Rockerkriminalität: Forschungsbericht Nr. 166 des KFN Hannovers

Ich ziehe mein Fazit!

„187 Seiten absolut komplexe Materie und am Ende ist man kaum schlauer als vorher“. So in etwa könnte ich meinen Eindruck nach dem Erfassen der insgesamt 187 Seiten des Forschungsberichtes Nr. 166 des Kriminolgischen Instituts Hannovers (im weiteren KFN) in Worte fassen.

Könnte ich! Will ich aber nicht, denn obwohl ich weiß, dass derlei Themen ganz sicherlich nicht zum Must Have der Clubszene gehören, bietet der Bericht des KFN eine Vielzahl von Erkenntnissen bzw. Ansätzen, die man dem eigenen Standpunkt einmal gegenüber stellen muss. In jedem Fall zeigt er Betrachtungsweisen auf, die in dieser Form ganz sicherlich den meisten am Thema Interessierten nicht bekannt sind.

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Der Forschungsbericht des KFN!

Es macht keinen Sinn, ein allgemeingültiges Fazit zu ziehen. Erstens bin ich kein Fachanwalt und zweitens stellt das KFN gleich zu Anfang selbst fest, dass es in Deutschland so gut wie keine empirischen Daten gibt, die zur Auswertung hätten herangezogen werden können. Im Wesentlichen stützt sich der Bericht daher auf die Informationen der Behörden, der Medien und den Fachautoren zum Thema Subkultur und 1%er.

Das führte bei mir wenigstens zu der Erkenntis, dass die Rhetorik der Politik und Behörden eben nicht auf einer breiten Basis an Urteilen und damit nachgewiesenen Straftaten fußt, sondern im Kern einen rein administrativen Ansatz verfolgt, um somit primär dem subjektiven Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Das führt aber auch nicht zu der Erkenntnis, dass 1%er lediglich ein Spielball zur Durchsetzung eigener Sicherheitspoltik sind und das staatliche Agieren jeglicher Grundlage entbehrt. Es wäre mehr als töricht dieses zu behaupten. Es gibt Vorfälle, zum Teil drastische, die können und dürfen nicht unter den Tisch fallen. Fakt aber ist, dass zwischen der gebetsmühlenartig vorgetragenen Rhetorik und der Anzahl an rechtskräftigen Urteilen eine immense Kluft besteht. Ob dieses nun der mangelnden Ausstattung der Polizei, dem Dunkelfeld, strafprozessualen Gegenbenheiten oder der Überlastung von Gerichten geschuldig ist, spielt für die strafrechtliche Eindordnung m. E. kein Rolle. Tatsache ist, dass rein numerisch die Anzahl an nachgewiesenen Straftaten im Feld der OK viel geringer ist, als es die öffentichen Darstellungen zum Ausdruck bringen.

Ein Blick in die BKA-Lagebilder stützt m. E. diese Einschätzung, denn darin liegen die Verfahren unter Beteiligung von Mitgliedern der sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG’s) im Kontext zur Organisierten Kriminalität, und um diese geht es ja stets, grundsätzlich immer im unteren einstelligen Bereich. Wohlgemerkt Verfahren, kein Urteile. Insofern muss festgestellt werden, dass weder die vorhandenen empirischen Fakten sowie die pure Anzahl an nachgewiesenen Straftaten durch 1%er die stetige Rhetorik rechtfertigen, dass manche MC’s im Ganzen kriminell sind und ihr Zweck ausschließlich darin besteht Straftaten zu begehen. Ja, es gibt in den Clubs Mitgieder, die einzeln oder mit mehreren Brüdern zusammen Straftaten begehen, aber in Summe fehlen einfach die umumstößlichen Tatbestände, um die behödlichen Aussagen zu bekräftigen, dass manche Clubs als Ganzes kriminell sind.

Meine These wird bei einem Blick in die Grundlage von Vereinsverboten sowie dem Insignienverbot sogar m. E. untersützt. Grundlage für diese Verbote ist nämlich nicht die Anzahl an Urteilen, also bewiesene Straftaten. Hierzu heißt es in dem Bericht des KFN auf Seite 113Für ein Vereinsverbot genüge die Tatsache eines strafbaren Zweckes. Verschulden sei nicht erforderlich. Auch die strafrechtliche Verurteilung der Täter sei keine Voraussetzung, die Erfüllung allein des objektiven Tatbestandes reiche aus. Dies prüfe die Behörde in eigener Zuständigkeit und sei dabei nicht an die rechtliche Würdigung der Strafverfolgungsbehörden gebunden.“

Das bedeutet im Klartext, dass es im Grunde keine Rolle spielt, ob ein Gericht feststellt, dass ein strafbares Handeln vorliegt oder nicht, es reicht völlig aus, dass die Polzei ein bestimmtes Handeln entsprechend würdigt. Eine Würdigung erfüllt aber nicht den Straftatbestand, dieser ist abhängig von erfüllten Tatbestandsmerkmalen, die nur ein Gericht feststellen kann. Da hier bei uns grundsätzlich die Unschuldsvermutung gilt, habe ich an dieser Stelle ein erhebliches Problem damit, dass lediglich eine behördliche Würdigung ausreicht, um mich als Strattäter zu bezeichnen. Denn was lenkt diese Würdigung? Jedenfalls nicht die strafrechtliche Würdung der Gerichte, für die übrigens das Feld der OK keine Rolle spielt.

Die Moral!

Im Kontext dazu spielen moralische Normen eine wesentliche Rolle. Erst kürzlich schrieb mich ein Mopedfahrer an und vertrat die Ansicht, dass jeder Verein straffällige Mitglieder aus dem Verein ausschließen muss. Nur dann grenzt sich der Verein ausreichend ab. Als ich ihn auf den Grundgedanken einer Bruderschaft verwies, konterte er damit, dass es keine biologischen Verbindungen gäbe, damit die Mitglieder keine Brüdern sein könnten. Es sind nur Vereine!

Das genau das ist der Nährboden, der von den Behörden stetig gefüttert wird. Es sind primär nicht die objektiven Fakten in Form von Urteilen, und nur diese begründen eine nachgewiesene Straftat, es ist vielmehr die Außenwirkung und die moralische Sichtweise der Zivilgesellschaft auf den Aspekt Rockerkriminalität. Das macht es den Behörden natürlich extrem einfach Symbolpolitik zu fahren. Denn an dieser Stelle ist die Rockerzene tatsächlich am verletzlichsten.

Nur dann, wenn die Clubs straffallige Mitglieder aus dem Club hinauswerfen, genügen sie den moralischen Ansprüchen der Gesellschaft. Dann waschen sie sich quasi rein, weil sie sich mit dem Rauswurf ausreichend von dem Verhalten der Brüder distanziert haben. Ein Blick in die Erhebungen zu dem strafbewährten Verhalten von Politikern und Wirtschaftsbossen dürfte jedem klar machen, wie scheinheilig eine solche Sichtweise ist. Da brauchen wir die Fälle Hoeneß, Rummenigge, Becker & Co nicht mal heranziehen.

„Your Brother is not allways right, but he is allwways your Brother!“.

Denn so ein Standing widerspricht persé der Intention eines Onepercenters. Rocker ist man nicht geworden, weil man den moralischen Normen entsprechen will, sondern weil man nicht bereit ist weiterhin die gesellschaftlichen Normen ungeprüft und unwidersprochen auf sich zu übertragen. An dieser Stelle können 1%er daher nur verlieren. Es stellt sich aber die Frage, ob Verbote vordergründig durch eine moralische Sichtweise oder durch die eigene Rechtsordnung geprägt sein sollten. Es ist ein verfassungsmäßiger Grundsatz, dass moralische Sichtweisen keinen Einfluss auf die Rechtsprechung haben dürfen.

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Schlusswort!

Ich habe hier nur die für mich wesentliche Aspekte angepackt und nichts ersetzt das eigene Lesen des Forschungeberichtes des KFN, um diesen für sich zu bewerten. Die wengistens werden das tun. Um es klarzustellen, es liegt mir völlig fern Oneperenter von Schuld freizusprechen, sofern sie rechtskräftig schuldig sind, aber ich bin nicht bereit die Grundsätze einer Bruderschaft nach genau den moralischen Aspekten zu würdigen, denen ein 1%er-Club gar nicht entsprechen will. Das nämlich wäre ein absoluter Widerspruch.

Nun vertreten ja viele die Meinung, dass die Clubs dann eben mit den Konsequenzen leben müssen. Das tun sich ja auch, in allen Belangen. Wären sie denn besser beraten, wenn sie ihre Grundmauern einreissen und alles rauswerfen, was nur ansatzweise in den Verdacht gerät eine Straftat begangen zu haben. Würde das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung steigen, wenn das so passiert? Mitnichten!

Wer eine deratige Sichttweise inne hat, darf diese denn zukünftig auch bitte in allen anderen relevanten Bereichen anwenden. Das wird ihn allerdings vor massive Probleme stellen. Wie gehe ich mit der Kirche um, die sich ja keineswegs von den unzähligen Kinderfickern nachaltig distanziert, diese nur versetzt, damit sie aus der Schusslinie sind, wie bewerte ich das Agieren frührender Wirtschaftsunternehmen, die zu Gewinnmaximierung Menchen versklaven und in die Armut zwängen, wie bewerte ich das Agieren der Fußballverbände, die es zulassen, dass zig Arbeiter sterben, damit ihr euren Lieblingssport frönen könnt. Na, soll ich weitermachen?

Der Forschungsbericht Nr. 166 wäscht die 1%er-Szene nicht rein, er gibt aber Einblicke, die in Bezug auf das staatliche Agieren mehr als nur Fragen aufwerfen. Für mich ist jedenfalls klar, dass es reinweg auf Basis von rechtsgültigen Verurteilungen sowie unumstößlichen Umständen weitaus weniger Vereinsverbote und schon gar nicht das Insignienverbot gegeben hätte.

Wenn ihr jetzt denkt, der Obelix macht sich das viel zu einfach, es passiert doch so viel, das er die Onepercenter nicht wie Lämmer darstellen kann. Nun, das habe ich nicht getan. Ich habe lediglich festgestellt, dass m. E. die Rechtsgrundlagen für die Verbote auf extrem dünnen Eis stehen und das es ausreichende Argumente gibt der Rhetorik aus Politik, Behörden und Presse zu begegnen.

Ich mag es nicht, wenn Rocker von der BAB gedrängt werden oder mit Schusswaffen in der Öffentlichkeit rumballern. Ganz sicher werde ich aber nicht das Damoklesschwert über wen auch immer richten, nur weil in den Medien der Begriff Rocker genannt wird. Das käme einer Vorverurteilung gleich. Und wer diesem Impuls regelmäßig folgt, der beteiligt sich genau an der Stigmatisierung, die er selber an anderer Stelle anprangert. Was ihr jetzt damit anfangt, ist eure Sache!

Der Forschungsbericht: https://kfn.de/wp-content/uploads/Forschungsberichte/FB_166.pdf

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.