Verdachstberichterstattung im Kontext zum Fall Lindemann!

Es hat durchaus gejuckt, mich in die Berichterstattung um den Fall Till Lindemann einzuklinken. Immerhin hätte das dem Onlinemagazin ganz sicher einen hohen Content und viele Interaktionen berscherrt. Letztlich habe ich darauf verzichtet. Nachdem nun die Staatsanwaltschaft Berlin sämtliche Verfahren gegen den Rockstar eingestellt hat, hier einige Worte zum Aspekt der Verdachtsberichterstattung.

Die Gründe meines Nichthandelns?

Till Lindemann werden strafrechtlich relevante Delikte vorgeworfen, u. a. sexuelle Nötigung sowie BTBM-Verstöße. Das hat in der gesamten Republik eine massive öffentliche Debatte ausgelöst. Man kann sicherlich festellen, dass wir damit unsere eigene hausgemachte Mee-To-Debatte geführt haben.

Nun gilt gottlob die Unschuldsvermutung. Diese wurde jedoch in den Diskussionen nahezu komplett vom Tisch gewischt und in den Talk Shows verteidigten namhafte Journalisten aus dem Investigativbereich ihre Berichterstattung mit dem Argument, dass es eine gesellschaftlich notwendige Diskussion sei und die Unschuldsvermutung daher keine dominante Rolle spielen dürfe. Die Rechte der Opfer seinen höherwertig zu betrachten. Eine bekannte Incluencerin ging sogar soweit, dass sie lieber einer Lügnerin glaube, als einem notorischen Vergewaltiger. Bämm!

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Ein klares Rechtsprinzip spielt also keine Rolle? Für mich haben sich damit viele Journalisten ganz klar entlarvt, denn die Grundlage der gesamten Diskussion sind eben Straftaten, die Till Lindemann begangen haben soll. Vermeintlich und unbewiesen. Wie kann dann dieses Rechtsprinzip eine untergeordnete Rolle spielen? Nein, die Berichterstattung hat das eindeutig zu beachten und muss fair und ausballanciert erfolgen. So sieht es der Pressekodex vor.

Spätestens an dieser Stelle erinnerte ich mich an etliche Anlässe in der Rockerszene, bei denen bereits in der ersten Verdachtsberichterstattung stetig der Eindruck erweckt wird, dass die Täter bereits feststehen würden, die Beweiserhebung an sich nur eine Formsache sei. Da es aber auch für die Verdachtsberichterstattung Regeln gibt, muss man einfach konstatieren, dass die Unschuldsvermutung offensichtlich für die Presse recht unbedeutend ist, denn in diesem Kontext findet diese oftmals eben nicht auf der Basis von Beweisen oder klaren Indizien statt, sondern stellt an sich eine rein spekulative Berichterstattung dar, die allerdings rhetorisch geschickt formuliert bereits eine klare Richtung einnimt. Die Message kommt beim Leser an und er wird durch das stetige Wiederholen konditioniert.

Da sind es oftmals eher die hinteren Passagen, in denen ein Autor ggf. feststellt, dass die Polizei ermittelt und es noch keinerlei echte Erkenntnisse gibt. Die Berichte werden aber klar in ihrer Ausrichtung tendenziös verfasst. Nun muss man Journalisten sicherlich einen gewissen spekulativen Spielraum in der Berichterstattung zugestehen, das ändert aber reinweg gar nichts an dem Umstand, dass nicht bewiesene Aspekte keinesfalls als vermeintliche Tatsachen dargestellt werden dürfen. Die vielen Urteile im Fall Lindeman machen das sehr deutlich.

Zum jetzigen Zeitpukt weiß niemand, ob Till Lindemann ein Straftäter ist, gesellschaftlich vorverurteilt ist er ganz sicher für viele. Nun, er ist ja auch der ideale Protagonist, um sich an ihm abzuarbeiten. Seine Gedichte und Harcorefilmchen lassen ihn so wunderbar als einen sexsüchtigen Rockstar erscheinen, der die Rechte von Frauen mit Füßen tritt und seinen Status nutzt, um junge Ladys stetig zu missbrauchen. Das ist möglich, aber nichts ist bewiesen. Und das soll tatsächlich ohne Beweis die Basis für eine Diskussion über Frauen- und Opferrechte auslösen? Mit mir nicht!

Im Fall Lindemann kommt noch erschwerend hinzu, dass nicht ein einziges vermeintliches Opfer selbst eine Anzeige erstattet hat. In dieser Richtung wurde aber gar nicht erst in der notwendigen Breite hinterfragt, warum das so ist. Mna hat sich einfach hinter einer eidestattlichen Erklärung verschanzt. Sorry, wer sich vor eine Kamera setzt und derartige Beschuldigungen ausspricht, dann aber nicht den Weg zur Staatsanwaltschaft sucht, um den vermeintlichen Täter anzuzeigen, da bin ich persé höchst skeptisch. In der Verdachtsberichterstattung Kausa Lindemann wurde dieser Aspekt nahezu todgeschwiegen.

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Ich will keinefalls behaupten, dass ich es geahnt hatte. Ja, auch ich war skeptisch. Aber egal wie schräg es auch anmuten mag, dass ausgerechnet ein Rocker sich in dem Kontext an klare Rechtsprinzipien hält und niemanden vorverureilt, ich werde das auch in Zukunft genauso handhaben, bis klare Erkentnisse vorliegen, die unzweifelhaft eine Täterschaft belegen. Bevor also eine Staatsanwaltschaft nicht mal eine Klage bei den Gerichten eingereicht hat, die man prüfen kann, bin ich raus. Und das hat nichts damit zu tun, dass manche Anlässe in der Rockerszene absolut unentschuldbar sind, es hat aber damit etwas zu tun, dass ich kein Richter bin und aus eigener Erfahrung weiß, dass derlei Themen viel zu komplex sind, um sie aus moralischer Sicht zu betrachten, zumal es ein Rechtsprinzip ist, dass morallische Aspekte bei der Urteilsfindung keine Rolle spielen dürfen. My 5 Cents!

In der Präambel der Presse heißt es u. a. unter Ziffer 1!

„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.“

Link Pressekodex: https://www.presserat.de/pressekodex.html

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.