Die Freiheit ist das Wichtigste und Einschränkungen persönlicher Freiheit in übergriffiger Form erfordern Gegenwehr. Wenn nicht wir Biker für die Freiheit aufstehen, wer dann? Freiheit und Selbstbestimmung mögen in der Politik zu Worthülsen verkommen sein, für Biker sind sie essenziell. Insofern sei nochmals betont, dass die Freedom is our Religion eine Veranstaltung für alle (!) Motorradfahrer ist.
Bleibt es dabei, dass Clubs aus Berlin und Umland erneut ihre Türen bereits am Freitag öffnen?
Dirk: Ja, weil es dabei darum geht sich kennenzulernen und ein geiles Wochenende zu haben. Näheres dazu auf www.freedom-is-our-religion.de
Könnt ihr etwas näher erläutern, was für euch persönlich die Freiheit in unserer Republik maßgeblich einschränkt?
Dirk: Wir reden ja hier über die Motorraddemo FioR und ich würde da gerne beim Thema bleiben. Alles andere würde den Rahmen sprengen. Die Freiheit für uns Biker wird ja nach wie vor durch Streckensperrungen, Sonn- und Feiertagsfahrverbote und nicht zuletzt durch die Änderung des Vereinsgesetzes bedroht bzw. tatsächlich schon eingeschränkt.
Lars: Für mich an erster Stelle die allgegenwärtige Entmündigung. Ich bin, obwohl gelernter DDR-Bürger, sehr freiheitlich aufgewachsen und erzogen worden. Machen und machen lassen war das Credo meiner Eltern und Großeltern, Verbote waren die Ausnahme. Ich wurde auf Gefahren hingewiesen und über Risiken meiner Vorhaben aufgeklärt und konnte somit zu selbstbestimmten Entscheidungen finden. Die in unserem Land entwickelte Verbotskultur widert mich an. Ich brauche kein Verbot heißen Kaffee´s beim Autofahren, ich weiß, dass es schmerzt, wenn ich ihn mir über den Latz gieße und verhalte mich entsprechend. Nicht dass mir ein solches Verbot aktuell bekannt wäre, aber wer weiß, was morgen kommt. Mit jedem Verbotserlass spreche ich dem Einzelnen die Fähigkeit ab, für ihn richtige Entscheidungen im Rahmen allgemeingültiger Regeln zu treffen.
An zweiter Stelle habe ich zunehmend das Gefühl, dass wir uns selbst beschränken. Wir fokussieren uns zu sehr auf das, was uns unterscheidet oder von dem wir denken, dass es uns unterscheidet, als auf das, was uns verbindet. Solange wir unsere kleinteiligen Denkmuster voranstellen und nicht erkennen, dass wir uns selbst zum Spielball der lauten Minderheit der Verbotsforderer machen, werden wir als Motorradcommunity nicht ernst genommen.
Was könnte für euch die Lösung sein?
Dirk: Ein Teil der Lösung scheint mir zu sein ,dass man versucht etwas gegen jegliche Einschränkung zu unternehmen, auch wenn es auf den ersten Blick einen nicht selbst betrifft. Auch die Freiheit der anderen ist wichtig! Ich denke, man muss immer bereit sein für seine Freiheit zu kämpfen und deshalb gibt es zum 7. Mal Freedom is our Religion.
Lars: Uns kommt die Wertschätzung eines freiheitlichen Lebens abhanden. Freiheit ist nicht das, was mir ein Journalist oder Politiker als solche verkauft, sondern ausschließlich das, was sich danach anfühlt. Beides schließt sich nicht zwangsläufig aus, die in Umlauf gelangenden Mogelpackungen mit Freiheitsaufdruck und Verbotsinhalt nehmen jedoch Überhand. Ein Teil der Lösung ist meines Erachtens die Erkenntnis, dass ein freiheitliches und selbstbestimmtes Leben keine Selbstverständlichkeit ist und, sofern man es beibehalten möchte, verteidigt oder auch zurückgeholt werden muss. Das funktioniert nicht von der Couch, sondern auf der Straße und in den Büros der politischen Mandatsträger. Wenn ich unzufrieden bin, muss ich das zum Ausdruck bringen. Wenn ich Veränderung möchte, muss ich handeln.
Wie kann man die Kräfte in der Motorradszene noch stärker mobilisieren?
Dirk: Eine Vernetzung der Szene hilft. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass viele Biker bereit sind etwas für ihre Freiheit zu tun.
Lars: Erfahrungsgemäß bewegen sich Menschen zu Veranstaltungen aus zwei Gründen. Entweder reizt sie das zu erwartende Entertainment oder das Thema berührt sie. Ersteres werden und wollen wir nicht liefern und für zweiteres bedarf es der Erkenntnis eines jeden Betroffenen, etwas tun zu können und zu wollen. Die Plattform dafür bieten wir, mobilisieren muss sich jeder selbst, indem er aufsteht. Wenn Freibier und Schnittchen die Motivation der Teilnahme sind, bleiben wir wirkungslos.
Was muss der einzelne Motorradfahrer tun, um noch besser am Thema dran zu sein?
Dirk: Wer Interesse an den Themen hat, kann und sollte sich auf Social Media Seiten informieren und sich dort durch Kommentare, Posts oder private Nachrichten einbringen und sich vernetzen.
Lars: Das ist abhängig davon, was jeder zu seinem Thema macht. Ist beispielsweise die Arbeit der aktiven Verbände von Interesse, besteht die Möglichkeit, sich auf den Internetseiten oder Social Media Kanälen zu informieren, uns zu schreiben, uns anzurufen oder Veranstaltungen zu besuchen. Sind verkehrspolitische Entwicklungen und die Vorhaben verschiedener Parteien und Ministerien interessant, ist Eigeninitiative zur Recherche gefragt. Uns betreffende Anträge zu Gesetzesvorlagen oder -änderungen sind online verfügbar und auch die Aktivitäten der Verbotsforderer sind zu verfolgen. Wenn die gesamte Szene diesen Dingen mehr Aufmerksamkeit schenken würde, wäre das in zweierlei Hinsicht hilfreich. Der Einzelne würde angesichts der unzähligen Aktivitäten gegen Motorradfahrer die Notwendigkeit des Handelns erkennen und die Vernetzung lokaler Aktivisten für die Szene würde voranschreiten.
Offensichtlich nimmt die Bereitschaft zur Organisation von Motorraddemos ab. Geht den Leuten die Luft aus?
Dirk: Vielleicht haben einige gehofft oder geglaubt, dass eine einzige Demonstration reicht um etwas zu bewegen.Das gilt für die Organisatoren aber auch für die Teilnehmer.
Es war 2020/21 gut zu sehen, wie viele Leute bereit waren für die gemeinsame Sache auf die Straße zu gehen bzw. sich aufs Motorrad zu setzen, aber damit ist es leider nicht getan. Wir müssen Jahr für Jahr zeigen, dass wir auf keinen Fall mit der Einschränkung unserer Freiheit einverstanden sind.
Lars: Jeder, der mal eine solche Veranstaltung organisiert und durchgeführt hat, weiß um den zeitlichen und finanziellen Aufwand. Der Erfolg einer Demonstration steht und fällt mit der Professionalität der Durchführung und der Qualität der weitergegebenen Inhalte. 2020 und 2021 habe ich einen Trend zur Motorrad-Demo wahrgenommen, dem viele Gruppierungen gefolgt sind, aufgerüttelt durch die seinerzeit aktuelle Bundesratsinitiative. Viele Demonstrationen fanden mit kurzen zeitlichen Abständen statt, teilweise in den gleichen Regionen, was zum Rückgang der Teilnehmerzahlen führte. Sehr unerfreulich und extrem schädlich für die gesamte Szene war zudem das aufkommende Konkurrenzdenken hinsichtlich der Demos. Es muss immer um unsere Sache und niemals um den Namen des Veranstalters gehen. Diese Erkenntnis dringt glücklicherweise mehr und mehr durch, was sich in der Zusammenarbeit der Aktivisten widerspiegelt. Dieser Schulterschluss ist zwingend nötig, denn im Vergleich zu den Jahren 2020 und 2021 hat die Dringlichkeit für unser gemeinsames Handeln zu und nicht abgenommen.
Welche Erwartung hegt ihr für Freedom is our Religion 2023?
Dirk: Ich hoffe, dass viele verschiedene Clubs, MF’s und nicht zuletzt freie Biker kommen und mit uns zusammen ein Zeichen setzen. Die Bikerszene ist sehr vielfältig und es wäre schön, das auch auf der Demo zu zeigen.
Lars: Jeder, der zur Demo kommt, bringt noch zwei mit. Wir sehen am 09.09. ein Meer aus verschiedenen Bikes und Bikern vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule. Alle Teilnehmer fahren mit dem Gefühl nach Hause, dass unsere Freiheit es wert ist, entschlossen verteidigt zu werden.(Ende Mailinterview)
Anmerkungen zu Freedom is our Religion!
Soweit kein wirklich wichtiger Grund der Teilnahme entgegensteht, wird man mich am 09. September in Berlin zu sehen bekommen. Ich habe mich von Anfang an gegen die Gesetzesnovelle zur Verschärfung des Vereinrechtes positioniert und es ist zwichenzeitlich nichts passiert, was meine Position aufgeweicht hätte. Im Gegenteil!
Der Protest gegen die Einschränkung unserer Freiheiten ist kein 100-Meter-Sprint, es ist ein Marathon. Als ich vor Jahren gefragt wurde, ob ich vor dem Brandenburger Tor im Rahmen der Demo FioR eine Rede halte, habe ich zugestimmt. Mir war es da auch völlig egal, welche Farben von dem Insignienverbot betroffen sind oder ob es Mopedfahrer gibt, die ein temporäres Fahrverbot durch ihr Verhalten begründen. Ich lehne jede Form der Kollektivhaftung ab, zumal dem Staat alle Werkzeuge zu einer individuellen Sanktionierung bereits jetzt zur Verfügung stehen.
Es gibt stets Gründe, die einen vor dem persönlichen Protest vielleicht zurückschrecken lassen, aber es gibt diesen einen Grund, der m. E. über allem steht. Und das ist der persönliche Einsatz für die Freiheit, denn wer sich in diesen Zeiten nicht einmal für die eigenen Belange engagiert, hat es m. E. auch nicht verdient, wenn andere dieses für einen tun, denn nur eine gelebte Freiheit ist letztlich eine echte Freiheit. Entscheidet euch! Cu in Berlin!
Rede von Lars! (Ab Minute 3,33)
Rede von Dikr Fähnrich!
Kontakt: https://www.facebook.com/freedomisourreligion