Vereinsgesetz: Interview mit MdB Ulla Jelpke von der Linken!

Konkret nachgehakt!

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ im Deutschen Bundestag, hat durch ihr konsequentes Veto gegen die Verschärfung des Vereinsgesetzes in der Biker-Szene einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad erhalten. Ihr Name fiel häufig, selbst die akut betroffenen MC’s haben sich in einem gemeinsamen Video-Statement postitiv ob ihrer Argumentation geäußert, was allerdings aufgrund der vertretenen Position wenig überraschte.

Über die Motive hinter ihrer Position haben wir allerdings bisher recht wenig erfahren. Daher habe ich mich mit Ulla Jelpke in Verbindung gesetzt und nachfolgendes Interview mit ihr geführt.

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Das Frage & Antwort-Spiel

 

Die Fraktion der Linken hat als einzige Partei konsequent das neue Vereinsgesetz abgelehnt. Welche Aspekte begründen Ihr Veto?

Soweit es wirklich darum gehen soll, kriminelle Rockerstrukturen zu bekämpfen, handelt es sich bei diesem Gesetz einfach um untaugliche Symbolpolitik. Denn Kriminelle, die unter dem Label Rocker auftreten, werden sich durch das Verbot von Symbolen nicht in ihren illegalen Machenschaften behindern lassen. Zudem wird die Szene allgemein auf Ersatzsymbole, Zahlen- und Farbencodes ausweichen. Für die nichtszenekundige Polizei würde es dadurch noch schwerer werden, die verschiedenen Rockergruppen zu identifizieren.

Doch das Gesetz ist nicht nur kontraproduktiv für sein vorgebliches Anliegen der Bekämpfung krimineller Rockerstrukturen. Es stellt zudem eine Art Sippenbestrafung für die große Mehrzahl der nicht kriminellen Mitglieder von Motorradclubs dar, die nun auch nicht mehr diese Symbole tragen dürfen. Eine solche Maßnahme erscheint aus rechtsstaatlicher Sicht als unverhältnismäßig. Zahlreiche nichtkriminelle Rocker werden in ihren Grundrechten eingeschränkt. Dieser bürgerrechtliche Aspekt ist für uns zentral bei der Ablehnung dieses Gesetzes. Bürgerrechte gelten für alle, auch für Rocker..

Begründet wird das Gesetz zwar mit dem Kampf gegen kriminelle Rocker, doch es kann sich von seiner Logik her auch gegen andere Bevölkerungsgruppen richten. Stellen wir uns nur einmal vor, eine Hooligangruppe verwendet ein Fußballvereinslogo, das auch von anderen, nicht gewalttätigen Fans genutzt wird. Sollen diese Fans oder gar die Vereine ihre Logos nicht mehr zeigen dürfen, wenn so eine Hooligangruppe verboten wird? Oder stellen wir uns einmal ein Verbot einer militanten Antifagruppe vor. Darf dann bundesweit nicht mehr das bekannte Antifa-Symbol mit den beiden Fahnen im Kreis benutzt werden?

Ulla Jelpke ist innenpolitische Spürecherin der Fraktion der Linken im Bundeastag.

Ulla Jelpke ist innenpolitische Spürecherin der Fraktion der Linken im Bundestag.

In der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages haben die geladenen Verfassungsgelehrten das neue Gesetz als untaugliches Mittel bezeichnet, welches vor dem BVG so bei einer Klage scheitern wird.
Was glauben Sie, warum die Fraktionen der CDU/CSU sowie der SPD es trotzdem durchgeboxt haben
?

Es ging der Regierungskoalition wohl darum, sich noch vor der Bundestagswahl als innenpolitische Hardliner zu präsentieren – auch auf die Gefahr hin, dass das Gesetz später vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird.

Wäre es bei derart begründeten Argumenten nicht dienlicher gewesen, dieses Gesetz in die erneute Prüfung zu geben?

Mit Sicherheit. Bei der Anhörung haben mehrere Sachverständige darauf hingewiesen, dass das Gesetz offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt und aufgrund seiner Eingriffe in Grundrechte verfassungsmäßig bedenklich ist.

Warum hat man das nicht getan?

Die Koalition befand sich offenbar schon im Wahlkampfmodus. Und die Opposition hatte allein nicht die Stärke, so etwas durchzusetzen.

Sie haben vor kurzem eine kleine Anfrage im Bundestag gestellt. Haben Sie die Antworten der Bundesregierung befriedigt?

Nein. Denn die Bundesregierung stiehlt sich hier aus der Verantwortung für ihr eigenes Gesetz. So kann die Bundesregierung nicht auch nur schätzungsweise sagen, wie viele Personen von dem Gesetz bzw. dem Kutten-Verbot nun betroffen sind. Und bei der Umsetzung der Verbote verweist die Bundesregierung allein auf die Länder. Nun ist die Durchsetzung des Vereinsgesetzes zwar Landesangelegenheit, doch ich bin der Auffassung, dass die Bundesregierung durchaus Kenntnis von den Folgen ihrer Gesetze haben sollte. Immerhin hat die Bundesregierung klar geantwortet, dass die Rockerclubs ihrerseits das Verbot einhalten und sogar die Schriftzüge von ihren Clubheimen entfernt haben. Schon dieses gesetzeskonforme Vorgehen zeigt, dass es sich beim Image der Rocker als gesetzloser Krawallbrüder um ein Zerrbild handelt.

MdB Ulla Jelpke vertritt kalr die Position, dass Bürgerrechte nicht für die Illusion von Sicherheit geopfert werden dürfen!

MdB Ulla Jelpke vertritt klar die Position, dass Bürgerrechte nicht für die Illusion von Sicherheit geopfert werden dürfen!

Wie stehen Sie eigentlich unabhängig von Ihrer rechtlichen Bewertung zum Thema Rocker?

Ich möchte nicht verhehlen, dass ich hier zwiespältig bin. Ich erinnere mich noch an meine Jugendzeit Ende der 1960er Jahre. Manchmal kamen da Rocker in die Häuser, in denen wir uns als junge Linke trafen. Und mir stieß deren frauenfeindliches Machogehabe schon sehr übel auf. Auch wenn ich jetzt – aufgrund unserer Ablehnung der Gesetzesverschärfungen – öfters mal in Rockermagazinen positiv erwähnt werde, irritiert mich doch weiter das dort vertretene Frauenbild.

Ich tue jetzt sicher der einen oder anderen selbstbewussten Motorradfahrerin unrecht, aber mir kommt es doch so vor, dass die Rockerszene weiterhin von recht archaischen Männlichkeitsvorstellungen geprägt ist und Frauen dort eher als Zierobjekte gesehen werden. Auch ist mir aufgefallen, dass die Grenzen zwischen einigen Rockerclubs und rechtsextremen Strukturen fließend sind – Rockerclubs stellen immer wieder ihre Räume für Nazirock-Bands zur Verfügung. Gerade vor dem Hintergrund, dass in vielen Rockerclubs heute Mitglieder aus vielen Nationen sind, sollte so etwas gar nicht gehen. Da erwarte ich eine klare Abgrenzung der Rockerclubs von Neonazis.

Schließlich ist es leider tatsächlich so, dass es Schnittmengen zwischen der Organisierten Kriminalität und Rockerclubs gibt. Hier sehe ich aber vor allem die nichtkriminellen Rocker in der Verantwortung, ihr eigenes Haus sauber zu halten und solchen Strukturen keinen Raum zu geben. Andererseits habe ich inzwischen auch genug Rocker kennengelernt, die keineswegs frauenfeindliche Machos und Rassisten sind sondern höfliche, angenehme und hilfsbereite Menschen, denen ihre Freiheit über alles geht. Und grundsätzlich habe ich immer Sympathien für all diejenigen, die sich nicht den bürgerlichen Konventionen und Moralvorstellungen beugen, sondern ihr Leben selbstbestimmt gestalten wollen.

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Glauben Sie, dass die Große Koalition die Rocker-Szene ganz generell aus der Öffentlichkeit verbannen will?

Es geht der Koalition meiner Ansicht nach eher darum, hier ein Feindbild aufzubauen. Um Gesetzesverschärfungen durchzusetzen, werden immer zuerst Gesellschaftsgruppen ohne große Lobby als Gefahr für die Öffentlichkeit aufgebauscht. Mal sind es Fußball-Ultras, dann Rocker, dann wieder Flüchtlinge. (Ende Interview)

Mein Kommentar!

Die Antwort Ulla Jelpkes auf meine Frage nach ihrer persönlichen Einstellung zur Rocker-Szene lässt erahnen, dass sie keineswegs von einer überaus hohen Affinität für die Subkultur als solches geleitet wird, sondern klar die rechtsstaatlichen Aspekte im Fokus hat. Wahlkampstrategisches Kalkül mag ich hier nahezu ausschließen, da die Zielgruppe Rocker nun alles andere als das Kernklientel der Linken anzusehen ist, auch wenn die Linken wie alle andere Parteien auch um jede Wählerstimme kämpfen muss.

Das sie sich trotzdem stellvertretend für ihre Fraktion klar gegen das Kennzeichenverbot ausgesprochen hat, damit nicht dem Mainstream folgte, ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass man für Rocker keinesfalls starke Sympathien hegen muss, und einem trotzdem bewusst ist, dass diesen sehr wohl dieselben Rechte zustehen, wie jedem anderen Bürger auch. Daher an dieser Stelle Daumen hoch für das bewiesene Rückgrad.

Gemeinsames Video-Statement!

Aus der ersten Lesung!

Ich bedanke mich für das Interview! Meinungen dazu?

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.