Agent Provocateur: Leserbrief

Ich habe an sich mit weitaus mehr Reaktionen aus der Szene zum Artikel Agent Provocateur gerechnet. Doch es zeigt sich wieder einmal, dass es ein kurzer Comment im Fratzenbuch locker gesetzt ist, wo hingegen eine inhaltliche Stellungnahme schon einiges mehr abverlangt. Störte 1% hat sich erneut zu Wort gemeldet und seine Sicht der Dinge klar und deutlich formuliert. Hier das Statement:

„Hallo Lars 1%!

Ich komme gleich zur Sache. Die Entwicklung in unserer Republik ist nicht neu. Die Rockerscene ist schon immer Spielball von Meinungsmache und staatlicher Willkür gewesen. Daran wird sich nichts ändern.Auch nicht durch Null toleranz , Provokation oder Undercoveragenten. Weder irgend ein Aufbegehren noch der Versuch einer Gegendarstellung macht aus uns etwas anderes als Rocker. Ob es nun zu einer Allianz kommt oder die MC`s in der Lage sind mittels Demonstrationen auf ihre Situation aufmerksam zu machen,- mit realistischem Blick- wen kümmerts, und wer berichtet darüber. Entweder ich bin 1%er oder ich bin es nicht. Dazwischen gibt es keinen Spielraum. Maybees und Wannabees sind mir immer suspekt. Die braucht kein Mensch.
Wie die Öffentlichkeit mit unserer Erscheinung lebt, kann mir am Arsch vorbeigehen. Was die Medien über uns berichten, ist immer von der Domäne der Rentabilität beherrscht. Crime sells! Und so sind solche Vorstöße seitens der Politiker oder der Staatsanwälte vornehmlich dazu geeignet,die jeweiligen eigenen Profile aufzupolieren. Soweit, so schlecht, und umgekehrt; sich über falsche Darstellungen in der Öffentlichkeit aufzuregen, hieße, sich selbst in Frage zu stellen.
Was sich gravierend geändert hat ist folgendes: Jeder 1%er hat sich für seinen Kram gerade zu machen, das war immer so, im Guten wie im Schlechten.Nur daß die Behörden mittlerweile dadurch auf den gesamten MC zugreifen, das hat sich geändert. Baut einer Mist, löffeln alle anderen die Scheiße aus. Einer für alle, alle für einen. Im weitesten Sinne, oder aber auch ganz kurz gegriffen. Unser Mythos lebt davon….und das ist gut so!
Das Schlimmste eben in diesem Sinne, und genau das ist in der letzten Dekade eingetreten, ist folgender Umstand.
Bei der Rekrutierung von neuen Membern, wurde nicht mehr so genau hingesehen. Das Prozedere ging viel zu schnell. Ich habe mich anfangs darüber gewundert mit welcher Rasanz da Leute hinzukamen, die für meine Begriffe von MC und Rocker so rein garnicht dahin gehörten. Und damit meine ich nicht die, die vielleicht nicht ein Pan von einer Knuckle unterscheiden können, sondern die, die die Kutte dazu benutzen einen auf dicke Hose zu machen. Der letzte etwa 23 oder 24 jährige, der wegen seiner Kutte von mir Respekt forderte (Ey Alder, guckst du meine Farben!!) bekam ein paar Watschen. Ende der Durchsage!
Die MC`s haben ihre eigenen Regeln zu den Akten gelegt, ( das kann und will ich bis heute nicht verstehen!) und öffneten Tor und Tür für Vögel, die mit Brotherhood nichts am Hut haben, und bei Bedarf mal eben die Farben wechselten, oder noch mieser, gleich zur Rennleitung liefen.Beides bis dato unvorstellbar.
Anstatt sich über Neue ein genaues Bild zu machen, und das kann unter Umständen sehr sehr lange dauern, ( ich erinnere- Comearound, Hangaround, Prospekt, Member-, gab es rasch das volle Zeug.
WIE EINFACH IST ES DA EINEN UNDERCOVER ZU PLATZIEREN!!??
Mensch Leute!Aufwachen! drum prüfe, was sich ewig bindet. Wie einfach ist dem Staat das gemacht worden. Und nur ganz wenige profitieren in den MCkreisen davon.Selbstdarstellungen in Funk und Fernsehen sind da nicht wirklich hilfreich. Es braucht schon mehr als nur die Kutte um dem Biedermann unsere Lebenseinstellung klar zu machen. Das Politiker von unserem Way of Life keine Ahnung haben, und es auch nie verstehen werden, muß genug sein. Da muß ich nicht auch noch hergehen und sie mit gefährlichen Halbwahrheiten füttern. Für die Pressefutzies gilt das Gleiche.
Sehr Richtig, in unserem Rechtsstaat sind die momentanen Verbote Colours öffentlich zu zeigen, mehr als bedenklich,und hoffentlich erweist sich das als eine Farce seitens der Länder. Im Verbieten war und ist unsere Republik immer schon ganz groß gewesen. Null toleranz? war immer so,wird immer so bleiben, und damit fahre ich. Angepisst sind sie, wenn sie nichts finden. Cool bleiben, auch das macht etwas von einem 1%er. Kriminalisiert sind wir seit eh und jeh, nur das Delikt? ja wo ist es denn?
Erinnern wir uns, mit welchen Methoden( Undercover) der Staat seiner Zeit versucht hat die Rechte Scene zu infiltirieren. Herr Frenz als Snitcher brachte in seiner Funktion als BNDinformant den Versuch die Rechtsparteien zu verbieten zu Fall. Hier funktionierte der Rechtsstaat. Und hier war ein riesiges öffenlichliches Interesse vorhanden. National und international. Otto Schili unterlag als Innenminister.
Von den Vorfällen bei der Untersuchung und Beurteilung der abscheulichen Morde der NSU, will ich hier gar nicht reden. Das würde auch zu weit führen.
Unterm Strich bin ich mir sicher, daß die Verfügungen vor dem Gesetz nicht lange Bestand haben werden. Es ist eine Frage der Zeit und Brotherhood läßt sich nicht verbieten- NEVER!
In diesem Sinne- keep on rocking, keep on rolling! ride on!
Störte1% ( Ende Statement )

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Stellungnahme zu dem Leserbrief!

„Störte 1%, ich bin da ganz nah bei dir. Natürlich sind viele Probleme hausgemacht. Das Rekrutieren von neuen Leuten auf Teufel komm raus, schon ein solches Handeln finde ich schmählich, bietet dem Staat zusätzliche Ansätze zum Einschreiten. Solche Leute denken immer zuerst an sich selber und nicht an die Gemeinschaft. Ein klarer Widerspruch zum Bruderschafts-Gedanken selbst. Trotzdem bin ich keinesfalls bereit, der 1%er-Szene diesbezüglich die alleinige Verantwortung für derartige Vorstöße des Staates zu unterstellen. In meinem Artikel geht es nicht darum, ob es dem Staat einfacher gemacht wird zu handeln oder eben nicht, die Kausalität ist mir dabei schon klar,  es geht im Kern darum, auf welcher Rechtsgrundlage er handelt. Und die öffentliche Forderung Undercover-Beamten das Begehen von Straftaten zur Durchsetzung von Ermittlungs-Erfolgen zu gestatten, halte ich sowohl strafrechtlich, als auch demokratiosch für außerordentlich bedenklich!

Derartige Maßnahmen treffen ja bekanntlich den gesamten MC. Doch wie du selber feststellst, sind es nur vereinzelte Personen, die von der Abweichung der Rules profitieren. Ergo bleibt dem Staat meines Erachtens nichts anderes übrig, als gegen genau diese Einzelpersonen zu ermitteln. Dieses entspricht dem Individualgrundsatz!

Selbstverständlich muss es in den Clubs zu einem Umdenken kommen. Wir können nicht jegliches Handeln mit dem Rocker-Status begründen. Der Staat sitz defintiv am längeren Hebel und wie wir nun sehen, lässt er sich das Aufgebehren einer absoluten Minderheit keinesfalls gefallen und greift nun halt zu drastischen Methoden. Doch wenn diese Maßnahmen nicht rechtsstaatlich sind, so gibt es aus meiner Sicht weder eine moralische, noch rechtliche Akzeptanz. Der Staat muss sich an die eigenen Regeln halten. Anderfalls verliert er die demokratische Legitimation!

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Die Bevölkerung hält ohnehin solange die Klappe, wie es den Menschen gut geht. Dies ist aktuell der Fall. Von daher ist von dieser Seite in der Tat keine Unterstützung zu erwarten. Die Presse wird einen Teufel tun und das aktuelle Vorgehen keinesfalls an den Pranger stellen. Sie haben aus der Akte Wulff nichts gelernt. Crime sells! Der Zweck heiligt die Mittel!

Solange ich selber nicht betroffen bin, könnte mir das an sich alles egal sein. Nur so funtioniert mein Demokatie-Veständnis nicht. Als Mitglied einer Subkultur und 1%er lebe ich zwar am Rande der Gesellschaft, aber eben nicht außerhalb jeglicher Normen. Bin ich nur dann ein 1%er, wenn ich Straftaten begehe und einen mächtigen Hammer schwinge. Keinesfalls!

Auch ich leiste einen Beitrag. Nur habe ich darüber hinaus die persönliche Entscheidung getroffen, meinen Bruder eben nicht nach den allgemein gültigen Werten zu beurteilen, sondern nach den Werten meiner selbst gewählten Familie. Ich belästige keine Bürger. Verhälst du dich mir gegenüber korrekt, darfst du dasselbe auch im Gegenzug erwarten. Pisst du mich an, dann pisse ich zurück.

Ich habe keine Patent-Rezepte und werde den Stein des Weisen niemals finden. Ich stelle Fragen und beobachte und was ich derzeit wahrnehme gefällt mir so überhaupt nicht. Tatsächlich kuriert dr Gedanke in meinem Kopf, ob öffentliche Aktionen aller 1%er irgendetwas bewegen würden. Doch vermutlich würde ein solches Ansinnen schon an der Individualität der Clubs selber scheitern. Weiß man es?

 

 

 

Autor: Lars Petersen

Mitglied im DPV Deutscher Presseverband - Verband für Journalisten e.V. Über 30 Jahre Erfahrung als Vertriebsmann, davon 9 Jahre Anzeigenleiter bei der Borgmeier Media Gruppe GmbH in Delmenhorst. Steckenpferd? Texten. Zur Person? Vater und MC-Mitglied (1%er). Karre? 99er Harley Davidson Road King. KM pro Jahr? Das reicht schon! Mein Credo? Geht nicht, gibt es nicht!! Machen, nicht labern! Der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Tätigkeit mit der höchst möglichen Neutralität und Objektivität ausführt und die Inhalte im Online-Magazin nur von ihm entschieden werden, sofern es sich nicht um bezahlte Aufträge handelt. Besonderes: U. a. Veranstalter von Bikes, Music & More Vol.1 bis 5. - Das Biker-Festival in Delmenhorst, Organisator der Biker Meile im Rahmen des Delmenhorster Autofrühlings sowie Produzent vom Motorcycle Jamboree Journal. Ausrichter vom Rocker Talk 1 und 3.